Kann es sein, dass Lehrer nicht wollen, dass Schüler ihr Abitur kriegen?

7 Antworten

Was du hier als "unter Druck setzen" relativ negativ darstellst, würde ich ehr mit realistischen Anforderungen beschreiben. In der Regel versuchen Lehrer ihren Schülern eine guten Abschluß zu verschaffen. Das klingt zwar zunächst, für den Schüler, recht gut, dabei ist aber zu bedenken, daß das Problem so nur in die weiterführenden Schulen verlagert wird. Spätestens auf der Uni ist es mittlerweile üblich, einen Großteil der Studenten in den ersten Semestern rauszuprüfen, da diese faktisch die Ansprüche, welche ein Studium stellt, nicht erfüllen.

Bei diesem Hintergrund ist es eigentlich nur wünschenswert, wenn die Lehrer schon in den Schulen diese Selektion vornehmen.


Treko 
Beitragsersteller
 21.07.2015, 02:42

Das Ding ist, das die Lehrer sich von Anfang Halbjahr bis zum Ende des Jahres einfach ganz geändert haben. Halbjahres Noten von mir 3 bis 4 auch mal öfters die 5 und Jahresnoten waren bei mir jetzt 1-2 und sehr selten mal eine 4. Die Lehrer haben sich ganz geändert. Alles verständlich, aber beim Halbjahr war es letztendlich für mich übertrieben, es gab nicht mal Hilfsbereitschaft von den Lehrern mehr (mehr oder weniger).

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Gaiasduhter  21.07.2015, 03:23

Hast Du Statistiken die belegen, dass Studenten, die nicht über das Gymnasium, sondern über die Realschule und FOS, an die Uni gelangen, prozentual öfter im Studium scheitern?

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tryanswer  21.07.2015, 03:30
@Gaiasduhter

Nein, mir ist auch nicht bekannt, das solche Statistiken irgendwo routinemäßig erhoben werden. An den Universitäten spielt die Vorgeschichte der Hochschulzugangsberechtigung auch keine Rolle (darf es auch nicht - Diskriminierungsverbot). Da ist allein die Zugangsnote ausschlaggebend.

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Gaiasduhter  21.07.2015, 09:28
@tryanswer

Mit Deinem obigen Kommentar erweckst Du jedoch den Eindruck als würdest Du sagen wollen, dass vor allem Abiturienten, die nicht über das Gymnasium an eine Hochschule kommen, in den ersten Semestern wieder rausgeprüft werden. Dies sei unter anderem auch dadurch zu vermieden, dass Realschüler nicht ermutigt werden, nach der Mittleren Reife weiterführende Schulen zum Erwerb des Abiturs zu besuchen. Meine Erfahrungen sind hier jedoch anders. Vor allem Gymnasiasten tun sich die ersten Semester an einer Hochschule schwer, da sie nun plötzlich für alles selbst verantwortlich sind und nicht mehr alles vorgekaut bekommen. Während FOS-Schüler auch Praktika durchlaufen, haben zudem Gymnasiasten von ihrem späteren Studienfach und Beruf keine Ahnung. Spätestens wenn sie merken, dass die Studieninhalte und die Tätigkeit am Arbeitsplatz nicht mit den Wunschvorstellungen überein stimmen, wird das Handtuch geworfen. Ehemalige Realschüler dagegen mussten oft bereits beim Übergang von der Realschule auf die FOS für ihre Träume kämpfen, gegen Lehrer, oft auch gegen Eltern, gegen Berufsberater etc., so dass sie eine ganz andere Motivation haben ihr Wunschstudium durchzuziehen.

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tryanswer  21.07.2015, 20:36
@Gaiasduhter

Das war wohl ein Mißverständnis. Mir ging es darum aufzuzeigen, daß die Schulabschlüsse (gleich ob Gymnasium oder FOS) hinter den Anforderungen der Hochschulen zurückliegen. Was wiederum die Hochschulen dazu veranlasst, ihre eigen Auswahl treffen zu müssen. Am einfachsten ist dieses, in dem man eine festgesetzte Quote an Studenten "totprüft". Das ist leider die Kehrseite des politischen Bestrebens möglichst viele Schüler mit hohen Schulabschlüssen zu versehen. Unabhänig davon ist es - zumindest gefühlt - richtig, daß Schüler des zweiten Bildungsweges häufig engagierter arbeiten.

