Mit sehr guten Abitur Ausbildung zur Notfallsanitäterin?

10 Antworten

Von Experte Rollerfreake bestätigt

Hi,

wie meine Vorredner schon zahlreich gesagt haben: Dein Leben, deine Entscheidung.

Ich empfehle allerdings grundsätzlich, Entscheidungen nicht nur nach dem persönlichen Empfinden zu treffen, sondern sie zusätzlich auch nüchtern-rational zu betrachten.

Aber ich will eigentlich kein Arzt sein, sondern Notfallsanitäter!

Hier stelle ich mir die Frage: warum? Was ist deine Motivation für genau diese Tätigkeit?

Der Rettungsdienst ist ein sehr spezielles Arbeitsumfeld, wo gerade bei Neueinsteigern ohne Vorerfahrung oft eine erhebliche Differenz zwischen "Vorstellung" und "Realität" besteht.

Wenn dann nach etwas längerer Tätigkeit die rosarote Brille der Rettungsdienstromatik der ersten Tage verblasst und die Schattenseiten der Arbeit im Rettungsdienst mehr zu Tage treten, ist das Ernüchterungs- bis Enttäuschungspotential recht groß.

Die Folge ist, dass sich einige dann doch eine andere Tätigkeit suchen - und andere unglücklich im Beruf bleiben.

Man sollte auch nicht der Vorstellung erliegen, dass der Weg zum Notfallsanitäter geschenkt wird.

Wie Rollerfreake schon erwähnt hat: die Konkurrenz ist - analog zum Medizinstudium - sehr groß und die "zehn Bewerbungen pro Ausbildungsplatz" kann ich definitiv auch unterschreiben.

Typischerweise tun sich Bewerber ohne Vorerfahrungen hier relativ schwer, einen der Plätze zu erhalten. Die meisten erfolgreichen Bewerber haben

  • die Qualifikation zum Rettungssanitäter (520-h-Lehrgang),
  • einen Führerschein Klasse C1 und
  • ein bis zwei Jahre Einsatzerfahrung im Rettungsdienst.

Dein zweifellos sehr gute Abitur kann hier übrigens ein "Knackpunkt" sein - Arbeitgeber im Rettungsdienst ziehen sich selten die "Hosen mit Beißzangen" an und auch in deren Einschätzung liegt die Wahrscheinlichkeit eines Studiums (und damit das "Ende" der Vollzeittätigkeit im Rettungsdienst) sehr hoch.

Gibt es eigentlich irgendein Studiengang, mit den man auch die Notsanitäterqualifikation erhält?

Es gibt mittlerweile diverse Studiengänge, die sich mehr oder minder explizit an Notfallsanitäter oder auch NotSan-Azubis richten - von Vollzeitstudiengängen nach der Ausbildung bis zu berufs- oder sogar ausbildungsbegleitenden Studiengängen.

Der studierte Notfallsanitäter ist also in gewisser Weise schon Realität, wenn auch relativ selten. Die Möglichkeit besteht also.

Der studierte Notfallsanitäter ist allerdings auch eine Position, für die der Bedarf relativ gering ist: im Fahrdienst hat ein abgeschlossenes Studium praktisch gar keine Auswirkung; die Tätigkeiten, für die solche Studiengänge qualifizieren, haben dann eher wenig mit "rettungsdienstlicher Arbeit" an sich zu tun, sondern sind oft einfach Management- oder pädagogische Posten.

Denkt ihr es macht trotzdem mehr Sinn Medizin zu studieren?

Langfristig gesehen stehen Dir beruflich wesentlich mehr Optionen mit abgeschlossenen Medizinstudium offen, als mit der Notfallsanitäterausbildung - auch in der (präklinischen) Notfallmedizin.

Rein nach Faktenlage würde ich das tendenziell bejahen - das ändert allerdings nichts daran, dass es dich nicht zwangsläufig "glücklich" machen wird.

Meine Empfehlung

Primär auf das Abitur konzentrieren, damit die Option "Medizinstudium" tatsächlich offen bleibt.

Hinsichtlich des Rettungsdienstes würde ich empfehlen: anschauen und Erfahrung sammeln!

In diesem Falle würde sich zum Beispiel ein FSJ im Rettungsdienst anbieten - Du erhältst die Qualifikation zum Rettungssanitäter und ein Jahr praktische Einblicke in die rettungsdienstliche Tätigkeit. Ferner: das FSJ wird im Rahmen des Auswahlverfahrens der Hochschulen und der zusätzlichen Eignungsquote oft honoriert.

