Lösungsversuche der Theodizee-Frage im Judentum?

4 Antworten

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Die Theodizee ist so alt wie der Glaube an Wesen, die sowohl gut, mächtig und wissend sind. Sie können nämlich rein logisch nicht alles zugleich sein, wenn man versucht, das Übel (Krankheiten, Katastrophen, Krieg, Mord etc.) dieser Welt zu erklären. Es ist ein fundamentaler Widerspruch der auch heute noch nicht gelöst ist, und vermutlich nie lösbar sein wird.

Die Problematik stellt sich nicht nur im Christentum.

Wenn das Wesen allmächtig ist, könnte es ja, weil es von den Übeln weiss (allwissend), etwas dagegen tun (allgütig). Woher kommt also das Übel in der Welt?

Man kann versuchen, diesen Widerspruch zu lösen, kommt dabei aber i.A. in immer tiefere Widersprüche. Die Versuche, dieses zu tun reichen haben alle mehr oder weniger einen Haken. Am subtilsten ist dann am Ende der alle Diskussion beendende Satz: "Wir sind halt zu blöd, um es zu verstehen. Basta" (meist etwas verklausuliert, aber sinngemäß).

Atheisten sehen dies als Beweis, daß es keinen gott geben kann, der die genannten Eigenschaften haben.

Eine lange Liste der Versuche und kritische Betrachtung findest Du in Wikipedia, natürlich auf vielen christlichen, islam-, humanistischen und atheistischen Seiten. Jeder Philosph der was auf such hält hat darüber mehr oder weniger intelligentes dazu gesagt.


sarahj  26.11.2015, 19:43

Mist, ausversehen zu früh abgeschickt...

Hier der Rest:

Im Judentum ist man sich dieses Problems natürlich besonders bewusst - insbesondere als sie ja in der Geschichte besonders viel Leid erfahren haben.

Soweit ich weiß (und bitte möge mich jemand mit mehr background verbessern) sind jüdische Gelehrte und Philosophen weniger dogmatisch, und erkennen an, daß man dann eine der Eigenschaften aufgeben oder abmildern muss (was eigentlich anerkennungswürdig ist).

Z.B. von vielen wird die Allmacht durch ein Allmitfühlen ersetzt (Gott leidet mt den Menschen, kann ihnen aber nicht helfen)

Zitat:
"Rabbi Harold S. Kushner, author of "When Bad Things Happen to Good People," concluded in his book that the theodicy paradox can only be solved only by limiting the traditional attributes of God. 6 Viewing God as all-knowing, all-loving, and all-powerful leads to internal contradictions. At least one attribute has to be abandoned. He suggests that we reject the omnipotence of God. One can then believe in a deity with only finite powers to influence people's actions, but who remains all-knowing and all-loving. Kushner's God didn't prevent the terrorists because he didn't have the power to do so. God can only cry with the victims."


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sarahj  26.11.2015, 20:03
@sarahj

bereits früher gab es verschiedene Ansichten:

Rashi (11. Jhd): es war nicht Christus, der für die Sünden leiden musste, sondern das gesamt Volk der Juden

Yehuda Halevi (12. Jhd): die Juden müssen im Exil leiden, um ihr Wissen um Gott zu verbreiten

Nach dem Holocaust:

Eliezer Berkovits (1974): der Holocaust ist nicht die Strafe für Sünden, sondern Schuld der Menschen. Insbesondere der Christen (geht in Richtung oben)

Richard Rubenstein (1966): das alte Gottesbild ist zu verwerfen. Der historische Gott ist tot. Der Holocaust war keine Strafe für irgendwelche Sünden.



Es ist wichtig zu erwähnen, daß es im Judentum weitaus weniger (nicht) dogmatisch zu geht, und strenge Vorgaben einer zentralen Instanz (wie im Christentum oder Islam) so nicht bestehen. Insbesondere nicht mit dem Zwang, diese anerkennen zu müssen.
So gibt es kein vergleichbar einheitliches Bild eines allgütigen, allmächtigen und allwissenden Gottes. Außerdem ist es durchaus erlaubt (ohne verbrannt zu werden), sich einen erzürnten, nicht liebenden oder nicht allmächtigen Gott vorzustellen.

Insgesamt ist das Judentum weit liberaler - man kann auch als Atheist Teil der jüdischen Gemeinschaft sein (was nicht heissen soll, daß es da nicht auch zuweilen zu Meinungsverscheidenheiten kommt, aber nicht vergleichbar zu Religionskriegen der beiden anderen. Wer die 3 in einen Topf wirft macht einen Fehler.

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Accountowner08  27.11.2015, 09:42
@sarahj

Ich würde bezweifeln, dass Rashi das Wort "Christus" in seinen Schriften gebraucht hat... hast du dazu eine genaue Quellenangabe?

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sarahj  27.11.2015, 11:01
@Accountowner08

waren keine wörtlichen zitate, war sicher eher jesus.
Muss noch mal schauen, wo ich das her habe....moment....

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Accountowner08  27.11.2015, 11:15
@sarahj

Ich bezweifle auch, dass er Jesus explizit erwähnt, oder die Idee, das Jesus sünden sühnt...

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sarahj  27.11.2015, 11:27
@sarahj

Jews for Jesus, Volume 2 Number 5: The Rabbis' Dilemma: A Look at Isaiah 53.

Zitat:
"Rashi (Rabbi Shlomo Itzchaki, 1040-1105) and some of the later rabbis, though, interpreted the passage as referring to Israel. They knew that the older interpretations referred it to Messiah. [...]"

