Jude - Bezeichnung als Beleidigung?

14 Antworten

Was etwas ist oder nicht ist, entscheidet der Zusammenhang.

Und es ist nun mal so, dass unter Jugendlichen "Du Jude" als Schimpfwort verwendet und so aufgefasst wird.

Und jetzt sehe ich hier den Versuch, sich das ok dafür zu holen, auf dem Schulhof genau damit beleidigen zu können und sich zurück zu lehnen mit einem süffisanten "Ich habe doch gar nichts Schlimmes gesagt!"

Zum Vergleich:

"Opfer" ist eigentlich vom Duden her erst mal auch kein Schimpfwort.

Aber als "Du Opfer" wird es immer wieder so verwendet und auch so verstanden.

Bisher haben Menschen immer noch Möglichkeiten gefunden, jemanden fertig zu machen.

Leider.


ZiegemitBock  19.01.2020, 18:30

Ich finde es beleidigend, wenn hier versucht wird, aus dem Wort "Jude" eine Beleidigung zu fabrizieren.

Das Wort "Frau" ist auch keine Beleidigung, egal ob jemand mir nachruft "Du Frau, Du!"

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ZiegemitBock  21.01.2020, 16:47
@nachdenklich30

Ich verharmlose nicht und leugne schon gar nicht. Mit Antisemitismus werde ich selbst des öfteren konfrontiert. Aber deshalb lasse ich mir nicht von anderen aufreden, dass ich meine Existenz als Beleidigung empfinden soll.

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nachdenklich30  21.01.2020, 17:55
@ZiegemitBock

Du weißt ganz genau, worum es geht. Mehr als alle anderen hier.

Und trotzdem stänkerst Du rum und tust so, als gäbe es das Problem nicht.

Es gibt Menschen, die stoßen vor allem deswegen auf Ablehnung, weil sie die Ablehnung suchen.

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ZiegemitBock  21.01.2020, 18:26
@nachdenklich30

Ich tu nicht so, als gäbe es das Problem nicht. Und ich stänkere auch nicht. Aber ich lasse mich nicht davon beleidigen, dass mich jemand als Jüdin bezeichnen. Auch wenn meine Familie ausschließlich aus Gojim bestehen würde, würde mich das nicht beleidigen. Weil ich es nicht als etwas Negatives empfinde, verstehst Du?

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nachdenklich30  21.01.2020, 23:55
@ZiegemitBock

Danke für Deine Erläuterung.

Ich fände es trotzdem hilfreich, wenn Du die (mindestens) zwei bis drei Ebenen unterscheiden könntest.
1. Die Ebene, auf der das Wort "Jude" gedeutet wird. Aus insbesondere jüdischer Sicht ist daran nichts, was es zum Schimpfwort machen könnte.
2. Die Ebene der weltweiten Konflikte, in denen Israel als Konfliktpartner erlebt wird, von dem (nicht nur aufgrund der Siedlungspolitik) viele nichts Gutes mehr erwarten: Da dürften Ursachen liegen, warum für manche viel zu selbstverständlich das Wort ein Schimpfwort ist.
3. Die Ebene, auf der insbesondere Kinder fast jedes Wort zum Schimpfwort umdeuten können, solange es nur jemanden gibt, der sich dadurch erniedrigen lässt.
Und 4. die Ebene, auf der jemand die Souveränität besitzt, sich (wie Du) selbst zu entscheiden, von wem und wie man sich beleidigen lässt.

Auf dieser vierten Ebene bewundere ich Deine Souveränität, mit der Du dies für Dich abblockst, indem Du für Dich auf der ersten Ebene argumentierst. Das können nicht alle so. Aber es wäre genau das, was ich jemandem empfehlen würde, der davon betroffen ist.

Es hat die Chance, dass es für den anderen schlicht langweilig wird, wenn sich niemand ärgert. Oft nutzt das aber nichts, weil solche Typen oft nicht locker lassen, bis sie den wunden Punkt gefunden haben, an dem man nicht mehr cool bleiben kann.

Aber das ändern nichts daran, dass andere (zu Recht oder Unrecht) das Judentum in einer bestimmten Weise erleben und dass noch andere auf der dritten Ebene alles als Schimpfwort umfunktionieren.

