Macht Schopenhauer lesen unglücklich?

4 Antworten

Eine interessante und wohl auch berechtigte Frage. Als junger Mensch würde ich einen Bogen um Schopenhauer machen, denn der Hauptmotor im Leben eines Jugendlichen muss der Optimismus sein: „Schlägt mir die Hoffnung fehl - so muss er sich sagen - nie fehle mir das Hoffen! Ein Tor ist zugetan, doch tausend sind noch offen.“ (Friedrich Rückert)

Doch wenn man in die Jahre gekommen ist und im Leben einiges erreicht hat, daneben aber auch vom Unglück einiges oder vieles Bittere geschmeckt hat (und man interessiert sich außerdem - das ist wohl die Grundvoraussetzung – für existenzielle Fragen), so sollte man unbedingt zu Schopenhauers „Welt als Wille und Vorstellung“, Bd. 3 und 4 greifen, denn dort liest man vieles Erhellende über die Menschennatur und über die Mächte, die auf der Welt wirken; man kann die Mitmenschen besser einschätzen, weil man überzeugend erklärt bekommt, warum die Menschen so und nicht anders im Leben handeln.

Die zutiefst pessimistische Einstellung Schopenhauers zur Welt und zu den Menschen braucht man sich ja nicht zu eigen zu machen. Man weiß ja, es gibt auch das Positive, und wenn Schopenhauer auch das Positive für einen Trick des Urwillens hält, der einem – da er nur das Böse will – auch die guten Momente nur vergällen möchte, so braucht man sich diesen Schuh nicht anzuziehen.

Ich meine: die Schopenhauer-Philosophie vermittelt dem Leser tiefe Einblicke in das Wesen der Welt. Seine Menschenkenntnis wird auf jeden Fall vertieft bzw. er lernt die Menschen überhaupt erst richtig kennen. Nimmt man noch Nietzsche hinzu, der den von Schopenhauer nur negativ beurteilten „Willen“ ins Positive (zum Willen zur Macht) umdeutet, so bewegt man sich auch wieder in optimistischen Bahnen. Schopenhauers „Welt als Wille und Vorstellung“ und Nietzsches „Wille zur Macht“ sind nach meiner Meinung für einen, der nach Erkenntnis strebt, unverzichtbar.

Ich würde immer empfehlen eine gute Umfeldliteratur vorher zu lesen, z.B. Rüdiger Safranskis "Schopenhauer und Die wilden Jahre der Philosophie". Denn Schopenhauer außerhalb der historischen Bezüge zu lesen, führt eher in die Irre. Man erfährt nichts von der inneren Widersprüchlichkeit dieses Philosophen, der als junger Mann ein verzogener, überheblicher Lackaffe war und das Gegenteil von dem, was er dann als pessimistische Philosophie vorgelegt hat. Er war wohl der letzte, der sich noch an einem geschlossenen philosophischen Welterklärungssystem versucht hat. Darin hat er der christlichen und Idealistischen Hypothese, dass sich die Welt zu immer besserem und höherem entwickelt mit dem chaotischen Willen als Motor allen Seins ein starkes Kontra entgegengesetzt. Dabei ist der Begriff des "Willens" sehr unglücklich, weil er mit dem, was landläufig als menschlicher Wille verstanden wird, nicht viel zu tun hat. Historisch hat das Lesen von Goethes "Leiden des jungen Werther" mehr junge Menschen verwirrt und auch da nur die, die schon vorher in entsprechender Seelenstimmung waren. Mit dem nicht immer leicht zu lesenden Schopenhauer passiert das nicht so schnell. Er spricht mehr die an, die meinen, in ihm einen Vertreter des Determinismus zu finden.


Kommt auf die jeweilige Erwartung an.

Für eine Frau, wenn Sie seinen Text: "Über die Weiber" liest.., ja, dann kann das unglücklich machen... :) Kommt aber auf den Leser an!