Merken Autisten dass sie autistisch sind?

9 Antworten

Man muss bei dieser Frage ganz deutlich unterscheiden welche Beeinträchtigung der Betroffene zusätzlich hat. Gerade bei frühkindlichem Autismus ist sehr oft eine kognitive Einschränkung vorhanden und diese Autisten merken oft nicht, dass sie anders sind bzw. haben gar nicht den Bezug zur Umwelt, dass es ihnen auffallen könnte.

Hochfunktionale Autisten (u. a. Asperger-Syndrom) und vor allem hochbegabte Autisten erkennen sehr früh, dass sie anders sind. Nur können sie dieses Anderssein oftmals nicht benennen, solange sie nicht auf Autismus in irgend einer form aufmerksam werden. Bei mir war das im Alter von 55 Jahren, dass ich meinen Eigenverdacht, den ich aufgrund eines zufällig in einer Fachzeitschrift gesehenen Tests hatte, von einem Facharzt für Psychiatrie bestätigt bekam.

Bei mir ist es auch so, dass ich mich selbst für völlig normal halte. Schließlich ist ein Autist in sich selbst schlüssig in seinem Empfinden und Handeln. Nur ist er mit den leider manchmal unlogischen Verhaltensregeln seiner Umwelt nicht kompatibel und er wird dadurch oftmals in seinem Selbstsein behindert!

Hochfunktionale Autisten werden mehr behindert als dass sie behindert sind!

Hallo :)

Es ist - wenn man es oberflächlich betrachtet - eine Wahrnehmungsstörung, weil man alles anders im Gehirn verarbeitet verschiedene Reize etc. Aber diese "Störung" (die meiner Meinung nach keine ist) steht beim Autismus nicht im Vordergrund - diese Entwicklungsstörung im Gehirn macht eine ganze Persönlichkeit aus.

Autisten mit Kanner-Syndrom weiß ich nicht ob sie das merken, bei ihnen entwickeln sich häufig noch andere Dinge hinzu, siehst du ja an dem Film "Rain Man". Ich denke dass das zum Asperger-Syndrom einen Unterschied macht, da Asperger Autisten weniger auffällig und mehr neurologisch typisch veranlagt sind. Ein Asperger-Autist merkt dass er anders ist, aber er ist sich nicht bewusst WIE anders, schließlich ist es normal für ihn so zu sein wie er ist. Es fällt aber auf: Häufig wird man gemobbt, ausgeschlossen, hat riesige Toleranz, Aktzeptanz usw. besonders der Routine- und Ordnungsdrang fällt auf.

Jeder Autist ist verschieden, das ist ja das was das Ganze so schwierig gestaltet. Ich zum Beispiel bin in 1 1/2 Monaten 14 (weiblich) und bei mir wurde das Asperger-Syndrom im Alter von 13 diagnostiziert. Ich habe meine Eltern darauf aufmerksam gemacht - ich habe in einem Fachbuch über die Nervenstruktur des Gehirns einen kleinen Artikel mit Autismus gefunden, und ich recherchiere über alles was ich nicht kenne. Ich kenne keine Autisten im Realen Leben, das ändert sich aber bald da ich eine Therapie in einem Autistenzentrum mache, wo man bei vielen Dingen Tipps bekommt, wie man sich verhält in bestimmten Situationen um in der Welt besser zurechtzukommen.

Ich für meinen Teil habe mich immer anders gefühlt, das lag aber auch stark an meinem Umfeld, das mir das immer mitgeteilt hat. Ich bin eine Mischung aus einem neurologisch typischen Menschen und einem Asperger Autisten, mit Zügen des Kanner-Syndroms. Ich hatte im Test eine eindeutige Punktzahl erreicht (die haben es nach Punkten bewertet, bestimmte bereiche, die werden anschließend zusammengerechnet), dass ich das Asperger-Syndrom habe. Selbst die Fachärzte haben gesagt bei mir fällt es weniger auf, weil ich anderen Leuten zwischen die Augenbrauen sehe um nicht in de Augen gucken zu müssen (ist niemandem aufgefallen ^^), ich Sarkasmus bis zu einem bestimmten Maße verstehe und selbst recht alles mit Humor nehme, und weil ich mich sehr angepasst habe z.B. wie ich etwas ausdrücke, damit ich emotionaler wirke, wie andere pubertierende Mädchen in meinem Alter. Aber dafür besitze ich extremere Verhaltensweisen - ich bekomme Panikattacken wenn nicht alles genau nach der Uhrzeit läuft, aber nur wenn ich viel geplant habe (wie der Autist in Rain Man), ich ertrage es nicht wenn etwas unordentlich ist und verstehe kaum Sprichwörter. Ich bin im Gegensatz zu anderen Autisten (muss nicht stimmen, ich habe es nur gehört, nicht dass sich jetzt jemand angegriffen fühlt) sehr höflich, ja, fast schon krampfhaft darauf besessen immer Höflich, freundlich, gut gelaunt usw. zu sein. Ich bin sehr perfektonistisch, aber genau diese Eigenschaft lieben viele an mir. Komischerweise bin ich in meinem Umkreis sehr beliebt weil mein Spezialthema Psychologie ist - ich glaube das hilft mir auch, andere besser zu verstehen. Mit Jungs komme ich viel besser klar als mit Mädchen, ich verabscheue dieses oberflächliche Gerede. Ich habe einige Freunde und die wissen alle dass ich Autismus habe, die haben sich daraus nichts groß gemacht und nehmen mich so wie ich bin und laden mich wie ein "normales" Mädchen auch ins Kino, zum verabreden etc. ein und finden mein wörtlich-nehmen in vielen Situationen mit Humor, weil ich oft das sage was ich denke und das sind Dinge, die andere immer zum lachen bringt, und ich gelte als humorvoll mit immer guten Sprüchen auf Lager.

