Ist es tatsächlich so dass behinderte Menschen mehr Fremdbestimmung haben als Menschen ohne Behinderung?
8 Antworten
Ja, so ist es.
Behinderte Menschen müssen mit massiver Fremdbestimmung leben. Das fängt bei der Essenzeit an [in vielen Wohngruppen gibt es feste Essenszeiten, wenn ein*e Bewohner*in zu der Zeit keinen Hunger hat oder sich sonst wie weigert zu essen, hat er/sie eben Pech gehabt und bekommt nichts zu essen] und kann bis hin zu Postangelegenheiten gehen [die gesetzliche Betreuung liest also Briefe, die an die zu betreuende Person adressiert sind - also eine gerichtlich anerkannte Ausnahme des Briefgeheimnisses].
Gerade in Verbindung mit der gesetzlichen Betreuung gibt es massive Fremdbestimmung. Vor allem in den verschiedenen Aufgabenkreisen:
- Gesundheitssorge
- Aufenthaltsbestimmung
- Vermögenssorge (finanzielle Angelegenheiten)
- Vertretung vor Behörden/Einrichtungen & Gerichten
- Wohnungsangelegenheiten
- Postangelegenheiten
Aber eben auch in den Wohngruppen:
- die oben schon beschriebenen Essenzeiten
- Essen wird häufig weggeschlossen, damit die Bewohner*innen nicht selbstständig sich etwas zu essen machen können
- feste Schlafenszeiten
- feste Waschtage (meistens in AWGs, damit auch alle die Möglichkeit zum Waschen haben)
Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, daß es besonders bei geistig Behinderten krass ist, wenn sie (Achtung, boshafter Ausdruck) "Eigentum" eines gesetzlichen Betreuers werden. Dieser bestimmt u. a.
- über den Wohn- und Aufenthaltsort
- über den Umgang (welche Personen er/sie sehen darf)
- über Gesundheitsfragen und Ernährung
- über Vermögensfragen
- über Taschengeld
Leider ist es so, daß fremde Betreuer die Person meist kaum kennen, sich aber trotzdem in alles einmischen. Dann kommt noch der Konflikt bei Heimunterbringung auf. Hauptsache scheint zu sein, daß derjenige sich möglichst nicht bemerkbar macht.
Ich hoffe sehr, daß meine Erfahrungen nur ein Extrem-/Ausnahmefall sind.
Das hängt natürlich von der Behinderung ab und davon wie selbstständig die Person ist.
Ich bin durch Unfall beidseitig hüftexartikuliert, also vollkommen beinlos und bewege mich in einem Rollstuhl fort.
Offiziell bin ich Schwerstbehindert GdB 100 aG, fühle mich aber gar nicht behindert sondern nur beinlos.
Ich komme mit meiner beinlosigkeit und meinem neuen Körper, zu meinem eigenem Erstaunen, nach schwerer Anfangszeit, erstaunlich gut klar.
Ich bin vollkommen selbstständig, mobil, aktiv, mein chicer Carbonrollstuhl bringt mich fast überall hin und ich bin somit in keiner Weise Fremdbestimmt
Ja, manche haben mehr Fremdbestimmung weil sie es selbst nicht schaffen weil sie es nicht können oder weil sie es nicht wollen.
Wenn du physisch oder psychisch nicht in der Lage bist für deine Rechte einzustehen und dann brauchst du ein Betreuer der deine Rechte vor dem Staat und allen anderen durchsetzt.
Ich denke, dass gerade beruflich erfolgreiche Menschen in äußerstem Maße fremdbestimmt sind. Der Unterschied ist allerdings, dass diese fremdbestimmte Zeit kompensiert wird.