Ist ständiges Wiederaufheizen teurer als Dauerheizen?

6 Antworten

> Kennt ihr vielleicht den Grund?

Mangelnde Physikkenntnis? Ignorieren der Tatsache, dass genau so viel Heizenergie zugeführt werden muss wie durch Wärmeverluste verloren geht?

Dazu die Erfahrung, dass es bei kalten Wänden einer höheren Lufttemperatur bedarf, um sich wohl zu fühlen. Was zwar keinesfalls (außer vielleicht gefühlt...) zu höheren Wärmeverlusten führt, aber:

Zu Zeiten der Holzfeuerung galt (und gilt noch heute, wenn jemand mit dem offenen Kamin heizen will), dass die höhere Heizleistung (erforderlich wegen der kalten Wände) zu höheren Verlusten durch den Schornstein führt. Gekoppelt mit einer schlechten Regelbarkeit heizt man dann so lange verlustreich auf höchster Stufe, bis es im Raum zu heiß wird und die Temperatur über das Fenster geregelt wird. Das kann dann zu dem Effekt führen, dass konstante Temperatur mit weniger Verlusten zu haben wäre.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Das ist eine sehr komplizierte Frage, auf die es keine wirklich einfache Antwort gibt. Das einfache mathematische Modell zum Thema wird zum Beispiel in Heuser: Lehrbuch der Analysis I auf Seite 323 behandelt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass tatsächlich das Ausschalten der Heizung nachts (oder zumindest das Absenken der Temperatur) und das Wiederaufheizen energetisch günstiger ist als das Durchheizen.

Allerdings muß man auch den Einwand von @Nussbecher beachten. Kommt es zu einer echten Auskühlung der Wohnung (das dürfte bei einer Nacht noch nicht der Fall sein), sind also neben der reinen Raumluft auch noch die Wohnungswände betroffen, dann gilt das vereinfachte Modell nicht mehr. Es muß nun zusätzlich geprüft werden wieviel Energie erforderlich ist um die Wände mit aufzuheizen. Zusätzlich stellen kalte Wände in der Wohnung eine erhebliche Gefahr für Schimmelbildung dar, gerade in der Aufheizphase. Denn dann schlägt sich die gerade erwärmende Raumluft an den Wänden als Feuchtigkeit nieder.

Weiterhin ist es nicht sinnvoll, Fußbodenheizungen zu regulieren. Diese heizen nämlich ERST den Fußboden und dieser und DANN die Raumluft auf. Demzufolge reagieren sie deutlich träger auf Änderung der Einstellung als übliche Heizkörper. Denn der noch warme Fußboden gibt weiter seine Wärme an die Raumluft ab. Daher sollten Fußbodenheizungen auch nicht unbedingt abgesenkt werden, da das ohnehin kaum eine Wirkung hätte.

Fazit: Nachtabsenkung bei Heizkörpern ja, bei Fußbodenheizung nein. Nicht dauerlüften, insbesondere nicht mit gekipptem Fenster, damit die Wände nicht auskühlen.


Heizer509 
Beitragsersteller
 08.02.2022, 18:33

Wow, vielen Dank für die ausführliche und hilfreiche Antwort, vielleicht werde ich in dem genannten Buch auch mal nachschauen!

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DerRoll  08.02.2022, 18:37
@Heizer509

Ich hoffe du kennst dich ein wenig mit Differential- und Integralrechnung aus :-). Nebenbei, meine Auflage ist die 3. von 1984. In neueren Auflagen suche nach Aufgabe 8 in Kapitel 55.

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dompfeifer  09.02.2022, 21:11

Hallo DerRoll, lies dazu bitte zunächst meine Antwort weiter unten.

"Das ist eine sehr komplizierte Frage, auf die es keine wirklich einfache Antwort gibt."

