Kann mir jemand in einfachen Worten erklären wie Peter Bieri Freiheit und Determination definiert und deren Zusammenhang?

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Peter Bieri gibt in seinem Hauptwerk zum Thema zu Determinismus bzw. Determination/Determiniertheit keine ausdrückliche kurze und einfache Definition und setzt sich darin auch nicht eingehend mit der Frage auseinander, ob alles Geschehen in der Welt tatsächlich strikt determiniert ist. Ihn interessiert hauptsächlich die Beziehung zu einem Verständnis von Willensfreiheit.

Definition von Determinismus

Unter Determinismus wird eine Auffassung von einer Determiniertheit (Bestimmtheit) des Geschehens in der Welt verstanden, eine Bedingtheit: Der Weltverlauf ist durch Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten der Verknüpfung (von Ursache und Wirkung) festgelegt. Der Zustand in der Welt zu einem Zeitpunkt und die in der Welt gültigen (kausalen) Gesetze lassen nur eine einzige Zukunft zu.

Definition von Freiheit

Unter Freiheit wird eine Fähigkeit verstanden, selbstbestimmt eine Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu treffen. Damit gibt es eine offene Zukunft.

Handlungsfreiheit: Jemand ist frei, wenn er tun und lassen kann, was er will.

Willensfreiheit: Frei ist, wer die Fähigkeit besitzt, seinen Willen in Abhängigkeit von seinem Urteil zu verändern.

Freiheit besteht darin, den eigenen Überzeugungen gemäß handeln zu können. Anders ausgedrückt folgt der freie Wille dem eigenen Urteil darüber, was zu wollen richtig ist. Der Wille ist frei, weil er der Wille ist, den ich haben möchte. Was eine Person will, ergibt sich aus ihrem Denken, einem Gründe abwägenden Überlegen. Die Person hat die Fähigkeit, ihr Wollen durch Nachdenken und Selbsterkenntnis zu formen/umzuformen. Sie eignet sich so den Inhalt ihres Wollens an (angeeignete Freiheit).

Zur Willensfreiheit gehört, Urheber der eigenen Entscheidungen zu sein und den Willen durch kontrollierendes Überlegen zu bestimmen.

Zusammenhang vom Freiheit und Determination (Bestimmtheit/Bedingtheit)

Peter Bieri vertritt den Standpunkt: Unbedingte Freiheit ist nicht tatsächlich möglich, nur bedingte Freiheit. Eine Person trifft eine Entscheidung nicht völlig losgelöst und ungebunden, ganz unabhängig von ihrer Lebensgeschichte. Eine durch nichts bestimmte Entscheidung wäre nicht wirkliche Freiheit, sondern Willkür und Zufall. Gegenbegriff zu Freiheit ist Zwang.

Es gibt Einflüsse/Faktoren, aber es gibt die Möglichkeit, innerlich Abstand gegenüber Wünschen und Regungen einzunehmen, in einen inneren Fluchtpunkt zurückzutreten. Im Spiel der Einbildungskraft entstehen vorgestellte Möglichkeiten, die einen echten und tatsächlichen Einfluß auf den Willen ausüben. Die Entscheidung ist durch Überlegen und eigenes Urteil bestimmt/bedingt. 

Peter Bieri reicht die Innenperspektive, sich das Überlegen und Wollen als eigenes zuzuschreiben und sich daher als frei zu verstehen, unabhängig davon, ob (von einer Außenperspektive betrachtet) durch Bedingtheiten etwas (durch Einbindung in eine Naturgesetzlichkeit) festgelegt ist oder nicht.

Zur Freiheit gehört nach seiner Auffassung ein Anderskönnen (des Wollens und des Tuns): Ein Person hätte etwas anderes gewollt und getan, wenn sie anders geurteilt hätte.

Der Schwachpunkt, dies mit Determinismus für vereinbar zu halten, besteht darin, das Problem nur zu verschieben. Denn es ist so nicht erklärbar und nachvollziehbar, wie eine Person wirklich anders hätte urteilen können, wenn doch (nach Auffassung des Determinismus) der ganze Weltverlauf strikt notwendig/unausweichlich ist.


Albrecht  04.07.2015, 10:41

Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit : über die Entdeckung des eigenen Willens. München ; Wien : Hanser , 2001. ISBN 3-446-20070-3S.