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Gaiasduhter  21.07.2015, 21:27
@tryanswer

Ah, ok, jetzt habe ich Dich verstanden :-) Das Totprüfen kenne ich auch von meiner Uni, der FAU Erlangen-Nürnberg. Seit Einführung der sog. GOP (ich glaube das steht für Grundlagen- und Orientierungsprüfung) nach dem 2. Semester, wird die Zahl der Studenten gewollt dezimiert. Die GOP darf auch nur 1x wiederholt werden Für viele Studenten ist diese GOP ein Schreckgespenst. Ich persönlich finde aber, es ist besser, wenn Leute gleich nach 2 Semestern merken, dass sie anscheinend für ein Studium oder Studienfach nicht geeignet sind und sich dann frühzeitig umorientieren können, als wenn man wie früher erst bei der Zwischenprüfung im 4. oder 5. Semester gemerkt hat, dass das Studium nix wird.

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Ich habe leider die gleiche Erfahrung an der Realschule meiner Tochter gemacht. Es wurde ausschließlich auf eine Ausbildung vorbereitet, z.B. durch Bewerbungstrainings, Unternehmensbesichtigungen etc, jedoch nicht auf den Übergang an eine FOS. Einzig die Kunstlehrerin hat ein Wahlfach angeboten, mit der sie Schüler auf die künstlerische Aufnahmeprüfung an der Gestaltungs-FOS vorbereitet hat. Als es in der 9. Klasse um das Pflichtpraktikum ging, wurde es den Schülern verboten, sich Praktikumsstellen in akademischen Berufen zu suchen, nur Berufe mit dualer Ausbildung wurden von der Schule genehmigt. Auch in den Schulbüchern, in denen das Thema Ausbildung und Beruf behandelt wurden, kamen immer nur Lebensläufe und Berufsbilder mit dualer Ausbildung vor, nie mit der FOS oder einem akademischen Beruf als Berufsziel. Als das Schreiben von Bewerbungen geübt wurde, musste man natürlich typische Bewerbungen an Ausbildungsbetriebe verfassen, und so man sich selbst keinen Bewerbungsberuf aussuchte, wurde den Schülern einfach ein Beruf zugewiesen, der zu ihnen passen könnte.

Hier ein kleines Beispiel: Wollte eine Schülerin nach der Realschule auf die FOS und dort ihr Abitur machen, um später BWL studieren zu können, durfte sie sich bei den Übungsbewerbungen natürlich nicht auf Stellen als Betriebswirtin bewerben, sondern musste sie z.B. Bewerbungen für Stellen als Einzelhandelskauffrau schreiben. Die Bewerbungsschreiben waren dann auch nicht fiktiv, sondern wurden nach Stellenangeboten in Zeitungen und bei der Agentur für Arbeit verfasst. Mit solchen Vorgaben wurde in der 9. und 10. Klasse versucht die Schüler dazu zu bewegen, dann die Bewerbungen wirklich abzuschicken.