Und dies kann man nicht dadurch abweisen, dass man so tut, als gäbe es das nicht.

Wie gesagt: Wenn Du Dich davon nicht beleidigen lässt: Super.
Das ändern nichts daran, dass es andere gibt, die es genau damit versuchen.

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ZiegemitBock  22.01.2020, 12:43
@nachdenklich30
Aber das ändern nichts daran, dass andere (zu Recht oder Unrecht) das Judentum in einer bestimmten Weise erleben und dass noch andere auf der dritten Ebene alles als Schimpfwort umfunktionieren.

Habe ich jetzt richtig gelesen? "zu Recht oder Unrecht"? "das Judentum in einer bestimmten Weise erleben"?

Das ist übelster Antisemitismus.

Und die Politik des Staates Israel als Ausrede für Antisemitismus herzunehmen, ist die aller-, aller-, allerunterste Schublade. Pfui!

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nachdenklich30  23.01.2020, 00:56
@ZiegemitBock

Eines der allgemein anerkannten Kriterien für Antisemitismus ist, von Israel anderes zu erwarten als von allen anderen Staaten.

Habe ich Dich jetzt richtig verstanden, dass Du davon ausgehst, dass Israel als ein jüdischer Staat der einzige Staat auf der Welt ist, dessen Handeln keinerlei Folgen auf die Wahrnehmung des Judentums hat?

So wie in der muslimischen Welt auch etwa das Handeln eines sich ausdrücklich als christlichen Staates wir der USA Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Christentums hat?

Wenn Du wirklich dieser Auffassung bist, hast Du dieses Antisemitismuskriterium jedenfalls erfüllt.

Und: Ich legen großen Wert darauf, dass all das keine Ausrede für Antisemitismus ist.

Selbst wenn es diese Wirkungen geben sollte, gelten die allgemeinen Menschenrechte, die Freiheit der Religion und die Unversehrtheit jedes einzelnen. Es gibt keine Rechtfertigung für Antisemitismus.

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nachdenklich30  23.01.2020, 16:54
@ZiegemitBock

Im Übrigen würde ich mir wünschen, dass in solchen Diskussionen von den anwesenden Jüdinnen und Juden auch nur einmal eine Antwort kommt wie:

"Stimmt. Die Mitte-Rechts-Regierung in Istael ist für das Ansehen von Jüdinnen und Juden in der Welt nicht immer hilreich."

In Israel soll man sowas sagen können. In Deutschland habe ich sowas noch nie gehört.

Auch ein solches Eingeständnis rechtfertigt keinen Antisemitismus.

Was hindert Euch eigentlich, so etwas öffentlich auszudrücken?

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ZiegemitBock  24.01.2020, 10:53
@nachdenklich30

Dass Bibi Netanjahu ein Unglück ist für Israel und für die Welt kannst Du nicht nur von mir täglich hören. Aber ein Volk mit seiner Regierung zu verwechseln, ist ein häufig gemachter Fehler. Auch Trump spricht nicht für "die US-Amerikaner".

Und was haben Juden in aller Welt mit einer Regierung zu schaffen, die sie nicht einmal wählen können? Warum sollen wir, die wir nicht einmal Bürger Israels sind, in Deutschland gegen Bibi demonstrieren gehen?

Ich sehe ja nicht einmal Briten hierzulande gegen BoJo demonstrieren, obwohl ich weiß, wie unglücklich die meisten mit dieser Regierung sind und obwohl sie britische Staatsangehörige sind...

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nachdenklich30  24.01.2020, 16:42
@ZiegemitBock

Die Sache ist komplex.

Ein Faktor besteht darin, dass Israel sich als jüdischer Staat versteht.

Ich werbe ja selbst auch dafür, Judentum und Israel zu unterscheiden und Entscheidungen Israels nicht den Juden hier anzulasten.

Das ändert aber nichts daran, dass etwa die Siedlungspolitik Vorurteile unterstützt.

Und eine andere Sache: Warum packst Du mir gegenüber die Antisemitismuskeule aus statt das zu schreiben, was Du jetzt über Netanjahu geschrieben hast? Wenn Du das so schreibst, gibst Du mir doch in der Sache recht Warum greifst Du mich dann so sehr an?

