Jura oder Medizin?

2 Antworten

Hi,

ich würde das Pferd hier tatsächlich von hinten aufzäumen. Also: die Frage "Was will ich studieren?" eher unter dem Aspekt "Was will ich die 40 Jahre nach dem Studium machen?" angehen.

Das halte ich durchaus für relevanter; nicht nur, weil es ein erheblich längerer Zeitraum ist, sondern auch weil ein Studium nur bedingt die berufliche Realität abbildet.

Dementsprechend würde ich mir an Deiner Stelle überlegen, wie der Werdegang danach aussehen soll - und natürlich, ob Du dir ein entsprechender Weg zusagt.

und in der Oberstufe habe ich eine Liebe für die Biologie entwickelt.

Um mal etwas auf das Fachliche einzugehen: das Medizinstudium hat erstaunlich wenig mit den üblichen Schulfächern gemein.

Überschneidungen gibt es in den klassischen Naturwissenschaften des ersten Semesters und z.T. in der Biochemie - das war's. Viel Mathe erwartet einem im Gesamtverlauf des Studiums nicht.

Allgemein habe ich einfach Freude daran in etwas "handfestem" gut zu sein und bin bereit die nächsten sieben Jahre und mehr mit meiner Bildung zu füllen.

Denkanstoß: dem Arzt erwarten nach Abschluss des Studiums nochmals fünf bis sechs Jahre Facharztausbildung - also kann man hier bequem mit 11 - 12 Jahren bis "fertig" rechnen.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Was bei der Entscheidung immer helfen kann, sind Praktika. Mach doch einfach mal jeweils ein Wochenpraktikum in der Anwaltskanzlei und eines auf Station oder in der Praxis.
Medizin ist ein unheimlich schönes Fach und der Arztberuf ist sehr zufriedenstellend, wenn man ihm mit dem nötigen Herzblut nachgeht. Wir brauchen gute neue Ärztinnen und Ärzte.
Sicher hat auch Jura seinen Reiz, wobei das eine durchaus andere Richtung ist. Da braucht es Denken innerhalb gesetzter Regeln nach recht striktem Schema, viel Schreibtischarbeit i.S. von Vorbereitung der Arbeit und Umgang eher mit Taten und Tatsachen anstatt mit den Menschen als Individuen.

Ich würde allerdings davon abraten, einen der beiden Studiengänge nur zu belegen, weil "der Abischnitt so gut ist". Es ist niemandem geholfen, wenn deswegen heißbegehrte Plätze von Menschen blockiert werden, die auf das Fach an sich überhaupt keine Lust haben und nicht mit dem gebotenen Enthusiasmus am Werk sind. Man kann auch mit dem besten Abi eine Ausbildung machen, wenn man denn Freude daran hat.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Johannax32  23.09.2024, 16:07
Ich würde allerdings davon abraten, einen der beiden Studiengänge nur zu belegen, weil "der Abischnitt so gut ist"

Die wenigsten haben eine realistische Ansicht darüber, wie der Alltag nach dem Studium aussehen wird. Mich persönlich nerven eher die Fanatiker, die mit völlig falschen Erwartungen das Studium beginnen (die meisten scheitern glücklicherweise schon an der Zulassung), nur weil sie mal eine Marienerscheinung hatten, als sie dem Hasen der kleinen Schwester "das Leben gerettet" hatten und sich anschließend mit "Herzblut" für einen Beruf völlig aufopfern wollen.

Der Arztberuf ist schlussendlich nur ein Beruf. Man sollte ihn gern ausüben und grundsätzlich gut mit Menschen umgehen können. Alles weitere ist eher hinderlich und solche Fanatiker wie beschrieben werden langfristig entweder zu realistischeren Einschätzungen kommen (am häufigsten zu beobachten), eher fachfremd arbeiten oder in der Psych landen.

Und ja, mir ist bewusst, dass das mal wieder nicht die sozial erwünschte Antwort ist.