Bei einem Infoabend für Neuntklässler wurde natürlich auch nur über Ausbildungen im dualen System aufgeklärt, Aufnahmevoraussetzungen für die FOS kamen z.B. nicht zur Sprache, genau so wenig wie Berufe mit rein schulischer Ausbildung. Eingeladen waren auch ein Herr von der IHK und eine Berufsberaterin der Arbeitsagentur, die - und das hat mich wirklich sehr geärgert - sehr schlecht informiert waren und entweder aus Unkenntnis, teilweise aber vielleicht auch absichtlich, auf Fragen von Eltern mit Falschinformationen geantwortet haben. Mehrere Eltern fragten dann auch nach wegen FOS, und es kam von beiden Herrschaften und der Schulleitung immer wieder die Auskunft, man solle zuerst eine Lehre machen. Das Abitur könne man ja irgendwann später mal auf dem Zweiten Bildungsweg nachholen. Ich habe selbst den Zweiten Bildungsweg durchlaufen und weiß, dass es dabei viele Hürden gibt, wenn man z.B. Altersgrenzen für Bafög, Studienkredite, studentische Krankenversicherung etc. überschritten hat. Als ich die Referenten darauf hinwies, wurde ich abgeblockt und das Thema wieder zurück auf die duale Ausbildung gelenkt. Außerdem kam auch noch die Aussage, man könne sich ja immer noch über die FOS informieren, wenn man keinen Ausbildungsplatz finde, so als sei die FOS ein Notnagel und keine bewusste Entscheidung.

Unser lieber Herr Kultusminister hört zwar nie auf zu betonen wie super durchlässig unser dreigliedriges Schulsystem doch sei, und nach der Mittleren Reife wäre die FOS eine tolle Alternative zum Gymnasium, aber Realschulen werden anscheinend danach beurteilt, wie viele Schüler nahtlos von der Realschule in eine Ausbildung übergehen. Hört sich natürlich gut an, wenn eine Realschule damit angeben kann, dass 90% ihrer Schüler in eine Ausbildungsstelle vermittelt werden konnten. Die Realität sah aber auf der Schule meiner Tochter ganz anders aus. Aus der Klasse meiner Tochter mit 28 Schülern suchte nur ein Schüler gezielt nach einer Ausbildungsstelle. Alle anderen Schüler wussten bereits zu Beginn der 9. Klasse, dass sie auf jeden Fall auf die FOS wechseln wollen und für sie eine duale Ausbildung nicht in Frage kommt.

Ich weiß, mein Post ist ziemlich lang, aber ich könnte mich heute, 2 Jahre danach, noch darüber aufregen.


Treko 
Beitragsersteller
 21.07.2015, 03:23

sehr Interessant und Verständlich. So ist es bei uns auch, wir werden oft dazu aufgerufen um Bewerbungen zu schreiben und schon darauf hingeleitet um eine Ausbildungsstelle zu suchen. Wie das auch in ihrem Text zu lesen ist, sowas ist echt nicht ok und ungwünscht. Darüber sind wir uns einig.

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einelenabitte  21.07.2015, 05:28

wir haben auf dem Gymnasium übrigens auch nur Bewerbungen an Duale Ausbildungsbetriebe aus echten Stellenangeboten beschrieben

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Ich bin seit der 5. Klasse auf dem Gymnasium und auch wir werden sehr unter Druck gesetzt, schon seit ca. der 7ten Klasse heisst es bei uns ununterbochen "Ihr kommt so niemals in die Oberstufe!", "So schafft ihr euer Abi nicht!", etc. Aber im Endeffekt läuft es so wohl fast auf jeder staatlichen Schule ab. Ich komme nach den Ferien in die Oberstufe, also 10. Klasse, und es kommen seeeehr viele neue Realschüler, viel mehr als in anderen Jahrgängen. Von Freunden und Lehrern weiss ich allerdings, dass diese teilweise sogar besser werden als die, die schon immer auf dem Gymnasium waren. Bei uns kann man ab der 5ten Klasse Französisch wählen und hat dann auch ab der 7ten Klasse einige Nebenfächer auf franz. und auch selbst die Realschüler welche nicht schon früher bilingualen Unterricht hatten, sind in der Oberstufe dann sogar mal Klassenbeste in bilingualen Kursen. Ich denke, dass das daran liegt das die Realschüler einfach mehr Motivation haben und etwas erreichen wollen, weil sie schon teilweise geschafft haben aufzusteigen. Dafür müssen diese aber auch hart arbeiten, da haben eure Lehrer recht. Das eure Lehrer wollen, dass ihr eher handwerkliche Berufe erlernt und sofort in die Ausbildung geht, kann ich mir dadurch erklären, dass auch der Staat mitbekommt das der Trend in Richtung Abitur und Berufe im Tertiären und Quartären Sektor geht. Ich will hier nicht von einer Art Verschwörungstheorie ausgehen, aber es ist nunmal gut möglich, dass sich eure Lehrer dazu verpflichtet sehen (oder verpflichtet werden, wer weiss...^^) euch für die traditionellen Berufe zu begeistern, welche so gut wie niemand mehr erlernen will.