16: „Der Gedanke, daß eine verständliche Welt eine Welt ist, in der es Bedingungen und Gesetze gibt, die festlegen, wann was geschieht, hat eine wichtige Konsequenz: Die Vergangenheit legt in einer solchen Welt eine einzige, eindeutig bestimmte Zukunft fest. Die tatsächliche Vergangenheit dieser Welt, zusammen mit den in dieser Welt gültigen Gesetzen, läßt nur ein einziges zukünftiges Geschehen zu. Es gibt zu jedem Zeitpunkt nur eine einzige mögliche Zukunft. Um sich eine Abweichung vom tatsächlichen Weltverlauf vorstellen zu können, müßte man entweder annehmen, daß die Vergangenheit anders gewesen wäre, als sie tatsächlich war, oder daß die Gesetze andere wären, als sie tatsächlich sind. Für diese Idee hat man das Wort Determinismus geprägt. Ich werde es meiden. Es trägt gedanklich nichts Neues bei, und es hat wegen seines stählernen Klangs eine Aura unheilvollen Assoziationen, die uns nur stören würden.“

S. 18 - 19: „Weil die Idee der Freiheit mit einer Perspektive auf uns selbst verknüpft ist, die mit der bisher beschriebenen Sichtweise in einem Konflikt steht, der nicht schärfer und unversöhnlicher sein könnte. Es ist die Perspektive von innen, in der wir nicht der Vergangenheit, sondern der Gegenwart und Zukunft zugewandt sind. Aus ihr sehen die Dinge ganz anders aus. Da ist uns keine Linie vorgezeichnet.

Ganz im Gegenteil, es macht unsere Freiheit aus, dass wir in ganz unterschiedliche Richtungen gehen können. Die Linie unseres Handelns hat eine Vielfalt möglicher Verzweigungen. Wir können überlegen, bevor wir etwas tun, und in diesem Überlegen zeigt sich ein Spielraum verschiedener Möglichkeiten, zwischen denen wir wählen können.“

S. 80: „Die Freiheit des Willens liegt darin, daß er auf eine bestimmte Weise bedingt ist: durch unser Denken und Urteilen. Der triumphierende Ausruf ist deshalb so zu lesen: »Ich könnte auch etwas anderes machen, wenn ich anders urteilte!« Es ist die ganz bestimmte Verbindung zwischen Urteil und Willen, in der die Freiheit besteht.“

S. 82: „Es macht die Freiheit eines Willens aus, daß er auf bestimmte Weise gebunden ist. Es liegt in der Natur der Entscheidungen, daß sie den Willen binden.“

S. 410 – 411: „Es gehört zur Freiheitsvorstellung, daß wir Urheber, Subjekt oder Autor nicht nur unseres Tuns, sondern auch unseres Wollens sind. Daß dies nicht heißen kann, als reines Subjekt hinter allen Willensgründen Regie zu führen, sahen wir in dem zweiten Teil. Im ersten Teil haben wir die Urheberschaft und das Subjektsein denn auch anders verstanden. Sie bestehen darin, daß wir es sind, die durch Überlegen bestimmen, wie unser Wille sein will. Vor dem Hintergrund des Aneignungsgedankens können wir diese nun anreichern: Wenn es uns gelingt, einen Willen zu entwickeln, den wir uns artikulierend, verstehend und bewertend zu eigen gemacht haben, so sind wir in einem volleren Sinn sein Subjekt und Urheber, als wenn wir uns nur aufgrund irgendwelcher Überlegungen für ihn entscheiden. Dies hat damit zu tun, daß die Überlegung jenes gewöhnliche, alltägliche Raissonement sowohl an Tiefe als auch an Reichweite übertrifft. Struktur, Gehalt und Dynamik unserer Wünsche werden in weit größerem Umfang zum Thema und damit ist die Erfahrung verbunden, daß wir uns ein größeres Stück unserer Innenwelt zu eigen machen. Wir breiten uns in unserem Subjektsein immer weiter nach innen aus, so daß das Erlebnis, von unserem Wunsch auf blinde Art und Weise bloß getrieben zu werden, seltener und das Bewußtsein, Herr der Dinge zu sein, häufiger wird.“

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