Müssen Psychotherapeuten eigentlich so tun, dass sie jemanden mögen. Lernt man das so in der Psychotherapieausbildung?

6 Antworten

Nein. Das sollen sie auch nicht.

Voraussetzung für eine gelingende Psychotherapie ist eine gute Beziehung zwischen Patient und Psychotherapeut - und wenn die nicht funktioniert, ist eine Psychotherapie zwecklos. Zu Anfang jeder Psychotherapie gibt es fünf provisorische Sitzungen, die dazu dienen, ein Verhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut aufzubauen und zu ergründen, ob die Chemie zwischen den beiden stimmt.

Ist das nicht der Fall, kann und sollte die Psychotherapie abgelehnt werden - entweder vom Patienten oder aber auch vom Psychotherapeut.


Sirias 
Beitragsersteller
 22.06.2017, 21:47

Weißt du das sicher oder denkst du, dass es optimaler Weise so sein sollte?

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Willibergi  22.06.2017, 21:49
@Sirias

Sicher ist es nicht in 100% der Fälle genau so. Dann funktioniert die Psychotherapie aber auch nicht hinreichend. 

Für eine erfolgversprechende Psychotherapie ist das zwingend notwendig, denn gerade dort ist es wichtiger denn je, mit wem man spricht, da die Therapie psychisch ist.

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Sirias 
Beitragsersteller
 22.06.2017, 21:53
@Willibergi

Ja, meistens sagen PTs, wenn die Therapie scheitert, es läge am Patienten...

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Willibergi  22.06.2017, 21:55
@Sirias

Manchmal ist es aber auch gar nicht so einfach zu sehen, an was es letztendlich tatsächlich lag. In so einer Situation sollte man seinen Psychotherapeuten wechseln.

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Chinama  22.06.2017, 22:09
@Willibergi

Ich stimme dir zu, genau so sollte es sein, doch meine Erfahrung ist leider anders. Da kann ich Sirias Bedenken nachvollziehen.

Ich kenne zwar nur alternative Therapien, in denen ist es schon häufiger, dass der Klient wirklich gemocht ist, doch mir scheint, je wissenschaftlicher die Ausbildung, um so mehr Menschlichkeit und Empathie geht verloren.

Das kenne ich von Klienten, die zu mir kommen, nachdem sie ihre 25 Stunden erfolglos absolviert haben.

Eine fragte ihren Therapeuten nach 25 Stunden, wie es weiter gehen soll, denn sie fühlt sich kein Stück besser als vor der Therapie. Antwort: Nun müssen sie auch anwenden, was sie hier gelernt haben...

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Sirias 
Beitragsersteller
 22.06.2017, 22:24
@Chinama

@Chinama: du hast gerade etwas ausgesprochen, was ich mir die ganze Zeit bereits gedacht habe, dass es mit der Art der Ausbildung zu tun hat. Und dass ein stark leistungsorientiertes Studium nicht gerade dazu führt, dass man ein guter PT wird, stattdessen dieses eher verhindert. Kannst du Empfehlungen für Therapierichtungen geben? 

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bolte71  24.06.2017, 13:51
@Sirias

Psychotherapeuten unterliegen ja nun mal zahlreichen "Kontrollen" (Gutachter, Intervision, Supervision). Dennoch neigen Psychotherapeuten stärker als andere Berufsgruppen dazu, sich selbst und ihr eigenes Tun anzuzweifeln. 

Psychotherapeuten neigen außerdem dazu, ihre Patienten als wesentlich gesünder wahrzunehmen und darzustellen, als sie es tatsächlich sind, v.a. nochmal besonders bei schweren und chronischen Erkrankungen. 

Auch hier werden Patienten also eher fälschlich "in Schutz" genommen, statt der Realität der Erkrankung des Patienten ins Auge zu sehen. Daher werden schwere Persönlichkeitsstörungen, paranoide Symptome, heftige Spaltungen, schwere dissoziative Zustände und andere kaum oder gar nicht über Psychotherapie veränderbare grundlegende Symptome und Störungen oft übersehen, was zu einer falschen Einschätzung der Prognose führt.