Treko 
Beitragsersteller
 21.07.2015, 02:55

Ja das stimmt und das mit dem traditionellen Berufe, da steckt was dahinter. Deine Denkweise gefällt mir, Danke für die Antwort!

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Na klar, je nachdem wo man wohnt, wird mehr Handwerk gebraucht, ich komme aus Konz bei Trier, "nur" Hauptschule, mehr war mir bei dem Schulsystem auch zu Dumm. Hatte eh eine Sichere Lehrstelle als KFZ-Lackierer. Hier in Frankfurt per Abendgym Fach-Abitur gemacht. Wurde mir halb geschenkt, der Klassenlehrer sagte "Spicken ist ein beweis für IQ" Franz-lehrer sagte "im normalen Franz dürft ihr Spicken, aber nach der pflicht Zeit,wenn ihr weiter Französisch machen wollt,dulde ich nix mehr" Ähnlich läuft es hier auf normalen schulen, weil man hier einfach großteils Abi brauch um in Jobs zu kommen! Dazu, in Trier hätte ich trotz Gesellenbrief Real machen müssen, hier in Ffm war ich durch Gesellenbrief für Abi qualifiziert ^^ Notendurchschnitt egal! 3 Jahre einfach nur Berufserfahrung und Hauptschule reichen hier fürs Abendgym!

Ps: Ach Shit, gerade erst gesehen, 4 Jahre alt lol Poste es trotzdem mal, evtl für andere!


Treko 
Beitragsersteller
 19.01.2019, 01:51

Cool noch eine Antwort darauf zu bekommen, interessante Erfahrung auf jeden Fall!

Btw. habe mittlerweile mein Abitur und studiere Medizin, hätte ich zu der Zeit nicht geglaubt :)

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Ende des Schuljahres hat unsre Lehrerin uns nochmals nachgefragt, was wir nach der Schule machen würden und hat sich das ganze Notiert, sie meinte, das sie das machen müsse

nicht nur das, es muss auch an die übergeordnere Schulbehörde gemeldet werden. Auf diesem Weg soll sichergestellt werden, dass kein schulpflichtiger Schüler zu Hause rumgammelt, statt eine Ausbildung oder Schule zu machen.

dass viele Lehrer wollen, dass die Schüler nicht ihr Abitur machen oder eher zu einer Ausbildung greifen.

Bei Dir hört es sich so an, als ob die Lehrer ihren Schülern das Abi nicht gönnen würden. Das ist sicherlich nicht die Intention der Lehrer, sondern eher das sie das Leistungspotential ihrer Schüler anders & meist professioneller einschätzen können als Schüler & Eltern.

Nicht jeder Realschüler hat das Potential & den Fleiß das Abitur ordentlich bzw. gut zu schaffen. Schon gar nicht 75% eines Jahrganges. Was bringt Dir später ein mittelmäßiger Abi-Schnitt jenseits der 3,0?

Ich kenne einen Lehrer an einer weiterführenden Schule, in dem Fall ein Wirtschaftsgymnasium. Die haben mittlerweile eine Abbrecherquote von knapp über 25%, da sich viele überschätzen & mit dem Stoff überfordert sind.

das ist nicht verständlich wieso man so unter Druck gesetzt wird, sorry aber sowas ist lächerlich!

in einem Prüfungsjahr ist der Druck immer höher, egal an welcher Schule. Du musst vergleichsweise sehr viel Lernstoff in kürzerer Zeit durchbringen, da die Prüfungen ja nicht ganz am Ende des Schuljahres liegen.

Da kommen gerade mittelmäßige oder schwächere Schüler schnell mal ins Schwitzen.

