Kann mir jemand bei der Dolchstoßlegende helfen?

6 Antworten

Dein Frageraster sieht so aus als wäre die Dolchstoßlegende ein historisches Ereignis mit einem nachvollziehbaren Ablauf gewesen. Das ist sie aber nicht. Eine Legende ist eine Geschichte, die man erzählt um einen eigentlich nicht fassbaren Sachverhalt begreiflich zu machen (z.B. Heiligengeschichten).

Die richtige Wertung für die Dolchstoßlegende wäre heute "Verschwörungstheorie". Ich will aber trotzdem versuchen, mich an dein Raster zu halten.

1. Die Ursache lag in der militärischen Niederlage des Deutschen Reichs gegen die Ententemächte, die sich weite Teile der nationalistisch gesinnten Bevölkerung nicht eingestehen wollten. Es ist zwar richtig, dass die deutschen Truppen nicht kapituliert hatten und das Morden vielleicht noch Monate ausgehalten hätten, letztlich waren sie aber vollkommen ausgezehrt und kriegsmüde, ebenso wie die Zivilbevolkerung im Reich. Dies führte zu vielfachen Unruhen und Meutereien, die den Zusammenbruch beschleunigten und die militärische Führung letztlich zu Friedensverhandlungen zwangen.

2 Beteiligte waren die deutsche Armee, von der Teilbereiche (vor allem die Marine) meuterten, weil sie nicht mehr einsahen, sich in militärisch sinnlose Einsätze zu stürzen. Weiterhin deren militärische Führung (Oberste Heeresleitung - OHL), die bis kurz vor dem Ende noch diese Einsatzbefehle gaben.

Beteiligt waren weiterhin die Arbeiter- und Soldatenräte, die sich nach sowjetischem Vorbild allüberall bildeten und denen es örtlich teilweise gelang, die Macht zu übernehmen.

3. Einen chronologischen Verlauf im engeren Sinn gibt es nicht.  Bereits mit Kriegseintritt der USA im Jahr 1917 gab es erste Streiks, da sich in einem Teil der Arbeiterschaft, vor allem im sozialistisch geprägten, die Kriegsbegeisterung längst verflüchtigt hatte und die Kriegsgegner an Bedeutung gewannen. Diese setzten sich z.B. im Januar 1918 fort und gewannen an Intensität. Mit den militärischen Erfolgen der Entente an der Westfront (Zurückdrängen der deutschen Truppen aus dem jahrelangen Frontgebiet) im Herbst 1918 setzte sich langsam die Erkenntnis durch, dass dieser Krieg nicht mehr militärisch zu gewinnen war. Am 11. November wurde schließlich der Waffenstillstand in Compiègne unterzeichnet. Im Friedensvertrag von Verailles schließlich am 28.06.1919 wurde die militärische Niederlage und die Kriegsschuld Deutschlands besiegelt.

Juristisch eskalierte das dann noch 1925 im sogenannten Dolchstoßprozess, min dem versucht wurde, diese Legende vor Gericht aufzuarbeiten.

4. Im Ergebnis fürhrte diese Theorie, dass Deutschland militärisch unbesiegt geblieben und nur durch den Verrat im Inneren in die Niederlage geraten sei, zu einer massiven Diskreditierung der Weimarer Regierung, zu einer Demontage des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Ebert und zu einer Schuldzuweisung an die Juden, was den latenten Antisemitismus massiv befeuerte.

5. Als Folge lässt sich zum einen die Unregierbarkeit der Weimarer Republik herausarbeiten, da deren - schnell wechselnde - Regierungen in großen Teilen der Bevölkerung praktisch keine Legitimation besaß. Dadurch erstarkten die deutschnationalen und rechtsradikalen Parteien, die ihre Politik (wie auch die Kommunisten auf der anderen Seite) gewaltsam auf die Straßen trugen. Eine weitere Folge ist das starke Anwachsen des Antisemitismus bis hin zur späteren Judenvernichtung im Dritten Reich.

Dies erhebt jetzt keinen Anspruch auf historische Vollständigkeit, sondern soll nur eine Skizze sein, die zur weiteren Auseinandersetzung mit diesem Thema und mit dieser Zeit ermutigen soll.

Chronologie:

1. Hunderttageoffensive und "Schwarzer Tag des Deutschen Herres"

2. OHL erkennt, daß die eigenen Truppen kurz vor dem Zusammenbruch stehen, und Militärdiktator Ludendorff fordert deshalb am 29.09.1918: a) sofortige Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen b) Beteiligung der SPD an der Regierung (Oktoberreformen). Ludendorff sorgt damit dafür, daß die neue Regierung (SPD) die Waffenstillstandsverhandlungen führen muß

3. Nachdem sein Kalkül aufgegangen ist, ändert Ludendorff plötzlich seine Meinung um 180° und fordert die Wiederaufnahme der Kämpfe. Damit wirkt es in der Öffentlichkeit so, als hätte Ludendorff/ das Heer weiterkämpfen wollen, aber die SPD hätte das Reich verraten und die Waffenstillstandsverhandlungen eingeleitet - die kämpfende Truppe also "von hinten erdolcht".

