Liebe über den Tod hinaus? Gibt es Selbstvorwürfe? Schuld? Wie sieht die Welt danach aus? Wie sehr trifft dich das "nie mehr"?
Das können natürlich auch Leute beantworten, die sich nur einmal darüber Gedanken gemacht haben, obwohl das persönliche Erlebnis noch fehlt.
9 Stimmen
Meinst du, wenn der Partner unerwartet stirbt, ob Unfall oder Krankheit? Oder meinst du, wenn jemand den man liebt Eltern oder sonstwer in der Familie stirbt?
Egal was passiert.
5 Antworten
Nichts ist bestimmt. Jeder Mensch ist selbst für sein Empfinden verantwortlich. Natürlich können andere diesem auch beitragen.
Schauen wir in die Natur und wir finden in den Wochen des Herbstes, die Fluren übersät mit farbiger Schönheit. Das kaum glaubliche geschieht nach den Monaten der Dunkelheit, der Kälte und des Frostes – wagen die Blumen sich hervor, einfach im Vertrauen auf die Länge des Sonneneinfalls und trauen der Wärme mehr, als den Erinnerungen des gefrorenen Bodens.
Ist es möglich, dass Monate dahin gehen, als lege der Schoß der Natur selber wie im Sterben? Dann wäre doch der Frühling wie eine Verheißung, dass es den Tod in Wirklichkeit gar nicht gibt, sondern dass er nur existiert als Übergang zur Ermöglichung neuen Lebens. Und der Mond – alle vier Wochen – taucht er auf am Himmel, zur vollen Schönheit seines Glanzes, um sich zurückzuziehen dann, drei Nächte lang, wie im Tod sterbend unsichtbar und neu sich hervorbringt. Das alles in Parallele zum Zyklus im Körper einer jeden Frau. Kein Biologe weiß bis heute genau, woher diese Entsprechung entstanden sein mag. Aber dass sie existiert, bis in unsere körperliche Natur hinein, wenn es um Fragen um Leben und Tod geht, ist augenscheinlich. Der erste Sonntag nach Frühlingsvollmond, ist der Zeitpunkt, die Auferstehung zu feiern, gegen den Tod. Und in welchen Bildern kann es geschehen? Man glaubt, dass die Neandertaler in ihren Höhlen vor über 70 000 Jahren, ihre Angehörigen bestattet haben, durch Beigabe von Blumen. Offensichtlich wollten sie sagen, dass menschliche Leben hat seine Analogie in der Natur. Und so wenig wie es dort den Tod gibt, sondern dass Zeugnis einer blühenden Schönheit gegen alles Vergängliche, so möchten wir glauben dürfen, so hoffen und vertrauen wir, dass ein Leben nie so einfach hinein sinkt in den Schoß der Erde, sondern lediglich ein Bild erlaubt ist zu sehen, für einen Neubeginn. Diese Vorstellungen gehen durch die Jahrtausende und verstärken sich mit dem Beginn des Neolithikums, mit den Ackerbaukulturen. Sie finden ihre vergreifbare Parallele in den Verschriftlichungen Mesopotamiens, in Ägypten, in Osiris, Adonis, Attis und immer wieder diese Zeitstellung: Sonntag nach Frühlingsvollmond, das ist die Zeit in der das Leben triumphiert, über die grässliche Maskierung des Todes. Manche Bilder müssten noch viel älter sein. In der Osternachtfeier (Karsamstag) nach 20 Uhr: Der Liturgie des Siegs über den Tod. Um diese Liturgie in Szene zu setzen, bemüht sich der Pfarrer ein Ritual zu pflegen, das sinnentleert ist seiner Praktikabilität wegen – aus Stein Feuer zu schlagen. Das ist das Unglaubliche: Das lebloseste von der Erde, ein Silex – soll aneinander geschlagen werden um Funken zu erzeugen. Die Funken fallen auf lebloses Herbstlaub, dem nichts an Leben zuzutrauen ist – und es geschieht für den steinzeitlichen Menschen wie ein Wunder. Es beginnt Wärme, Feuer und Licht zu entstehen – aus Stein