Was ist den kompliziert an der Selbstverständlichkeit, dass sich durch nutzloses Heizen keine Heizkosten sparen lassen? Dazu bedarf es wahrhaft keiner Infinitesimalrechnung mit schulischen Übungsaufgaben aus dem "Lehrbuch der Analysis I"

"Kommt es zu einer echten Auskühlung der Wohnung ..... auch noch die Wohnungswände betroffen, ..... Es muß nun zusätzlich geprüft werden wieviel Energie erforderlich ist um die Wände mit aufzuheizen. ..."

Wozu sollen denn hier derartig abwegige Rechnungen taugen? Die Wände nehmen in der Aufheizphase die Wärme dQ auf, und die ist gleich der Wärmekapazität C der Wände, multipliziert mit der Temperatursteigerung dT. Und genau diese Wärme wird in der Abkühlungsphase von den Wänden abgegeben. Deshalb ist die Tieftemperaturphase in der Wohnung eben zeitverschoben gegenüber der Nullheizungsphase.

Die angrenzende Bausubstanz ist eben genauso wie die Raumluft und das gesamte Mobiliar auch ein Wärmespeicher, der genau so viel Wärme aufnimmt wie er abgibt. Wozu hat man denn früher Kachelöfen gebaut zur Wärmespeicherung, wenn Wärmespeicher immerzu geheimnisvolle Energie schlucken sollen, die sie nicht zurück geben?

 

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> Kennt ihr vielleicht den Grund?

Ich habe nach einigem Nachdenken einen plausiblen Grund gefunden. Es geht offenbar nicht um "verbraucht mehr Energie", sondern um "ist teurer" - was zwar für den Eigenheimbesitzer aufs selbe rausläuft, nicht aber bei Miet- oder Eigentumswohnungen.

Denn bei letzteren wird die Energie nicht nach wissenschaftlichen Standards gemessen (also Eintrittstemperatur, Austrittstemperatur, Volumenstrom des Heizwassers), sondern geschätzt, häufig ausschließlich aufgrund der Oberflächentemperatur der Heizkörper.

Zumindest die früher üblichen Verdunstungszähler zählten dabei bei hohen Temperaturen zu viel. Dadurch wäre es möglich (wirklich gemessen hat das vermutlich keiner), dass beim schnellen Aufheizen der kalten Wohnung trotz geringerem Energieverbrauch mehr angezeigt wird als beim Durchheizen und entsprechend geringer Heizkörpertemperatur.

Energie sparen ist dann in der Mietwohnung nicht identisch mit Kosten sparen :-(

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

dompfeifer  09.02.2022, 21:38

Der Erklärung vermag ich so nicht folgen. Wenn sich das hartnäckige Gerücht, Heizkosten seien durch nutzloses Heizen einzusparen, einem derartigen Effekt durch systematische Messabweichungen verdanken würde, dann frage ich mich, wie ausgerechnet diese bornierten Fanatiker und Leugner des Energieerhaltungssatzes sich auf einen Effekt stützen sollten, den sie selbst nicht verstehen, geschweige denn praktisch erfahren haben sollten.

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"... das Gerücht, dass ständiges Wiederaufheizen ..... teurer sein kann als durchgehendes Heizen um eine konstante Temperatur zu behalten .......Leider finde ich keinerlei plausible Erklärung dazu und kann es mir selbst auch nicht erklären ...."

Für dieses saublöde esoterische Gerücht gibt es auch keine vernünftige Erklärung. Das widerspricht schon einem elementaren Naturgesetz. Diesen Leugnern des Energieerhaltungssatzes sollte man den Hauptschulabschluss aberkennen!

Die bei einer gegebenen Temperaturdifferenz zwischen innen und außen zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Raumtemperatur notwendige Wärmezufuhr, der sog. Heizlast (gemessen in Watt) orientiert sich an den baulichen Gegebenheiten, den Flächen, Wanddicken und Materialien der Gebäudeumfassungen. Die Größe dieser Wärmeabgaben nach außen ist also eine Frage der Wärmedämmung und der Lüftungsgewohnheiten.