Diese Keule wird m.E. leider zu oft ausgepackt - und ist damit Teil des Problems. Ich kenne dem Judentum sehr zugewandte Menschen, die ohne Vorbehalte das Existenzrecht Israels anerkennen und sich öffentlich dafür einsetzen. Wenn man sieht, wie schnell solchen Menschen gegenüber Antisemitismus konstruiert wird und wie schnell sie auf diese Weise öffentlich fertig gemacht werden...

Ein wenig weniger reflexhaftes Draufhauen und ein wenig mehr Bemühen, auf den Gesprächspartner einzugehen wären manchmal ausgesprochen hilreich.

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ZiegemitBock  25.01.2020, 09:58
@nachdenklich30
Warum packst Du mir gegenüber die Antisemitismuskeule aus statt das zu schreiben, was Du jetzt über Netanjahu geschrieben hast?

Weil ich kein Hellseher bin und nicht wissen kann, was Du denkst. Ich muss mich auf das beziehen, was Du schreibst. Du schriebst:

Aber das ändern nichts daran, dass andere (zu Recht oder Unrecht) das Judentum in einer bestimmten Weise erleben und dass noch andere auf der dritten Ebene alles als Schimpfwort umfunktionieren.

Hättest Du geschrieben:

Aber das ändern nichts daran, dass andere (zu Recht oder Unrecht) die Regierung Netanjahu in einer bestimmten Weise erleben und dass noch andere auf der dritten Ebene alles als Schimpfwort umfunktionieren.

hätte ich weder entsetzt reagiert, Du hättest von mir sogar noch Zustimmung erfahren.

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nachdenklich30  25.01.2020, 14:53
@ZiegemitBock

Ok. Danke.

Wobei: Könntest Du zustimmen, dass das Verhalten einer Regierung Auswirkungen auf die Vorurteile über deren Land haben kann?

Und im Falle Israels als einem jüdischen Staat eben auch auf Vorurteile über das Judentum?

Ich beobachte das jedenfalls im Bekanntenkreis. Und ich stoße leider nicht immer auf Zustimmung, wenn ich darum werbe, das deutlich differenzierter zu betrachten und die Vorurteile zu hinterfragen.

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ZiegemitBock  25.01.2020, 17:21
@nachdenklich30

Oh, Menschen entwickeln wegen allerlei Dingen seltsame Vorurteile. Aber natürlich nur, wenn es in ihr Weltbild passt. Brasilien ist ein außerordentlich katholischer Staat. Und hat mit Bolsonaro ein demokratisch gewähltes, unfassbar vulgäres, rassistisches, frauenfeindliches Staatsoberhaupt. Dennoch wirst Du erleben, dass Katholiken praktisch nie auf Bolsonaro angesprochen werden und von ihnen verlangt wird, dass sie sich lautstark von ihm distanzieren.

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nachdenklich30  25.01.2020, 18:31
@ZiegemitBock

Das sehe ich ein. Wobei Brasilien nicht in einer Dauerauseinandersetzung mit der islamischen Welt steht und von daher die Aufmerksamkeit eine andere ist.

Es wären immer so viele Faktoren zu berücksichtigen, wenn man die unterschiedlichen Wahrnehmungen vergleichen will.

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Es kommt immer auf den Zusammenhang an, Wenn es um eine Religionszugehörigkeit geht und man sagt: "Er ist Jude" , dann ist das in Ordnung. Wenn man aber den gleichen Begriff im Zusammenhang mit einer "Volkszugehörigkeit" oder - noch schlimmer - als "Rassemerkmal" gebraucht, dann ist das nicht nur falsch (es gibt keine "Rassen"!) sondern auch herabwürdigend und beleidigend.


Er meint dann eine direkte, konfrontative Art. Wenn jemand beabsichtigt Jude zu jemandem sagt und diesen verachtet.

Eventuell meint er auch die Religion des Judentums. Wovon ich aber nicht ausgehe.

Es ist immer die Betonung, die ein Schimpfwort oder eine Beleidigung ausmacht.

Das Wort selbst ist irrelevant.

Man kann nur Einzelpersonen beleidigen. Ich denke nicht dass es eine Beleidigung ist, jemanden als Juden zu bezeichnen. Sicherlich kann man aber irgendwie einen an den Haaren herbeigezogenen Fall konstruieren, in dem es doch eine Beleidigung ist.