und Herbstlaub und dem Atem darüber, es zu beleben. Dieses Wunder, in Abstand jetzt von Hunderttausenden von Jahren des Menschheitsgedächtnisses, wird wie Nebenbei zur Einleitung der Osternachtsfeier benützt. Aus solchen Momenten heraus regenerierte sich einmal das tastende Suchen, entlang den Betonwänden unserer erilischen Gefangenschaft, einen Ausweg zu finden, der über alles entscheidet. Das ganze Christentum hat sich angelehnt an diese Bilder. Im antiken Griechenland ist es der Kult, der Getreidegöttin Demeter. Hades wünschte sich eine Frau, und mit der Duldung von Zeus entführte er Demeters Tochter Persephone in die Unterwelt. Demeter trauerte um ihre Tochter und suchte sie überall, konnte sie jedoch nirgends finden. Sie war so traurig, dass sie den Pflanzen zu wachsen verbot, den Bäumen, Früchte zu tragen, und den Tieren, sich zu vermehren. Als die Menschen anfingen zu sterben, begannen Demeters Geschwister, die anderen Götter des Olymps, sich zu fürchten, und sie zwangen Hades, Persephone freizulassen. Wenn nicht der oberste der Götter Zeus, ihr eigener Bruder verfügt, dass Persephone zurückkehrt zum Wiedersehen und zum Dialog der Liebe. Einen Teil jedes Jahres kann Persephone mit ihrer Mutter auf der Erde verbringen, in der restlichen Zeit muss sie in der Unterwelt als Königin über die Toten herrschen. Demeter ließ aus Freude und Dankbarkeit die Erde wieder fruchtbar werden.
Von Personen die vom Tod getrennt werden mögen, aber nie zerissen in Ewigkeit und vom Tod in seinem Übergang zum Wiedersehen – alles personifiziert sich in den uralten Bildern der Agrarreligionen. Und damit beginnt im Grunde genommen das ganze Christentum. Wir brauchen etwas, das den Einzelnen in seiner Vergänglichkeit als Person, aus dem großen Gang der Natur herausnimmt. Die meint uns nicht als Einzelne. Der ist´s genug wenn Leben sich in Form der Gattung oder der Spezies sich weiter zeugt. Die Frage aber, die sich stellt für Menschen ist die, was aus uns wird als Einzelne.
Natürlich gibt es die Liebe über den Tod hinaus. Wenn wir in Liebe an unsere Verstorbenen denken, sind sie unsterblich. Selbstvorwürfe über vermeintlich Falsches, Unterlassenes, Versäumtes bringen niemanden weiter. Es gibt diesbezüglich keine Schuld.
Obwohl ich ein sehr rationaler Mensch bin ist für mich der Tod nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang. So wie sich in einer Metamorphose die Raupe in einen Schmetterling verwandelt, der völlig neue, nie zuvor geahnte Dimensionen beherrscht, so sehe ich auch den Tod. Man kann es Paradies, Paralleluniversum, Reich Gottes, ewige Jagdgründe, Elysium oder sonstwie nennen, aber aus eigener Erfahrung (auf die ich nicht weiter eingehen werde) bin ich zu der inneren Gewissheit gekommen, dass es das gibt, dass wir völlig andere Möglichkeiten haben werden zu denken, zu fühlen, zu handeln.
"Ich glaube, dass wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Lichte stehen, von welchem unser Sonnenlicht nur der Schatten ist." (Arthur Schopenhauer)
Ich jedenfalls habe seit langem keine Angst mehr vor dem Tod, aber durchaus vor dem Sterben.
Ja, das gibt es. Und es gibt Wunden, die nicht heilen.
Aber warum Selbstvorwürfe?
Als meine Freundin, mit der ich schon seit unserem 12 Lebensjahr zusammen war, mit 21 starb, durch Unfall, habe ich meinen sowieso nicht so intensiven Glauben entgültig verloren.
Selbstvorwürfe? Kennst du etwa keine?