In der Oberstufe eines Gymnasiums geht es da nicht anders zu.


Gaiasduhter  21.07.2015, 09:11

Du sagst, nicht jeder Realschüler hat das Potential und den Fleiß das Abitur ordentlich bzw. gut zu schaffen. Dieses Potential haben doch viele Gymnasiasten auch nicht. Ich bin Nachhilfelehrerin und unterrichte vor allem Gymnasiasten. Viele davon schaffen das Gym. nur, weil sie durch tägliche Nachhilfe gepuscht werden. Finanzstarke Eltern engagieren für jedes Fach einen separaten Nachhilfelehrer. Es käme doch niemand auf die Idee, einem schlechten Gymnasiasten zu raten anstatt dem Abitur eine Ausbildung zu machen. Was bei Realschülern als erstrebenswert gilt, nämlich nach der 10. Klasse eine duale Ausbildung zu beginnen, wird bei Gymnasiasten Schulabbruch genannt. Schau Dir doch einige Beiträge hier bei gf an, wenn Gymnasiasten fragen, ob sie nicht lieber die Schule abbrechen sollten, weil sie schlechte Noten haben. Ihnen wird fast ausschließlich dazu geraten, sich die letzten 2-3 Jahre zusammenzureißen, mehr zu lernen und bloß nicht die Schule abzubrechen. Das Abbrechen des Gymnasiums und der Beginn einer Lehre werden durchwegs negativ, als zu vermeiden und als sozialer Abstieg betrachtet. Wie kann man es sich da verdenken, wenn auch Realschüler einen höheren Schulabschluss in ihre Vita einplanen und nach der Mittleren Reife noch das Abitur machen wollen.

Weiter unten habe ich über die Situation meiner Tochter an der Realschule berichtet. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es hierbei der Schulleitung groß um die Möglichkeit des Scheiterns an weiterführenden Schulen ging, sondern darum stolz sagen zu können, aus ihrer Realschule hätten alle Schüler einen Ausbildungsplatz erhalten. Es wurden nicht einmal sehr gute Schüler dazu ermutigt an eine Fachoberschule oder ein Gymnasium zu wechseln. Stattdessen wurde mit der IHK und der Arbeitsagentur geklüngelt, die natürlich ins selbe Horn blies wie die Schulleitung. Übrigens, alle Schüler der Klasse meiner Tochter, welche an die FOS gewechselt hatten, haben mittlerweile die 12. Klasse bestanden. Einige beginnen jetzt zum WiSe ein Fachhochschulstudium, andere machen noch die FOS13, um danach an einer Universität studieren zu können.

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SimonG30  21.07.2015, 09:39
@Gaiasduhter

Es käme doch niemand auf die Idee, einem schlechten Gymnasiasten zu raten anstatt dem Abitur eine Ausbildung zu machen.

Vernünftigerweise machen das doch viele Lehrer, zumindest an den weiterführenden beruflichen Gymnasien, die ich kenne & wenn die Probleme frühzeitig erkannt werden. Und auch an allgemeinbildenden Gymnasien wird das immer mehr.

Das Abbrechen des Gymnasiums und der Beginn einer Lehre werden durchwegs negativ, als zu vermeiden und als sozialer Abstieg betrachtet.

Und da liegt der Fehler im System & ich finde es löblich, dass es sich die Kammern & Arbeitsagenturen auf die Fahnen geschrieben haben Werbung für Ausbildungen zu machen. Denn in diesem Bereich wird uns der Fachkräftemangel treffen, nicht bei den Akademikern. Da haben wir jetzt schon mehr wie genug...

Klar: die Infos über weiterführende Schulen darf man gleichzeitig nicht unter den Tisch fallen lassen. Aber ich halte es für sinnvoll im Rahmen der Realschule & der Mittelstufe am Gymnasium den Fokus in der Berufsorientierung auf Ausbildungsberufe im dualen System zu legen.

