Ist die Reibungskraft in einem Newtonschen Fluid tatsächlich immer antiparallel zur Geschwindigkeit?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Da hast du nicht ganz unrecht, es kommt eben schon auf die Verteilung des Geschwindigkeitsgradienten an. Wirklich antiparallel zur Geschwindigkeit würde die Reibungskraft wohl nur im perfekten, wirbelfreien Fluidpaket auftreten. Aber: Wir wir seit Einstein und Co. wissen, ist die newtonsche Physik generell eher näherungsweise korrekt. In der Praxis meist vollkommen ausreichend, aber nicht „genau genommen.“ Je nach Komplexität des Geschwindigkeitsfeldes, bspw. auf Grund von vielen Wirbeln, Gegenströmen etc. wird es zunehmend wichtiger die räumliche Ableitung der Gradienten zu betrachten. In der Literatur wird das, wie dir richtig aufgefallen ist, oft vernachlässigt.


isohypse 
Beitragsersteller
 30.08.2024, 21:01

Ich spiele auf das an: In der Atmosphäre ist die bekannte Lösung

u(z) = U (1-exp(-z/H)*cos(z/H))

v(z) = U * exp(-z/H)*sin(z/H))

wobei H²=2μ/f ist.

Hier kann die Reibungskraft einfach nicht parallel zu (u,v) sein. Vielmehr ist diese normal zur ageostrophischen Komponente der Geschwindigkeit. Anders geht das gar nicht...es wird aber selbst in bekannten Büchern über Meteorologie so dargestellt.

Auch hier:

https://www.gerd-pfeffer.de/zirk_wind1.html

Ericdraven28  30.08.2024, 23:24
@isohypse

So, hab´s mir alles angesehen. Ich bin da ganz bei dir, die Reibungskraft ist normal zu Corioliskraft, während die Geschwindigkeitskomponente dies nicht, sondern 30-45° zur Bewegung ist.

Nehmen wir mal den "Pfeffer-Link": In der Höhe, wo die Reibung keine Rolle spielt (also in der freien Atmosphäre), richtet sich der Wind entlang der Isobaren, wobei er durch die Druckgradientkraft und die Corioliskraft ausgeglichen wird. Wenn jedoch Reibung ins Spiel kommt (in den unteren Schichten der Atmosphäre, z.B. in der planetarischen Grenzschicht), wird der Wind abgebremst, und seine Richtung ändert sich.

Wenn Reibung vorhanden ist, balanciert sich der Wind zwischen der Druckgradientkraft, der Corioliskraft und der Reibungskraft aus. In diesem Fall ist der Wind nicht mehr parallel zu den Isobaren, sondern er weicht leicht davon ab und bewegt sich in Richtung des tieferen Drucks. Aufgrund der Reibung wird der Wind in einem Winkel von etwa 30-45 Grad zur Richtung der Isobaren abgelenkt. Man erkennt das auf der Abbildung: Der Resultierender Wind zeigt, dass er nicht mehr parallel zu den Isobaren verläuft, sondern in einem Winkel zu diesen verläuft. Dies ist auf die Reibungskraft zurückzuführen.

Die Reibungskraft wirkt antiparallel zur Windrichtung, weil sie den Wind abbremst. Der resultierende Wind durch das Gleichgewicht der Kräfte (Druckgradientkraft, Corioliskraft und Reibungskraft) in diese Richtung gelenkt - je nach Stärke der Reibung und anderen atmosphärischen Bedingungen so zwischen 30 und 45Grad. Das Bild auf der Webseite zeigt den resultierenden Wind antiparallel zur Reibungskraft, was korrekt ist, da die Reibung den Wind in Richtung des tieferen Drucks ablenkt, aber langsamer macht. Ich hoffe du verstehst ein wenig, worauf ich hinaus möchte.

isohypse 
Beitragsersteller
 31.08.2024, 05:24
@Ericdraven28

Es geht mir um die Lösung für die Ekmann Spirale: Hier ist die Reibkraft eben NICHT antiparallel zum Gesamtwind. Genau das verstehe ich nicht.