Allgemein kann man sagen man merkt es ein wenig, aber wirklich ernsthafte Gedanken machen tut man sich nicht. Es kommt auf die individuelle Persönlichkeit an, die man hat.

Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen (tut mir Leid wegen dem langen Text, der sollte das individuelle verdeutlichen)

Liebe Grüße

Jein.
Also, man kann locker 35 Jahre leben, ohne zu wissen, dass man Autist ist. Ich hab das ausprobiert. ;-)

Aber: Was man ein Leben lang weiß, ist, dass man anders ist als die meisten Menschen. Das merken die meisten Autisten recht deutlich.
Das Anderssein hat dann halt nur keinen Namen. Woher auch? Wenn man über Autismus nichts oder wenig weiß, wird man kaum dieses Wort für sich entdecken plötzlich.

Bei mir war es zum Beispiel so, dass ich irgendwann im jugendlichen Alter mal die Idee hatte, ich könnte Autist sein, kannte da aber nur nichtsprechende Autisten aus dem Fernsehen und Rain Man, bei dem das Hauptaugenmerk ja nun gar nicht auf Autismus, sonderm dem Savant-Syndrom liegt, und fragte mich sowas wie: Wo fängt wohl Autismus an?
Wenn ich damals mehr darüber gewusst hätte, dann hätte ich mich da schon deutlicher in der Richtung einsortieren können.

Erst viele Jahre später, mit 35 Jahren eben, erfuhr ich, dass es Asperger-Autismus gibt und was das ist. Und ja, ab da ahnte ich dann sehr deutlich, dass ich da wohl hingehöre.
Weil man aber selbst mit guter Selbstreflexion eben sich selbst gegenüber durchaus befangen ist und mir mehr Klarheit wichtig ist, habe ich dann einen entsprechenden Diagnostiker aufgesucht, der meinen Verdacht bestätigte.

Also kurz gesagt:
Dass es konkret Autismus ist, merkt man nicht zwingend, vor allem nicht, wenn man darüber kaum etwas weiß.
Dass aber irgendwas anders ist, ja, das merkt man.

Das Asperger-Syndrom wird im englischen Sprachraum mitunter ja auch etwas umgangssprachlich "Wrog Planet Syndrome" genannt, was daher kommt, weil sich eben viele Autisten so anders fühlen, wie auf dem falschen Planeten abgesetzt.


StefanSt 
Beitragsersteller
 12.02.2014, 21:49

Und an welchen Gesichtspunkten hat der Arzt sich orientiert? Soziale Schwierigkeiten? "Besondere" Interessen?

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Rechercheur  12.02.2014, 21:52
@StefanSt

An allen Symptomen, die in der ICD zu finden sind. Einzelne Aspekte machen noch keinen Autismus aus.
Da gibt es dann spezielle Tests dazu bei der Diagnostik.
Wichtig dabei ist zur Differentialdiagnostik auch der Blick in die frühe Kindheit.

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StefanSt 
Beitragsersteller
 12.02.2014, 21:58
@Rechercheur

Und was war es speziell bei dir? (Wenn ich fragen darf)

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Rechercheur  12.02.2014, 22:17
@StefanSt

Fragen darfst du, aber den (noch dazu in Teilen recht privaten) Roman, der das werden müsste, den schreib ich hier nicht hin.

Kurz gesagt:
Eine gute Mischung aus den für die Diagnose notwendigen Symptomen, da ja nun ein einzelnes keinen Autismus ausmacht. Es müssen Symptome in einer gewissen Menge und Mischung vorliegen aus verschiedenen Symptombereichen.

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Ich spreche mal als Mama und Ehefrau von Asperger-Autisten. Also mein Sohn, inzwischen 11 Jahre, merkt sehr deutlich, dass er anders ist, als die anderen. Er findet die anderen aber unlogisch. Einmal hat er sogar seine Klasse als "verrückt" bezeichnet :-)

Auch mein Mann hat mir erzählt, dass er als Kind dachte, dass etwas mit seinem Bruder und den anderen Menschen nicht stimmen kann.

Für unsere ganze Familie war die Diagnose ein Segen, denn dann bekommt das alles einen Namen. Wir werden von der Autismusambulanz unterstützt, die uns unter anderem bei vielen Verständnissproblemen geholfen hat.

Ja, sie merken spätestens in der Grundschule, dass sie "irgendwie anders" sind und nirgendwo dazugehören. Was genau an ihnen anders ist, müssen sie aber mühsam herausfinden.

Deshalb wird hochfunktionaler Autismus oft erst bei Erwachsenen erkannt.