Ich habe früher selbst jahrelang Nachhilfe gegeben & arbeite mittlerweile seit über 10 Jahren beruflich & ehrenamtlich mit Jugendlichen & Eltern zusammen. Leider meinen viel zu viele, dass Abitur der Türöffner für alles ist, was es eben nicht ist. Ein mittelmäßiger Abiturient (jenseits der 3,0) wird nicht überall mit offenen Armen empfangen, weder an Unis noch von Arbeitgebern in Rahmen einer Ausbildung oder eines dualen Studiums.

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Gaiasduhter  21.07.2015, 10:06
@SimonG30

Was Du sagst ist schon richtig, aber dies gilt doch gleichfalls für Gymnasiasten und Realschüler. In eine duale Ausbildung werden jedoch oftmals nur letztere gedrängt, auf ihre Berufswünsche dabei keine Rücksicht genommen, während Gymnasiasten häufiger darin bestärkt werden nicht aufzugeben und sich durchzubeißen. Ob man den Gymnasiasten damit einen Gefallen tut, ist eine andere Sache.

Apropos Lehrer, die das Leistungspotential ihrer Schüler besser und professioneller einschätzen können, wie Du es oben geschrieben hast. Wenn es danach ginge, wäre ich bereits in der 1. Klasse Grundschule auf einer Sonderschule gelandet, was nur durch die Intervention meiner Eltern verhindert werden konnte. Mein Mathelehrer der 4.-6. Klasse hat mir auch täglich Dummheit bescheinigt, was natürlich in der ganzen Klasse zu Gelächter führte. Gerade hier in Bayern urteilen manche Lehrer (und leider sind das keine Einzelfälle) nicht nach den tatsächlichen Leistungen der Schüler, sondern nach sozialen Gesichtspunkten. Während Kinder von Akademikern häufiger eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten, wird Arbeiterkindern, Kindern von Alleinerziehenden und Kindern mit Migrationshintergrund häufiger nur die Eignung für die Realschule bescheinigt. Da werden bei ersteren dann auch schon mal Noten in Übertrittszeugnissen geschönt.

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Gaiasduhter  21.07.2015, 11:09
@Gaiasduhter

Ich möchte noch was zu Deinem Argument mit dem Fachkräftemangel sagen, denn genau dies liegt mir am Herzen. Was bringt es denn, wenn man in einen Beruf gedrängt wird, der einen nicht interessiert, mit dem man total unglücklich ist. Wenn eine Realschülerin selbstbewusst sagt, dass ihr Traumberuf Lehrerin in der Sekundarstufe ist, sie sehr gute Noten hat, auf die FOS gehen will, und dann von den Realschullehrern und der Arbeitsagenturmitarbeiterin dazu bequatscht wird, sie solle doch lieber Erzieherin im Kindergarten werden, obwohl sie mit kleinen Kindern überhaupt nicht zurecht kommt, wo ist denn da der Sinn? Ist es besser unzufriedene Fachkräfte zu haben, die sich in einen ungeliebten Beruf gedrängt fühlen, die ihre Ausbildung wegen Desinteresse nur mit schlechten Noten geschafft haben oder vielleicht sogar noch während der Lehre wieder abbrechen? Mir wären ehrlich gesagt Fachkräfte lieber, die sich bewusst für ihren Beruf entschieden haben und nicht solche, die von Schulen, Eltern und Berufsberatern in eine duale Ausbildung gedrängt werden, die ihren Beruf nur halbherzig ausüben und denen man anmerkt, dass sie eigentlich lieber etwas ganz anderes gemacht hätten. Und dabei wäre es mir dann auch egal, ob es sich bei dem Tischler, der meinen Schrank anfertigt oder bei der Frisörin, die meine Haare schneidet, um Gymnasiasten handelt, die sich bewusst für diese Berufe entschieden haben und in ihren Berufen zufrieden sind. Vielleicht sollte man, um den Fachkräftemangel abzubauen, nicht immer nur Realschüler dazu drängen auf das Abitur zu verzichten, sondern auch Gymnasiasten gezielt für solche Berufe begeistern, und nicht erst wenn sie ihr Studium abbrechen.