Solange die Wärmezufuhr gleich der Wärmeabgabe über die Gebäudeumfassung ist, solange ist die Innentemperatur konstant. Mit steigender Wärmezufuhr steigen Innentemperatur, Wärmeabgabe und Energiekosten. Mit sinkender Wärmezufuhr sinken diese Größen. Hierbei folgen die Veränderungen der Wärmeabgabe den Veränderungen der Wärmezufuhr mit der entsprechenden Zeitverzögerung, weil die Wohnung einen Wärmespeicher darstellt, der mit der Heiztechnik geladen und mit Zeitverzögerung an den Außenwänden entladen wird. Eine unter Berücksichtigung der Zeitverschiebung auftretende Differenz zwischen Wärmezufuhr und Wärmeabgabe würde dem Energieerhaltungssatz widersprechen. Daraus folgt zwingend, dass jede vorübergehende Temperaturabsenkung zur entsprechenden Einsparung der Energiekosten führt. Die Annahme, "dass ständiges Wiederaufheizen ..... teurer sein kann als durchgehendes Heizen" ist damit völlig absurd.

Zur Wohnungsbeheizung begegnet man vielfältigen esoterischen Ritualen zur vorgeblichen Überlistung des Energieerhaltungssatzes. Meistens behaupten derartige Apologeten, es ließe sich Heizenergie einsparen, durch verschwenderisches unnötiges Durchheizen, durch Temperaturkonstanz, weil angeblich Körper bei der Temperaturerhöhung mehr Wärme aufnehmen würden als sie bei der entsprechenden Temperatursenkung abgeben. Da müsste ein Teil der zugeführten Wärme auf mysteriöse Weise im Nirwana verschwinden oder es müssten Baukörper samt Möbel und Wohnraumluft ohne stoffliche Veränderungen ihre Wärmekapazität variieren.

Alles klar soweit, oder noch Fragen dazu?


Heizer509 
Beitragsersteller
 09.02.2022, 10:39

Vielen Dank für die ausführliche Antwort! Ich bin da ganz auf Ihrer Seite

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dompfeifer  09.02.2022, 20:34

Dieses verrückte Geschwätz vom Heizkosten Sparen durch Heizkostenverschwendung lässt sich gegenüber ganz halsstarrigen Realitätsverweigerern auch so widerlegen:

Wenn ich 20 Stunden mittels konstanter Wärmezufuhr die Wohnung auf einer konstanten Temperatur halte, dann betragen meine Heizkosten 20 mal Heiztarif pro Stunde.

Wenn ich nun stattdessen die gleiche Wärmeleistung über 20 Stunden einbringe mit einer vollen Unterbrechung während der 10. Stunde, dann betragen meine Heizkosten nur 19 mal Heiztarif pro Stunde. Ich habe dann 1 Stunde Heizkosten gespart, und die Temperatur war für 1 Stunde zeitverschoben abgesenkt: Die Temperatur sank über 1 Stunde lang ab und stieg nach Beginn der erneuten Wärmezufuhr über 1 Stunde wieder an auf das vorige Niveau. Die in der Aufheizphase fehlende Wärmemenge wurde in der Abkühlungsphase bereits an die Wohnung abgegeben. Heizungsabschaltung und Temperatursenkung sind nur zeitverschoben.

Kurzum, es können mit der Reduzierung der Heizleistung bzw. deren völlige Abschaltung nur Heizenergie eingespart werden. Ich habe hier auf GF schon Fanatiker gefunden, die allen Ernstes empfehlen, für 1 Stunde Wohnungsaufenthalt im Herbst und 1 Stunde Wohnungsaufenthalt im Frühjahr über den gesamten Winter nutzlos voll durchzuheizen, um Heizkosten zu sparen, das ist kein Witz!

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Um eine ausgekühlte Wohnung wieder auf Temperatur zu bekommen ist sehr viel mehr Energie notwendig, als eine gewärmte auf Temperatur zu halten. Genau dafür wurden Thermostate erfunden. :-)

Also immer schon durchheizen oder eben viel bezahlen.


dompfeifer  09.02.2022, 13:12

Das ist genau dieser physikalische Unsinn, den ich in meiner obigen Antwort hoffentlich hinreichend widerlegt habe!

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