Meinung zur Sterbehilfe?

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Ich bin definitiv für Sterbehilfe.
Einen Teil meines Lebens verbrachte ich ehrenamtlich als Sterbebegleiter für schwerkranke Menschen, die bald sterben würden.
Ich verbrachte jede freie Minute, jedes Wochenende an ihrer Seite, von der Selbstständigkeit in die komplette Qual im Krankenhaus, bis zum Tod.
Ich war auch für die Hinterbliebenen da, Ansprechpartner und durfte die Beerdigungen mit besuchen.
Es ist eine unglaubliche Ehre, die letzten Momente mit einem Menschen teilen zu dürfen, aber was ich in den Jahren als Begleiter erleben musste...

Schwerste Tumorerkrankungen, keinerlei Chance auf Heilung, Schmerzen, die man sich nicht vorstellen konnte, qualvolle Schreie vor Schmerz und Qual, langsames, unwürdiges vor sich hin vegetieren, darauf warten, dass der Körper endlich aufgibt, von Schmerzmitteln zerschossene Gehirne, zerfressene Erinnerungen, Wahnvorstellungen, traumatisierte angehörige, die das mit erleben müssen...

Viele dieser Menschen hätte man erlösen können und in meinen Augen auch müssen. Meine Hamster durfte ich einschläfern lassen, der Mensch muss leiden bis zum Schluss.
Wie oft haben die Menschen mit angesehen und gefragt, ob ich nicht was tun könnte, dass es schneller geht, ob ich nicht helfen könnte... Ich habe es nie getan, sie wussten oft auch, dass sie mich quasi um Mord bitten...

Wer gegen Sterbehilfe ist, soll einfach mal einen Menschen in den Tod begleiten, dann ändert sich dessen Meinung schnell.


Sterbehilfe kann man aus sehr vielen Richtungen betrachten. Hierbei geht es aber meist um einen ethischen Standpunkt, der kulturell geprägt, aber sehr individuell sein kann.

Es ist quasi ein unterstützter Selbstmord. Dabei erhofft sich der Sterbewillige meist, dass er von einem Leiden befreit wird.

Religiöse oder Spirituelle Personen erhoffen sich dadurch vllt auch den Übergang ins Paradies oder einer anderen Existenz. Das ist übrigens auch ein Grund, warum viele Religionen Selbstmord als Sünde ablehnen, denn sonst gäbe es für Gläubige keinen Grund am Leben zu bleiben.

Da kommt dann aber auch die Frage auf, ob der Sterbewillige auch wirklich die Konsequenzen begreift. Denn je nach Glauben, passiert etwas anderes. Alle können ja nicht gleichzeitig Recht haben.

Dann ist natürlich auch noch die Seite desjenigen zu betrachten, der den Sterbewilligen umbringt oder zumindest unterstützt. Kann diese Person damit leben? Ist der Wunsch und das Durchführen des Sterbewilligen nicht vllt eine Bürde für andere Personen?

Dann gibt es natürlich auch die Frage, ab welcher Leidensstufe und welchem Zeitraum man das zulässt. Ich habe schon so viele Jugendliche gesehen, die sagen, dass sie sich umbringen wollen, weil sie ihre geliebte Person nicht bekommen. Einige machen das sogar. Wenn man als Erwachsener dann aber auf seine eigene Jugend schaut, dann findet man diesen Leid oft lächerlich klein.

Also je nach Lebenssituation kann das Leid komplett unterschiedlich interpretiert werden. Vor allem Personen, die in ihrem Leben noch nicht viel Leid ertragen mussten, sind oft nicht sehr resilient und geben vllt früher auf.

Was ist mit psychischen Leiden? Die man nicht heilen kann.

Die Frage ist dann, wo man die Grenze setzt.

In Kanada bekommen sogar Drogenabhängige und depressive Menschen Sterbehilfe. Und es gab schon Fälle, wo man die Leute schon fast zum Sterben überreden wollte. https://www.stern.de/gesundheit/-haben-sie-schon-mal-ueber-sterbehilfe-nachgedacht--teure-patienten-offenbar-zum-assistierten-suizid-ueberredet-32628792.html

Hierzu eine persönliche Geschichte. Mein Großvater ist vor einigen Jahren gestorben. Er hatte schweren Krebs und hat sich sehr gequält. Er wollte sich aber quälen und dem Tod jede Sekunde abringen. Das habe ich sehr bewundert. Aber der Rest der Familie fing nach Wochen des Dahinsiechens und Schreien schon an sich zu wünschen, dass er stirbt. Nicht weil sie ihn nicht liebten, sondern weil sie zu schwach waren sein Leiden zu ertragen.

Ich vergesse nie die ersten Worte meiner Großmutter nach seinem Tod: "Endlich ist es vorbei."

Hätte es in Deutschland Sterbehilfe gegeben, meine Großmutter hätte gegen die Wünsche meines Großvaters der Sterbehilfe zugestimmt.

Wie man sieht könnte es also zu einem Slippery Slope Effekt kommen. Quasi, das man es für sehr spezielle Fälle erlaubt und dann immer mehr ausweitet, sodass man dann in Gebiete kommt, die aus Sicht vieler Leute nicht mehr moralisch zu vertreten ist.

Ich könnte noch ganze Bücher schreiben, aber ich glaube, dass das ein guter Ansatz ist.


edel1707  16.10.2024, 08:38

Passive Sterbehilfe ist seit 2020 in Deutschland legal.Ich habe mich bei diesem Verein angemeldet.

Niemand hat einen Menschen vor seiner Geburt gefragt, ob er auf die Welt kommen möchte. Man unterschreibt vor seiner Geburt keinen Vertrag über sein Leben. Also sollte es in einer humanen Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein, jemandem auf Wunsch einen Notausgang bereitzustellen, wo wir doch heutzutage die medizinischen Möglichkeiten dazu haben.

Es sollte auch nicht nach Gesundheitsgrad oder Alter unterschieden werden, denn laut Grundgesetz sind alle Menschen gleich.


edel1707  16.10.2024, 08:39

Passive Sterbehilfe ist seit 2020 in Deutschland legal.

Kann man pauschal gar nicht mit pro oder contra beantworten. Sollte jeder über sein Leben bestimmen dürfen? Ich denke ja! Sollte man es den Menschen in einer Depression leicht machen sich das Leben zu nehmen? Ich denke nein! Sollte es eine Sterbeindustrie mit Werbung geben? Ich denke nein! Sollte man es totkranken Menschen, die leiden, es ermöglichen unter professioneller Aufsicht friedlich u. selbstbestimmt zu sterben? Ich denke ja! Es gibt, glaube ich, von Ferdinand von Schirach ein Stück, das dieses Thema behandelt. Sehr gut gemacht mit fast allen Begründungen pro u. contra. Viel Erfolg!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich bin absolut dafür.

Wenn ein Mensch bei klarem Verstand ist, aber schrecklich leidet, ohne Aussicht auf Genesung, also nur auf den Tod warten muss, dann sollte er ein Recht auf Erlösung haben, wenn er das will.

Ich arbeite selber in der Pflege und weiß, wovon ich rede.

Alte schwer kranke Menschen siechen im Pflegebett dahin, liegen sich wund und wünschen sich täglich zu sterben.

Aber sie werden künstlich ernährt und mit Medikamenten vollgestopft.

Das ist kein Leben mehr, das ist eine unmenschliche Qual.