Ich frage mich langsam, wofür es überhaupt Fachoberschulen und berufliche Gymnasien gibt, wenn es eh nicht erwünscht ist, dass Realschüler das Abitur machen. Sind Fachoberschulen und berufliche Gyms. nur Proformaschulen, um die Durchlässigkeit des Schulsystems vorgaukeln zu können?

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SimonG30  25.07.2015, 15:03
@Gaiasduhter

Ich frage mich langsam, wofür es überhaupt Fachoberschulen und berufliche Gymnasien gibt, wenn es eh nicht erwünscht ist, dass Realschüler das Abitur machen.

es ist erwünscht, aber nicht in den Massen & Zahlen, die aktuell vorherrschen. Meiner Meinung sollte man die Angebote reduzieren oder die Zugangskriterien verschärfen.

Es geht mir dabei nicht um die guten bis sehr guten Realschüler, die einen Wunschberuf haben für den man ein Studium braucht. Die machen ihren Weg & gehören auch an ein berufliches Gymnasium.

Es geht um die Schüler, die sich auch am weiterführenden Gymnasium in der Oberstufe schwer tun werden, wenn sie es denn schaffen: die schwachen Gymnasiasten & mittelmäßigen Realschüler

Ich kenne soviele Abiturienten, die mit einem 3,... Abi daher kommen, aber immer noch recht abgehobene Studienwünsche & utopische berufliche Ideen haben. Eine Ausbildung halten sie für unter ihrer Würde, sie haben ja schließlich Abitur.

Ich kenne einen mittlerweile pensionierten Schulamtsleiter privat & mit dem habe ich mich oft über das Thema unterhalten. Schulpolitisch ist & war das vorrangige Ziel der Realschule die Schüler auf die Ausbildung nach Klasse 10 vorzubereiten. Es gab zwar nie festgelegte Quoten, aber 2/3 Ausbildung & 1/3 weiterführende Schule war so ein mehr oder weniger geheimes Ziel.

Diese Quote "Schule zu Ausbildung" hat sich mittlerweile deutlich umgekehrt, so dass zumindest hier in BaWü schulpolitisch reagiert wird & der Lehrplan der Realschulen umgestellt wird & schon ab Klasse 5 mit der Berufsorientierung begonnen wird bzw. die Gemeinschaftsschulen voran getrieben werden.

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Gaiasduhter  27.07.2015, 03:35
@SimonG30

Ich finde es ehrlich gesagt ein Unding, dass Kinder bereits nach der 4. Klasse in zukünftige Akademiker und Nicht-Akademiker eigeteilt werden. Vorrangiges Ziel der Realschulen war, historisch gesehen, für den deutschen Staat Beamte des mittleren Dienstes und Angestellte für die Wirtschaft heranzuzüchten, während Hauptschulen dazu gedacht waren, Bauern und Arbeiter wenigstens ein wenig zu bilden. Das dreigliedrige Schulsystem stammt aus einer Zeit, in der es nicht darum ging, dass nur gute Schüler das Gymnasium besuchten und schlechte Schüler die Hauptschule. Sondern hier wurde nach Ständen und später sozialen Schichten eingeteilt. Und leider ist es - hier kann ich allerdings nur von Bayern sprechen - immer noch so, dass eine Gymnasialempfehlung vorwiegend an Akademikerkinder vergeben wird. Sind die Vornoten nicht so gut, wird mit zusätzlichen mündlichen Noten oder großzügigem Abrunden nachgeholfen. Kinder von Arbeitern, Alleinerziehenden und Migranten erhalten dagegen überwiegend nur Realschulempfehlung. Da wird dann gerne auch einmal bei gleichen Vornoten auf- statt abgerundet. 

So kann ich mir schon vorstellen, wie Dein pensionierter Schulamtsleiter sagte, dass das geheime Ziel war, Realschüler zum größten Teil nicht einer akademischen Ausbildung zuzuführen, aber nicht, weil sie dumm wären, sondern weil es ja nicht angehen kann, dass sich jetzt auch schon Arbeiterlümmel an den Unis breitmachen.

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