Und, der selbe Text zitiert seinerseits die Kritik Herz Hombergs (1749-1841):

"According to the opinion of Rashi and Ibn Ezra, it relates to Israel at the end of their captivity. But if so, what can be the meaning of the passage, "He was wounded for our transgressions"? Who was wounded? Who are the transgressors? Who carried out the sickness and bare the pain? The fact is that it refers to the King Messiah"

Ob Jesus/Messias/Christus selbst als solche erwähnt werden, kann ich nicht sagen. Ich habe kein Wissen über Originaltexte von Rashi.

PS: wollte die Beispiel eigentlich auch nur bringen, um den letzten Satz ("Es is wichtig...") zu untermauern, indem ich verschiedene Meinungen präsentierte. Auf keinen als vollständige Liste. Dazu fehlt mir, wie Eingangs geschrieben, fundiertes Wissen.

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sarahj  27.11.2015, 11:31
@sarahj

Oh, ich sehe gerade was du meinst:

meine Beispiele waren keine Zitate sondern sinngemäß (zumindest ein Versuch).

Bitte versteht das nicht falsch. (hätte sonst Zitat: davor geschrieben)

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Accountowner08  27.11.2015, 11:49
@sarahj

Eben: den Jesus hast du reingebracht, der ist dort nicht erwähnt und in Rashi auch nicht... Im Allgemeinen spielt das Christentum, Jesus in der jüdischen Religion keine Rolle, deshalb kommt es kaum vor, dass ein jüdischer Gelehrter im Kontext des Judentums Jesus erwähnt... oder dass er ihn überhaupt erwähnt... denn das konnte fatale folgen haben...

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Accountowner08  27.11.2015, 11:52
@Accountowner08

..dh. einerseits besteht in der jüdischen Religion kein Interesse an der Gestalt Jesus, andererseits war es auch in den Jahrhunderten unter christlicher Herrschaft gefährlich, etwas "Falsches" über Jesus zu sagen... deshalb kommt er in den jüdischen Schriften nicht vor... praktisch nie...

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sarahj  27.11.2015, 14:44
@Accountowner08

ok, sorry. Dann habe ich es falsch verstanden. War ja auch nur als Anregung für eine Reliarbeit, und als Untermauerung der eigentlichen Aussage gedacht, daß die Problematik sich hier nicht so stellt.

Als Magisterarbeit wäre es sicher nicht durchgegangen
(und da hätte ich mir vermutlich mehr Mühe gemacht, als ein paar Minuten nach verschwommen vorhandenen Erinnerungen zu googeln).
Danke für Deine Mühe und die Klarstellung - vielleicht kannst Du dem Frager ja noch mehr Details geben. Obwohl, wie gesagt: es ist nur eine Reliarbeit.

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hallo FirenaTheresa, Theodizee ist eine Idee seit Leibniz, also der Versuch, Gottes Allgüte, Allwissenheit mit den empirischen historischen Gräueln zu versöhnen oder abzugleichen.

Die einzige "Rechtfertigung Gottes" innerhalb des alten Testaments findet sich im Buch Ijob: Ijob klagt Gott an, ein unzuverlässiger Vertragspartner zu sein. Er habe alle Gebote der Torah minutiös gehalten, und gleichzeitig "belohne" ihn Gott mit allen nur vorstellbaren grausamen Schicksalsschlägen. Die theologische Auflösung dieser Schwierigkeit besteht im Buch Ijob darin, dass der Theologe sagt, alle Schicksalsschläge seien nur Prüfungen der Glaubensstärke.


sarahj  26.11.2015, 19:23

Die Problematik wurde schon von den Griechen erkannt (300 vChr).

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suziesext04  26.11.2015, 21:01
@sarahj

die Griechen haben ihren Göttern nicht Allmacht, Allgüte und Allwissenheit zugeschrieben. Also mussten sie sich auch nicht ne Theodiziee ausdenken, warum in der menschen Geschichte alles so schrecklich abläuft wie es läuft.

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Na dazu gibt es einen Witz.

Moshe und Shmuel diskutieren darüber ob es Gott gibt. Sie kommen zu dem Schluss, dass es Gott nicht gibt. Nachdem er vom Reden Durst gekriegt hat, hebt Moshe sein Glas an dem Mund und will trinken. Da unterbricht ihn shmuel - Was, ohne Broche (Segensspruch)? sagt Moshe: Broche, wir haben uns doch gerade geeinigt, dass es Gott gar nicht gibt!

darauf Shmuel: egal ob es gott gibt oder nicht gibt, ohne Broche trinkt nur ein  "Nichtjude"...

d.h. über den Glaubenaspekt hinaus gibt es auch den kulturellen Aspekt der jüdischen Religion, und daher kann es wert sein, das jüdische Kulturerbe, das in grossen teilen religiös ist, zu tradieren, unabhängig vom Glaubensinhalt.

Nach jüdischer Religion ist man sich bewusst, dass man nicht überprüfen kann, was jemand glaubt, aber man kann überprüfen, was jemand tut.

An sich ist der glaube in der Religion schon zentral (es gibt Gebote, gewisse Sachen zu glauben, z.b dass es einen einzigen Gott gibt), aber trotzdem wird mehr Wert auf das Handeln und das Einhalten der zahlreichen sehr detaillierten Gebote, die eben auch einen kulturellen Rahmen geben, gelegt.


earnest  27.11.2015, 11:34

Der jüdische Humor, der sich selbst, das Judentum und Gott und die Welt auf die Schippe nehmen kann, ist einfach wunderbar.

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Das Judentum sagt ganz einfach, dass man dieses Paradox nicht lösen kann. Sprüche der Väter: "Ein beyadeinu lo miyesurey zadikim we lo mishalvat reshaim". "Wir wissen nicht, warum Gerechte leiden oder warum Bösewichte in Sicherheit leben".