Mir persönlich ist es wichtiger, dass eine fachliche Kompetenz vorhanden ist. Was bringt mir im Alter ein Arzt, der mitfühlend meinen Arm streichelt, aber sonst nichts taugt? (Die meisten Patienten merken sowas zwar nicht, aber nun ja...) Und die fachliche Kompetenz entsteht nicht durch "Mitgefühl" (zu viel ist hinderlich) oder "Herzblut", sondern durch harte Arbeit.

Anm.: "Berufserfahrung". Welche Fachrichtung hast du gewählt? Du müsstest doch dann eigentlich wissen, wie unspektakulär der Alltag wirklich ist.

julians218  23.09.2024, 20:07
@Johannax32

Das kann ich großteils so unterschreiben. Ich bin auch niemand, der die ganze Thematik emotionalisiert.
Was die "Fanatiker" angeht, hast Du völlig recht. Der Ausdruck "Herzblut" meinerseits war dahingehend gemeint, dass man eine entsprechende Motivation mitbringen sollte, diesen Beruf gut auszuüben. Dazu gehört dann auch, sich die nötige Fachkompetenz anzueignen; ggf. mit entsprechendem Aufwand. Sich, wenn nötig, im Studium mal auf den Arsch zu setzen und auch mal eine Stunde länger in der Bib zu hocken.

Ja, der Arztberuf ist auch nur ein Beruf. Allerdings ein besonderer. Und auch hier bin ich niemand, der das hochstilisieren will oder es sentimental sieht. Aber der Beruf fordert doch bestimmte Kompetenzen, Hingabe und persönlich-zeitliche Opfer. Da ist das mit einem 9-to-5-Job irgendwo in der Verwaltung vermutlich anders. Es gibt aber doch auch genügend andere Berufe, die sich durch Besonderheiten von der Masse abheben.

Man sollte ihn gern ausüben und grundsätzlich gut mit Menschen umgehen können.

Mein Reden.

Mir persönlich ist es wichtiger, dass eine fachliche Kompetenz vorhanden ist.

Sehe ich genauso. Aber, und das meinte ich vorhin mit dem Abischnitt etc., ich bin der Meinung, dass jemand, der evtl. schon eine Ausbildung im medizinischen Bereich gemacht und/oder Berufserfahrung gesammelt hat und sich zu einem Medizinstudium entschließt, hinterher ein weitaus besserer Arzt wird als derjenige, der mit seinem 1,0er-Schnitt nach dem Abi direkt Medizin studieren geht, weil "jetzt habe ich ein so gutes Abi, dann muss ich es ja auch irgendwie nutzen". Habe ich schon erlebt, macht mich wütend. Solche sind in vielen Fällen nämlich v.a. zwischenmenschlich derartige Reinfälle, dass sie für den Arztberuf gänzlich ungeeignet sind. Und blockieren nebenbei dann die raren Studienplätze für vernünftige Kandidaten.

Das alles ändert aber nichts daran, dass ich der Meinung bin, dass der Beruf schön ist und ich ihn gerne ausübe. Die Arbeitsbedingungen und das ganze Drumherum sind natürlich ein ganz anderes Thema...
Es sollte doch für jeden das Ziel sein, einen Beruf zu erlernen, den man gerne und guten Gewissens bis zur Rente ausüben kann.
Und wenn man seinen Job gerne macht, dann kommt es auch nicht immer auf den pünktlichen Feierabend an; die eine oder andere Stunde mehr am Arbeitsplatz bringt dann auch nebenbei die von Dir geforderte Fachkompetenz mit sich, die ich im Übrigen auch für unabdingbar halte.

Momentan arbeite ich in der Allgemeinmedizin. Und obwohl ich das nur "zwischendurch" mache und eine ganz andere Richtung für mich anpeile und diese Arbeit hinter dem Schreibtisch für mich schon seit jeher auf Dauer ausgeschlossen habe, macht es mir Spaß und bringt eine große Zufriedenheit mit sich.
Ich rate jeder/m Praktikant/in, das Studium in Angriff zu nehmen, wenn er/sie Bock darauf hat.