Miss Sara Sampson?

1 Antwort

Sara und Mellefont sind geflohen, weil der Vater ihre Verbindung nicht akzeptiert hat. Nun wollen sie ohne väterliches Einverständnis heiraten. Warum der Vater Mellefont nicht als Mann für seine Tochter akzeptiert, wird m.E. im Text nicht genau gesagt. Ich kann mich aber auch irren, da müsste man eben doch nochmal in den Text reinschauen. Zu vermuten wäre aber, dass er Mellefont nicht für geeignet / nicht für einen guten Menschen hält.

Wichtig ist aber bei Lessings Dram Miss Sara Sampson etwas ganz Anderes: Es ist ein bürgerliches Trauerspiel. Möglicherweise das erste deutschsprachige bürgerliche Trauerspiel. Was heißt das? Im bürgerlichen Trauerspiel treten Figuren auf, die nicht zum Adel gehören. Das ist zu Lessings Zeiten etwas Besonderes gewesen, denn das Trauerspiel/die Tragödie war dem hohen Adel vorbehalten. Nicht-adelige/bürgerliche Figuren waren nur im Lustspiel (= in der Komödie) präsent. Die Idee dahinter war, dass man im Trauerspiel zeigen wollte, wie eine sehr hochgestellte Person ein tragisches Schicksal erleidet. Indem das Publikum das auf der Bühne beobachtet, sollten sie moralisch gebessert werden. Diese so genannte Ständeklausel (also dass nur das Schicksal von hohen Adeligen im Trauerspiel gezeigt wird), die hat Lessing durchbrochen und mit Miss Sara Sampson Literaturgeschichte geschrieben, indem er das Schicksal von Bürgerlichen zeigt. Wobei man vielleicht ergänzen sollte, dass es keine ganz "einfachen Leute" sind, sondern immerhin noch das Großbürgertum. Bauern, Handwerker usw. sind auch bei Lessing für die Komödie reserviert.

Grundsätzlich würde ich noch empfehlen, die Bücher aus der Bibliothek auszuleihen, falls es zu teuer ist, sie zu kaufen. Das kostet für Schüler oft nichts oder sehr wenig und man kommt an die ganzen Bände und muss nicht im Internet nach schlechten oder falschen Informationen suchen. Oder du sprichst mit dem Lehrer, dass du sie dir nicht leisten kannst. Wobei Miss Sara Sampson in der Reclam-Ausgabe 2,80€ kostet, was jetzt nicht unbedingt viel für ein Buch ist. Viel Erfolgt beim Referat!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

kingsley688 
Beitragsersteller
 25.09.2021, 11:52

vielen Dank für deine hilfreiche Antwort. Das schätze ich wirklich sehr. Du meintest, dass das Bürgertum durch Lessings Werke und damit auch durch Miss Sara Sampson moralisch gebessert werden sollte. Jedoch kann ich nicht nachvollziehen, welche Moral oder Lehre durch das Werk Miss Sara Sampson vermittelt werden sollte?

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Zwiebelkuchen  25.09.2021, 17:27
@kingsley688

Nicht nur das Bürgertum. Grundsätzlich alle, die das Stück sehen. Und das ist auch nicht nur bei Miss Sara Sampson so, sondern eine Grundidee der Dramentheorie des 18. Jahrhunderts, die man letztlich aus der "Poetik" des Aristoteles übernommen und weiterentwickelt hat. Das jetzt vollständig auszuführen, würde zu kompliziert werden. Aber grundsätzlich: Dass das Publikum "gebessert" werden soll, heißt für Lessing (und andere Aufklärer), dass man das Publikum zu einem tugendhaften macht. Die Besserung erfolgt also nicht im Sinne einer politischen Erziehung oder so, sondern im Sinne einer moralischen Erziehung hin zur Tugend, zum "besseren Menschen".
Die Idee ist, dass die Zuschauer Mitleid mit den Figuren auf der Bühne empfinden. Ein Mensch, der Mitleid mir anderen empfindet, ist für Lessing schon ein tugendhafterer, also besserer Mensch. Und durch die Identifikation mit den Figuren werden die Zuschauer außerdem bestenfalls so handeln, dass sie selbst das Schicksal der Figuren nicht erleiden. Dabei kann man aber nicht platt sagen, dass z.B. Sara in "Miss Sara Sampson" untugendhaft sei. Im Gegenteil: Sie ist sehr tugendhaft, aber von nicht-tugendhaften Menschen (Marwood und z.T. Mellefont) umgeben und hat darunter letztlich zu leiden. Eine ganz oberflächliche Zusammenfassung dazu gibt es auch im Wikipedia-Artikel zu Lessings "Hamburgischer Dramaturgie".
https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburgische_Dramaturgie

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