Die Dolchstoßlegende basiert also auf einer von Ludendorff eingefädelten Intrige.

4. Später dann - im November - kam es zur Revolution. Zu dieser Zeit war bereits öffentlich bekannt, daß der Krieg verloren war. Nicht der Krieg endete aufgrund der Revolution, sondern die Revolution war eine Folge des Kriegsendes. Die Massen waren wütend darüber, daß sie 4 Jahre lang sinnlos Tod und Entbehrung ertragen mußten, und daß man sie obendrein die ganze Zeit über die Erfolgsaussichten belogen hatte.

5. Aus diesen Fakten bastelte man sich die Dolchstoßlegende und behauptete wahrheitswidrig, SPD und Novemberrevolution wären dem unbesiegten Heer in den Rücken gefallen und trügen die Schuld an der Kriegsniederlage.


Die Dolchstoßlegende bezeichnet den Mythos (verbreitet vor allem von reaktionären (~ nationalistischen, nationalsozialistischen, monarchistischen) Kräften nach Ende des 1. Weltkriegs. Sie besagte, dass die demokratischen Parteien "in der Heimat" einen Dolchstoß in den Rücken des deutschen Heeres geführt habe, da sie den Versailler Vertrag angenommen hatte, obwohl das deutsche Heer im Feld als noch nicht besiegt galt. Ziel war es, Demokratie und Vertreter dieser zu diskreditieren und sie als unpatriotische Verräter darzustellen. Ein kleinerer, aber wichtiger Aspekt ist auch, dass die Nationalsozialisten und ihre Verbündeten es natürlich nicht lassen konnten und auch antisemitische Punkte mit einfließen ließen. So wären bspw. die militärischen Niederlagen durch die schwache Kampfkraft jüdischer Soldaten zu erklären. Davon ist selbstredend Abstand zu nehmen.

Der Versailler Vertrag, den du sicher kennst, war ein sehr unpopulärer Beschluss. Er wurde tatsächlich von einer sehr spontan gebildeten Koalition der SPD, DDP und der Zentrumspartei angenommen, die von der deutschen Heeresleitung (OHL) damit allerdings allein gelassen wurden. 

Diese Parteien nahmen den Vertrag nur unter Protest an, man hatte das Gefühl er sei viel zu streng - allerdings hatte man Angst, dass bei einer Ablehnung des Vertrags der Krieg fortgeführt würde und dass das nächste Friedensabkommen noch viel schlimmer wäre - also nahm man an.

Wikipedia schreibt hier kürzer auch dazu: 

"Unter dem Druck des drohenden Einmarsches und der trotz Waffenstillstand fortbestehenden britischen Seeblockade, die eine dramatische Zuspitzung der Ernährungslage befürchten ließ, votierte die Nationalversammlung am 22. Juni 1919 mit 237 gegen 138 Stimmen für die Annahme des Vertrags." (https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensvertrag_von_Versailles)

Das deutsche Heer galt tatsächlich noch nicht als besiegt. Den ganzen Krieg über fanden die Kämpfe nicht auf deutschem Boden statt. Dennoch war das kaiserliche Militär zahlenmäßig weit unterlegen, es hatte schwere Verluste hinnehmen müssen und da 1918 die Siegfriedstellung durchbrochen und die frischen Truppen der USA die Alliierten unterstützten, stand man sehr kurz vor einem totalen Zusammenbruch. Für das osmanische Reich und Österreich-Ungarn sah es nebenbei nicht besser aus - ein militärischer Sieg war also undenkbar.

Aus diesen Ursachen heraus bildeten rechte Lager bald den Mythos der Dolchstoßlegende. Einer geschichtsrevisionistischen Lüge, die von rechten, antidemokratischen Kräften verbreitet wurde, um die neue Demokratie zu behindern und letztendlich zu zerstören. Als Gruppen sind hierzu die OHL (also das monarchistische Reichsheer), die Mitglieder der NSDAP und DNVP interessant. Wichtige Charaktere und Begründer des Begriffs sind z.B. Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg (beide deutsche Generäle; zu Ludendorff: Hitler-Ludendorff-Putsch 1923 nachschlagen wäre hilfreich! Hindenburg ruft zum Ende der Republik Hitler als Reichspräsidenten aus.)

Die Erklärung vollzieht sich durch die polit. Stellung dieser Parteien und Personen nach, die selbstverständlich nicht gerade demokratiefreundlich waren.