Damit hättest Du zumindest eine bessere Entscheidungsgrundlage bei der Frage "Rettungsdienst ja oder nein?", bessere Chancen auf einen NFS-Ausbildungsplatz und im Falle eines Studiums ebenfalls eine Möglichkeit, neben den Studium zu arbeiten und dieses zu finanzieren.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Mache das, was DU für richtig hälst. Schlage den Weg ein, mit dem DU zufrieden und glücklich bist. Wenn das eine Ausbildung zur Notfallsanitärerin ist, dann mache das. Es gibt viele Abiturient*innen, die die Ausbildung zum Notfallsanitäter machen, vielerorts ist das sogar die Mehrheit der Auszubildenden. Bei mir in der Region ist das auch so, entweder Abitur oder einen wortwörtlich sehr guten Realschulabschluss (Schnitt <1,5) ansonsten, hat man eigentlich keine Chance auf einen der sehr begehrten Ausbildungsplätze zum Notfallsanitäter. Im bundesweiten Durchschnitt, kommen mindestens zehn Bewerbungen auf einen freien Ausbildungsplatz, sodass das bewerben alleine nicht garantiert, dass man auch einen Ausbildungsplatz erhält. Die Mehrheit der erfolgreichen Bewerber*innen ist bereits "Rettungssanitäter*in" mit Fahrerlaubnis der Klasse C1 und ein- bis zwei Jahren Berufserfahrung im Rettungsdienst. Die Ausbildung zum Notfallsanitäter ist auch eine sehr anspruchsvolle Berufsausbildung, schließlich ist der NotSan der Profi in der präklinischen Notfallmedizin, kommt als verantwortlicher Transportführer in der Notfallrettung auf Rettungswagen zum Einsatz und führt unter gewissen rechtlichen Voraussetzungen (§2a NotSanG oder anhand standardisierter Arbeitsanweisungen der ärztlichen Leiter Rettungsdienst) auch heilkundliche/ invasive medizinische, d.h. eigentlich ärztliche Maßnahmen eigenverantwortlich durch. Das Ausbildungsziel, ist ja in §4 NotSanG geregelt. Ich würde definitiv nicht sagen, dass ein Abiturient sein Potential verschenkt, wenn er sich für die Ausbildung zum Notfallsanitäter entscheidet, das machen wie eingangs erwähnt sehr viele Abiturienten so und später, kann man noch immer Medizin studieren, wenn man dann doch lieber Arzt werden möchte. Ja, was die notärztliche Tätigkeit anbelangt, so ist es im Wesentlichen richtig, allerdings muss man dafür keine abgeschlossene Facharztausbildung haben. Es genügt das Studium der Humanmedizin, die ärztliche Approbation und die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, welche durch eine zweijährige klinische Tätigkeit, davon mindestens sechs Monate in der Anästhesie, Notfallaufnahme oder Intensivmedizin, einen 80 Stunden umfassenden Lehrgang in allgemeiner und spezieller Notfallversorgung ("Notarztkurs") und mindestens 50 Notarzteinsätze unter der fachlichen Leitung eines verantwortlichen Notarztes, erworben wird.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.

Mach was DU für richtig hältst.

Wenn du NotSan werden willst dann mach das. Wenn du irgendwann Bock hast Doc zu werden kannst du das immer noch machen.

die meisten Ärzte machen das nur so 2 mal monatlich

Das mag für die Meisten zutreffen. Ein Kumpel von mir macht aber quasi nix anderes. Der arbeitet über die Notarztbörse https://www.notarzt-boerse.de/. Kommt allerdings auch mächtig rum, das muss man mögen.

Ja, das gibt es:

In Jena mit NC 1,4. Aber das ist für dich ja kein Problem...

https://www.eah-jena.de/studienangebot/studienangebot/bachelor-rettungswesen-notfallversorgung

In Bayern gibt es etwas allgemeineres, wo man sich aber auf Notfallmedizin spezialisieren kann:

https://www.oth-aw.de/studiengaenge-und-bildungsangebote/studienangebote/bachelor-studiengaenge/physician-assistance-arztassistenz/aufbau-physician-assistance-arztassistenz/

Etwas ähnliches gibt es auch noch in Bremerhaven.

Gefunden habe ich das auf www.hochschulkompass.de

Auf der Seite gibt es alle Studienfächer in Deutschland. Vielleicht findest du da noch was anderes, was dir gefällt. Wenn du suchst, kreuz in der erweiterten Suche öffentlich-rechtliche Trägerschaft an, die privaten Unis sind übel teuer.

Generell geht dir dein Abi auch nicht verloren. Als Rettungssanitäter könntest du dir ein anschließendes Studium auch locker finanzieren, indem du nebenher etwas arbeitest.

