Muss man Untergewicht haben, um Anorexie zu haben?
Beispiel 1: Eine Person mit 85 Kilogramm nimmt in zwei Monaten 15kg ab. Sie isst stetig weniger, achtet auf Kalorien, fastet tagelang, macht eventuell noch exzessiven Sport, hasst ihren Körper, bestraft sich, wenn sie "zu viel" gegessen hat, hat essgestörte Gedanken, fühlt sich schwach, krank, wiegt sich jeden Tag, lügt über ihr Essverhalten, uvm.. Sie kippt oft um, wird oft krank, Haut und Haare sind geschädigt, sie hat keine Periode mehr. Sie ist mit 70kg noch immer übergewichtig/normalgewichtig.
Person 2: Eine Person mit 60 Kilogramm nimmt in zwei Monaten 15kg ab. Sie isst stetig weniger, achtet auf Kalorien, fastet tagelang, macht eventuell noch exzessiven Sport, hasst ihren Körper, bestraft sich, wenn sie "zu viel" gegessen hat, hat essgestörte Gedanken, fühlt sich schwach, krank, wiegt sich jeden Tag, lügt über ihr Essverhalten, uvm. Sie kippt oft um, wird oft krank, Haut und Haare sind geschädigt, sie hat keine Periode mehr. Sie ist mit 45kg untergewichtig.
Person 1 geht zum Psychologen und bekommt lediglich die Diagnose Essstörung, maximal eine Atypische Anorexie. In einer Klinik für Anorexie wird sie nicht aufgenommen.
Person 2 geht zum Psychologen und bekommt die Diagnose Anorexie. Ein stationärer Aufenthalt ist laut Psychologen zwingend und notwendig.
Hat Person 2 ein größeres "Recht" auf die Diagnose Anorexie und die Notwendigkeit in eine Klinik zu gehen, als Person 1?
Ich habe unter obrigen "Kriterien" 15kg abgenommen, war im niedrigen Normalgewicht/niedrigem Untergewicht (BMI zwischen 19 und 18), bekam die Diagnose atypische Anorexie und wurde deswegen nicht stationär behandelt.
Mich würde nun interessieren, was ihr wählt und warum.
Danke :)
22 Stimmen
12 Antworten
Beispiel 3: Eine Person nimmt über 2 Jahre hinweg 12 kg ab. Niedrigster BMI 15,6. Sie wiegt sich schon, aber nicht sehr zwanghaft. Sie hat eine Monatsblutung, weil sie die Pille nimmt. Haut und Haare sind normal. Ihr ist ständig kalt und sie sitzt nirgends bequem, aber sie kippt nie um und wird auch nicht krank. Das Blutbild ist auch normal. Eigentlich hat sie keine Angst vor Essen und Kalorien, sondern Angst vor Armut und hat im Supermarkt strikte Regeln, was sie sich kaufen darf.
Hat diese Person ein Recht auf die Diagnose einer Essstörung?
Andere Frage: Wenn man die 17,5 BMI aus den Diagnosekriterien jetzt offiziell absenken würde auf 16,5. Wären damit Millionen Menschen plötzlich von ihrer Magersucht geheilt?
Ich habe nie eine Diagnose bekommen, aber dass mein Verhalten krank war, weiß ich inzwischen auch so. Ich brauche kein "Recht", es so zu nennen. Seltsamerweise haftet gerade der Diagnose "Magersucht" etwas Trophäenhaftes an. Kein Mensch will psychisch krank sein, aber wenn man sich schon krank fühlt, sucht man Bestätigung von außen in Form einer Diagnose. Es ist wie die Annerkennung von all dem Leid.
Solange du darüber nachdenkst, ob du magersüchtig genug für eine Diagnose bist, hast du auf jeden Fall noch ein Problem. Wie genau es heißt, ist für seine Lösung eigentlich ziemlich egal.
Naja es geht dabei eben hauptsächlich um das Verhalten der Ärzte und Kliniken. Dass es diese Kriterien gibt und meist danach entschieden wird. Ich finde es selber total bescheuert. Deswegen die Umfrage.
... Weil Anorexie eine psychische Krankheit hat, die so erstmal nichts mit dem Gewicht zu tun hat. Die Gedankensätze und Verhaltensmuster sind das, was eine Anorexie ausmacht. Ich finde es wirklich schlimm, dass das so oft übersehen wird. So viel in so kurzer Zeit abzunehmen und so wenig Nährstoffe zu sich zu nehmen ist auch im unteren Normalbereich extrem gefährlich und sollte genau wie beim starken Untergewicht stationär behandelt werden.
Es geht nicht darum, ob jemand eine Essstörung hat. Essstörungen haben alle drei. Person 1, Person 2 und du.
Alle drei müssen auch behandelt werden. Das ist auch klar.
Aber halt nicht unbedingt stationär.
Gerade da Untergewicht starke gesundheitliche Folgen hat ist bei Person 2 dringender Handlungsbedarf. Eben um die Gesundheit zu schützen. Bei Person 1 kann man eine mildere Therapie anwenden, wofür es bei Person 2 bereits zu spät ist.
Person 1 benötigt auch lediglich psychiatrische Therapie. Person 2 muss daneben noch effektiv zunehmen. Es sind also unterschiedliche Vorraussetzung gegeben.
Ein anderes Beispiel: 2 Personen haben einen Bandscheibenvorfall. Nach gründlicher Untersuchung wird eine Person operiert, die andere nicht. Ungerecht? Nein. 2 unterschiedliche Patienten, 2 unterschiedliche Varianten, 2 unterschiedliche Therapieen.
Jeder bekommt das, was für ihn selbst gut ist.
Das Gewicht hat nichts mit der Krankheit an sich zu tun, es ist quasi ne Nebenwirkung die nicht auftreten muss
beide behandlungsbedürftig, weil das niedriger werdende körpergewicht lediglich ein symptom der krankheit und nicht die krankheit selbst ist.
anorexie ist eine selbstwahrnehmungsstörung, also eine psychische krankheit.
ich würde dir raten den arzt zu wechseln und noch einmal zu versuchen, eine intensivtherapie, z.b. in einer tagesklinik zu bekommen.
Ich habe keine Anorexie mehr, es von selber nach Jahren irgendwie raus geschafft. Ich möchte noch immer wieder abnehmen und fühle mich nicht wohl mit mir und meinem Essverhalten. Der "Suchtfaktor" ist allerdings schon viel leiser geworden. Danke :)
Eine stationäre Therapie wird bei Person 1 auch nötig sein, weil sie offensichtlich nicht alleine aus ihrem Verhalten raus kommt. Ist wie bei starken Depressionen o.a. Und da sie Symptome hat, die sich auch schon körperlich ausdrücken, sollte das ebenfalls überwacht werden.