Folge war, dass ganz so wie die Verbreiter der Legende antizipiert hatten, eine Verbreitung antidemokratischen Denkens in der Bevölkerung. Wikipedia auch hierzu: 

"Sie lieferte dem Nationalsozialismus wesentliche Argumente und begünstigte seinen Aufstieg entscheidend." (https://de.wikipedia.org/wiki/Dolchsto%C3%9Flegende)

Sonstige Folgen ergeben sich aus dem vorher formulierten. Heute gilt die Dolchstoßlegende als widerlegt und unhaltbar - damals aber, auch wenn ihre Richtigkeit natürlich angezweifelt wurde, wurde sie von weiten Teilen der Bevölkerung geteilt und als wahr empfunden.

-------------------------------------------------------------------------

Das ist eine kleinere Übersicht. Sie soll als Grundlage dienen, aber es genügt nicht sie einfach nur auswendig zu lernen und damit irgendwelche guten Noten zu erreichen. Du solltest dir die im Unterricht verwendete Literatur diesbezüglich angucken und ggf. nachrecherchieren oder nachfragen, was konkret du nicht verstehst. Das kann sehr nervig sein, besonders wenn man das Fach nicht mag, aber ich bin keine wissenschaftliche Quelle und letztendlich ist das Thema nun wirklich nicht allzu schwer. Ich weiß nicht, wie euer Unterricht gestaltet wird und was eure Lehrkraft hören will; meine Antwort ist also in keinster Weise Grundlage für deine Präsentation, sondern nicht mehr als eine Übersicht. Entsprechend habe ich auch nicht alle Punkte einzeln beantwortet.

1. Das deutsche Heer unter Leitung von Hindenburg und Ludendorff hatte den Krieg verloren, die Armee war in Auflösung begriffen, die Strategien von Hindenburg und Ludendorff sind nicht aufgegangen. De facto hatte also die militärische Führung versagt und verloren.
Nun wollten die obersten Generale aber, feige wie sie nun mal waren, unbedingt verhindern, dass ihnen zu Recht die Schuld am verlorenen Krieg angelastet wird und setzten die sogenannte Dolchstoßlegende in die Welt, die Armee sei „im Felde unbesiegt“, der Krieg sei nur durch die Politiker in der Heimat verloren worden, sie hätten der Armee von hinten einen Dolch in den Rücken gejagt.

2. Die Generale des Krieges sowie die nach dem Krieg folgende Reichsregierung und die Alliierten.

3. Die verantwortlichen Generale verweigerten, die Kapitulation zu unterzeichnen, weil dann für jeden offensichtlich geworden wäre, wer verloren hat. Ludendorff setzte sich z.B. ins Ausland ab.
Also fuhr eine Delegation der neuen Reichsregierung zu den Verhandlungen, in der Hoffnung, dass überhaupt Verhandlungen stattfinden. Die Alliierten wollten auch verhandeln, aber die französische Regierung beharrte darauf, dass es keine Verhandlungen gibt sondern dass stattdessen die Deutschen die Kapitulation zu unterzeichnen hätten und Regelungen gefunden werden, die Deutschland so sehr belasten, dass sie nie wieder stark werden können. Da spielten Rachegelüste eine erhebliche Rolle. Hier wurde auch diktiert, dass Deutschland alleine die Kriegsschuld trage.

4. Unter der bedingungslosen Kapitulation mit der Anerkennung der Kriegsschuld stand nun die Unterschrift der neuen Reichsregierung, die Strategie der Generäle ist voll aufgegangen.
Basierend darauf konnten dann Nationalisten und Nazis behaupten, nicht die Armee sondern die Reichsregierung sei am verlorenen Krieg schuld, sie hätten ja schließlich die Kapitulation unterzeichnet.

5. Der 2. Weltkrieg.


Die Dolchstoßlegende ist eine Verschwörungstheorie vom 1. Weltkrieg. Findest du unter Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/Dolchsto%C3%9Flegende


doggy1603 
Beitragsersteller
 23.03.2017, 10:26

Danke aber ich finde z.B. nichts chronologisches.

0
FreakNimrod  23.03.2017, 11:00
@doggy1603

Du findest darin alles nötige für die chronologischen Daten, insbesondere unter "Entstehung im Ersten Weltkrieg". Suche dir dort alle Ereignisse heraus, die für die Dolchstoßlegende propagandistisch genutzt wurden. Besonders die verschiedenen Streiks sind dabei relevant.

Hier ein Beispiel:

Januarstreik 1918 - Über eine Million Arbeiter fordern bessere Lebensbedingungen, bessere Arbeitsbedingungen, ein Ende des Ersten Weltkriegs und eine Demokratisierung der Verfassung des deutschen Kaiserreiches. Deutung in der Dolchstoßlegende: Die streikenden Arbeiter werden als "Brüdermörder" bezeichnet und ihnen wird bewusste Schwächung des Nachschubs und der Kampmoral vorgeworfen.

1