Als Notarzt oder in der Notaufnahme kann man nach einem Medizinstudium auch arbeiten. Du könntest jetzt auch Medizin studieren und dafür Bafög beantragen. Oder ein Deutschlandstipendium, dass du vermutlich auch bekommen würdest, mit dem Schnitt und dem Elternhaus. Letztendlich hast du als Arzt am Ende mehr Möglichkeiten.

Aber du hast recht, das dauert, und wenn du nicht motiviert bist, ist das eine Quälerei. Medizin ist eine Menge Auswendiglernerei und deshalb recht arbeitsaufwändig.

Respekt vor deinem Entschluss. Viele greifen nach den Sternen, wenn sie so ein tolles Abitur schaffen. Ich hatte ein ähnliches Abitur und auch mir stand der Weg ins Medizinstudium offen, aber auch ich habe mich dagegen entschieden, weil mir meine Eltern davon abgeraten haben, mich für so viele Jahre für ein Studium zu verpflichten. Im Nachhinein ein doofes Argument, weil ich ja letztlich ebensolange studiert habe (letztlich bin ich mit der Alternative, Nanotechnologie, auch sehr glücklich. Aber im Endeffekt war der Weg bis dahin deutlich kurvenreicher und langwieriger als wenn ich direkt Medizin durchgezogen hätte, eben weil ich es zuerst meinen Eltern recht machen wollte, ohne auf meine eigenen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen).

Meine Frau ist Medizinerin. Sie hatte ähnliche Zweifel wie du während ihres Studiums. An ihr hat besonders genagt, dass ihr Abiturschnitt nicht so "perfekt" war und sie sich daher ungeeignet gefühlt hat. Letztlich muss aber gesagt sein: Der NC ist nur so streng, weil das Studium extrem beliebt ist. Einmal inskribiert, ist das Niveau nicht sonderlich streng. Medizin ist der Studiengang mit den geringsten Abbruchquoten, d.h. es fällt faktisch niemand durch die Prüfungen, anders als bspw. in diversen Ingenieur- oder Naturwissenschaften, wo teilweise sogar die Mehrheit den Abschluss nicht schafft und im Laufe des Studiums vor dem ersten Abschluss abbricht. Allerdings hat meine Frau auch vor ihrem Studium etwas anderes bis zum Bachelor studiert und hatte bereits in der Pflege (FSJ) und auch im Rettungsdienst Erfahrung, wir kennen uns beide von der Bergwacht. Im Nachhinein ist sie sehr zufrieden damit, dass sie nun eine "relativ alte" Berufsanfängerin ist. Viele ihrer Kommilitonen, die direkt nach dem Abi ins Studium gegangen sind, konnten zu Beginn des Studiums noch nichtmal ein Pflaster richtig aufkleben und fühlen sich auch heute noch tatsächlich eher überfordert mit den Verantwortungen, die sie bereits als junge Assistenzärzte und -ärztinnen zu haben glauben.

Es sollte also völlig legitim und sogar für deinen Werdegang günstig sein, wenn du vor dem Studium und allem, was danach kommen mag, eine gewisse Reife erlangst. Mach ruhig ein FSJ im Rettungsdienst oder bewirb' dich direkt für die Ausbildung. Vermutlich ist die Schichterei im Rettungsdienst irgendwann belastend und du willst nach ein paar Jahren nochmal was Neues machen. Solltest du später doch noch den Wunsch verspüren, Ärztin zu werden, hast du ja schon alle Voraussetzungen und gewiss auch Talent dafür.

Mach' dir dabei auch keine Gedanken über die Assistenzarztzeit. In dieser Zeit ist man schon richtiger Arzt / richtige Ärztin und verdient auch schon ordentlich Kohle. Zwar arbeiten die meisten in dieser Zeit noch weiterhin an ihren Karrierezielen, in bestimmten Bereichen Facharzt zu werden, aber es gibt auch manche, denen reicht diese Position. Wiederum in Österreich, gibt es für Allgemeinmediziner und -medizinerinnen eine ganz andere Ausbildung, die kürzer und abwechslungsreicher ist. Und man hat ja in fast allen Jobs eine Zeit, in der man nach dem Studium erstmal die Arbeitswelt kennen lernen muss. In der Medizin wird dieser Zeit halt ein formaler Name gegeben.

Keine Panik also. Ich bin überzeugt davon, du findest mit der Notfallsanitäterin einen erfüllenden Job. Ansonsten kannst du immer noch Medizin (oder was auch immer du willst) studieren.