Daher auch immer mehr Druck auf Psychotherapeuten, standardisierte und operationalisierte Diagnostik einzusetzen. Dies führt aber offenbar dennoch nicht dazu, dass den Patienten deutlich gesagt wird, dass man ihnen aufgrund der Schwere der Erklranung nicht helfen kann, dass es nur um eine Begleitung, zB im Rahmen der Sozialpsychiatrie, gehen kann und dass es wohl auf eine Frühverrentung wegen schwerer psychischer Erkrankung ohne günstige Prognose und lebenslange Betreuung hinauslaufen wird.

Psychotherapeuten (zumindest die nicht-ärztlichen) erleben dies so, als würde man den Menschen aufgeben, weshalb sie dann doch eher dazu neigen, nochmal eine Therapie zu versuchen (scheitern dann aber ggf. am Gutachter, sofern dem das beim Lesen zwischen den Zeilen oder durch psychiatrische (Klinik-) Berichte auffällt), als die wirklich notwendigen Konsequenzen zu ziehen. 

Insofern kann von der platten Aussage "es läge am Patienten" sicher nicht ausgegangen werden, und wenn, dann läge es eben an der Schwere der Erkrankung des Patienten (und nicht an ihm als Person).

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Hallo,

Ich finde man kann nur Therapeut werden, wenn man Menschen grundsätzlich mag und sich selbst wie das jeweilige Gegenüber liebt.

Ein Therepeut schaut hinter die Fassade und sieht die Not des Klienten, und da verschwindet jedes Bedürfnis, sich zu verstellen. Wer nicht authentisch sein kann, sollte einen anderen Beruf wählen.

Natürlich ist und bleibt ein Therapeut auch Mensch mit seinen Zu- und Abneigungen und er freut sich unterschiedlich stark auf Klienten oder er empfindet das Zusammensein mit ihnen auch mal als Arbeit. Diese Eigenschaften sollten aber seine Professionalität nicht beeinträchtigen.

Das sind aber nur Ideale, es gibt wie in jedem Beruf sicher auch Therapeuten, die eher klugscheißerisch, besserwisserisch und arrogant sind. Ich meine, das kann man spüren und denen sollte man aus dem Weg gehen.

Ansonsten gilt, dass seine Akzeptanz reicht. Man sollte nicht grundsätzlich erwarten, dass er jeden Klienten auch mag.

Ein Psychotherapeut der seinen Klienten nicht leiden kann, der kann nicht mit ihm arbeiten. Aber wer einen solchen Beruf erlernt kann sehr gut das positive am Gegenüber wahrnehmen und schätzen, auch wenn viel schwieriges Verhalten da ist.

Ohne Sympathie keine Heilung, sagte der ungarische Analytiker Ferency.

Psychologie ist eine Wissenschaft. Ich würde sagen dass du dann auch entsprechend mit deinen Patienten umgehen musst, und du deine Arbeit klar vom privaten trennen musst
Den jeweiligen Patienten dann zu mögen oder nicht macht ja auch keinen guten Therapeuten aus


vikiCx  22.06.2017, 22:04

Nein, ich glaube nur nicht dass es dort darauf ankommt ob man sich besonders mag oder nicht
Das ist doch grundsätzlich nicht die Erwartung eines Patienten.

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Sirias 
Beitragsersteller
 22.06.2017, 22:10
@vikiCx

Es geht um Beziehungsgestaltung in der Therapie!

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Sirias 
Beitragsersteller
 22.06.2017, 22:01

Man ist aber kein Ding, was man wie im Labor oder in der Werkstatt behandelt, sondern ein MENSCH. Und was Menschen von Dingen unterscheidet sind Gefühle. Oder möchtest du gerne als Ding behandelt werden? 

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