Mir ist meine finanzielle Situation peinlich, was soll ich tun?
Ich bin 14 und wohne in einer super reichen Gegend, aber meine Familie selbst ist es nicht. Ich weiß nicht warum, aber mir ist das immer so unangenehm. Ich fühle mich dann aber auch immer so undankbar.
Mal ein Beispiel. Alle erzählen immer, was sie in den Ferien tun und viele fahren mehrmals in den Urlaub und ich bleibe die ganzen Ferien in der Stadt.
Heute zum Beispiel habe ich gelogen. Ich lüge eigentlich nicht, aber jemand aus meiner Klasse hat mich gefragt, was ich in den Ferien mache und ich habe halt irgendetwas erfunden, weil ich dachte, dass sie mich auslachen könnten, weil ich nie in den Urlaub fahre und alle immer sowas cooles machen. Ich bereue das jetzt aber so sehr, da ich die Lüge weiterführen muss und weiß auch gar nicht, warum ich gelogen habe, den anderen kann es doch egal sein, was ich mache.
Ich habe früher schlechte Erfahrungen gemacht. Ich wurde öfters gemobbt, weil meine Familie nicht so viel Geld besitzt und ich „nur" in einer Wohnung wohne und nicht in einem schicken Haus.
Ich bin jetzt seit einiger Zeit auf einer neuen Schule und ich habe immer noch Panik, etwas von mir zu erzählen, was mit Geld zu tun hat und leider ist das, warum auch immer, ein großes Thema in der Jugend. In meinem Umfeld zumindest.
Ich weiß, dass das alles total dumm ist und ich sollte dankbar dafür sein, was ich habe (das sage ich mir auch so oft) aber ich kann diese Gedanken und dieses Schamgefühl nicht verdrängen.
Was kann ich tun, damit mir meine finanzielle Situation nicht mehr peinlich ist und ich anfange mehr private Dinge von mir zu erzählen, denn ich schaffe es nicht, von mir zu erzählen, aus Angst jemand könnte sich lustig über mich machen?
Danke für eure Hilfe!
8 Antworten
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Es ist normal, dass man als junger Mensch vor allem anerkannt werden möchte. Du bist als Schüler zwangsläufig in einen Gruppenkontext eingebunden, auf den du angewiesen bist und aus dem du nicht einfach heraus kommst wie ein Erwachsener, der immer noch seine Arbeitsstelle wechseln kann. Und in jungem Alter sind die Charaktere und Persönlichkeiten noch in der Entwicklung, man sucht noch, was und wer man selbst ist und weil einem die innere Orientierung oft noch fehlt, orientiert man sich an mehr an Äußerlichkeiten wie Kleidung, Musikgeschmack, finanzielle. Verhältnisse, Dinge, die man (also die Familie) sich leisten kann oder auch nicht.
Und leider erfolgen genau über diese Äußerlichkeiten auch oft die Bewertungen einer Person und die Einordnung, ob jemand "dazu gehört" oder nicht.
Insofern ist Dein Verhalten mit der Lüge völlig nachvollziehbar, erst recht, da Du bereits schlechte Erfahrungen gemacht hast. Du lügst, um Dich zu schützen, Dich in der Gruppe zu halten. Natürlich kann man jetzt sagen, "Mensch, stell Dich nicht so an, steh dazu, woher Du kommst und scheiss auf die Meinung anderer." Aber ich find das immer sehr viel verlangt von Jugendlichen, die eben auf die Gruppe angewiesen sind. Sich bewusst sozial ausgrenzen zu lassen, ist echt nichts, was man einfach so durchzieht.
Das sag ich dir nicht, um grundsätzlich Lügen gutzuheißen, sondern um dir aufzuzeigen, dass ich dein Handeln gut nachvollziehen kann und es im Grunde angesichts deiner Situation sogar "klug" ist.
Aber du hast eben recht, es wird weitere Lügen nach sich ziehen und kann umso unschöner enden.
Mein Vorschlag wäre: Bist du mit einer Person schon enger befreundet? Gibt es jemand in der Gruppe, dem oder der Du vertrauen kannst? Ich würde über eine 1:1-Freundschaft anfangen, die Lage zu schildern. Und dich auch über diesen Weg zu öffnen.
Oder gibt es etwas in der Gruppe wie Sport oder ein Onlinespiel etc., über das man sich Anerkennung verschaffen kann? Wenn du in sowas gut wirst, hast du ein gewisses Standing auch unabhängig von den finanziellen Verhältnissen (ok, nicht, wenn es dann um Springreiten oder Segeln geht..😁).
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Die Angst ist leider begründet. Gerade Kinder und Teenager können ziemlich grausam sein, wenn es darum geht, Gründe zu finden, jemanden auszugrenzen und sich dadurch selbst besser zu fühlen.
Ich war auch mal in deiner Situation und habe immer ehrlich gesagt, dass meine Familie eben keine so tollen Urlaube macht und sie haben ja auch gesehen, dass ich keine teuren Markenklamotten oder das neueste Accessoire hatte und die Folge war, dass niemand mit mir befreundet sein wollte, mich alle ausgegrenzt haben und ich am Ende eher Selbstmord begangen hätte, als mich noch weiter täglich von diesen reichen Klassenkameraden mobben zu lassen.
An deiner Stelle würde ich daher entweder weiter eine Rolle spielen, um keine Probleme zu bekommen, oder mit meinen Eltern darüber sprechen, dass du gerne die Schule wechseln würdest.
Du kannst dir ja persönlich für dich selbst den Gedanken bewahren, dass die finanzielle Situation dich und deine Familie zu keinen schlechteren Menschen macht. In feindlichen Umgebungen ist es aber manchmal besser, unter dem Radar zu bleiben, anstatt sein wahres Ich offen zu zeigen.
Danke schön. Es hilft mir zu hören, dass es nicht nur mir so geht.
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Finde Leute, die weniger haben als Du. Dann kannst Du offener sein und musst Dich auch nicht schämen.
Vielleicht schämst Du Dich dann aber, weil Du eben mehr hast als die anderen Leute. Somit kann es eine Balance geben, in der Du Dich wohl fühlst.
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Du könntest ja auch mal einen Plan für deine Ferien erfinden und umsetzen. In den 1950er Jahren sind die Schüler mit dem Fahrrad quer durchs Land gefahren und haben auf Bauernhöfen übernachtet. Die hatten auch kein Geld, aber genug Kreativität das beste aus der Situation zu machen. Du hast heuer noch mehr Möglichkeiten, aber keine Ideen. Schade.
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Das war nur ein Beispiel. Ich schrieb es mangelt ihm an Kreativität das beste aus seinem Leben zu machen.
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ja, das kannte ich auch, als Scheidungskind konnten wir kaum dort hin wo all die anderen waren, wo eben Geld die Rolle gespielt hatte. wir waren zwar dennoch im Urlaub, immer als Selbstversorger auf dem Land wo es eben preiswert war. und wenn wir dann in der Schule berichten mussten (mein schönste Ferienerlebnis) konnte ich eben meist nur zuhören und dann selbst nur sagen, am See, Freibad oder eben im Dorf sowieso. aber mach dir nichts daraus, bin dennoch alt geworden und gelogen habe ich deshalb nicht, weil das nur zu weiteren Lügen führt. so blieb ich eben der "Arme" und naja aber die Federn der Anderen wollte ich nicht. so blieb auch der Freundeskreis übersichtlich und irgendwann war auch die Schule vorbei,...
Was hat das mit der Tatsache zu tun, dass der Fragesteller gemobbt wird von seinen reichen Klassenkollegen, wenn seine Familie keine teuren Urlaubsreisen macht. Denkst du, der wird weniger gemobbt, wenn er ihnen dann erzählt, dass er im Stil der 50er Jahre mit dem Fahrrad rumfährt?