Ericdraven28  31.08.2024, 09:31
@isohypse

Vielleicht hast du mich Missverstanden, nochmal anders: Durch die Reibungskraft wird der Wind langsamer, was die Corioliskraft schwächt, da sie proportional zur Windgeschwindigkeit ist. Dadurch dreht der Wind allmählich von der ursprünglichen Richtung weg. In Bodennähe, wo die Reibung am stärksten ist, ist der Wind am stärksten abgelenkt. Mit zunehmender Höhe nimmt die Reibung ab, und der Wind nähert sich der Richtung des geostrophischen Windes an. Die Reibkraft ist immer direkt der Windbewegung entgegen gerichtet, aber da der Wind sich durch die Ekman-Spirale mit der Höhe in Richtung des geostrophischen Windes dreht, wird die Richtung der Reibkraft relativ zur ursprünglichen Windrichtung und damit auch relativ zur Gesamtrichtung des Windes auf verschiedenen Höhen unterschiedlich. Die Reibkraft ist nicht antiparallel zum Gesamtwind, weil der Wind durch die Kräftebalance in der Ekman-Schicht (Corioliskraft, Druckgradientkraft und Reibung) allmählich mit der Höhe seine Richtung ändert. Daher gibt es in der Ekman-Schicht eine Drehung der Windrichtung, und die Reibkraft, die immer der momentanen Windrichtung entgegengesetzt ist, erscheint in verschiedenen Höhen unterschiedlich orientiert.

isohypse 
Beitragsersteller
 31.08.2024, 09:41
@Ericdraven28

Ich schätze deine Antwort, aber du liest nicht was ich schreibe: kannst du nicht nachvollziehen, dass diese spezielle Lösung impliziert, dass die reibung nicht antiparallel zur Geschwindigkeit ist? Ich kann es dir ja vorrechnen, aber aus den Bildern die ich gepostet hsbe, geht das ja ebenfalls hervor. Insofern verstehe ich nicht, warum du mir nicht folgrn kannst. Mehr sls konkret kann ich ja nicht werden...du beziehst dich auf den einen Spezialfall, den ich im Bild gezeigt habe, aber allgemein gilt das nicht.

Ericdraven28  31.08.2024, 09:53
@isohypse

Natürlich schätze ich auch deine Überlegungen, mir geht es aber ein wenig ähnlich, du liest oder verstehst nicht was ich schreibe. Also, nur anhand deiner hochgeladenen Datei und dem was ich schon geschrieben habe: In der Ekman-Schicht gibt es eine Balance zwischen der Druckgradientkraft, der Corioliskraft und der Reibung. Die Reibungskraft wirkt der Bewegung der Luft entgegen, was in deiner Grafik durch den gelben Vektor dargestellt ist. Da die Windgeschwindigkeit (Vtotal) nicht konstant in eine Richtung zeigt, sondern sich mit der Höhe dreht, ändert sich auch die Richtung, in der die Reibungskraft wirkt. Sie ist zwar immer der Windrichtung entgegengesetzt, aber eben nicht antiparallel zum Gesamtsystem, sondern zur lokalen Windrichtung (Vtotal).

In der von dir hochgeladenen Grafik sieht man, dass die Reibungskraft (gelber Vektor) nicht exakt antiparallel zu Vtotal (grüner Vektor) ist. Das ist korrekt, da die Richtung der Reibungskraft von der lokalen Windgeschwindigkeit abhängt.

Die Summe der Vektoren (inklusive der Reibung, Coriolis und Druckgradientkraft) bestimmt den endgültigen Windvektor, der sich in der Ekman-Spirale kontinuierlich mit der Höhe dreht. Dadurch, dass sich Vtotal in Richtung des geostrophischen Windes dreht, ändern sich auch die relativen Richtungen der anderen Kräfte. Die Reibungskraft bleibt zwar entgegen der Windrichtung, die Windrichtung selbst aber variiert mit der Höhe.

Deine Beobachtung ist richtig. Die Reibungskraft ist in der Ekman-Spirale nicht genau antiparallel zum Gesamtwind, sondern sie ist entgegen der lokalen Windrichtung, welche sich aufgrund der anderen Kräfte kontinuierlich ändert. Dies führt dazu, dass die Reibungskraft in der grafischen Darstellung nicht immer exakt antiparallel zu Vtotal erscheint. Das ist eine normale Erscheinung in der Ekman-Spirale und zeigt, dass die Kräfte im Gleichgewicht sind und den Wind in seiner charakteristischen Spirale drehen lassen.

Ericdraven28  31.08.2024, 10:39
@isohypse

Ok. Na wäre die Reibungskraft immer antiparallel zum Gesamtwind, würde die Corioliskraft nicht abnehmen, wäre es auch keine Spirale.

isohypse 
Beitragsersteller
 31.08.2024, 10:46
@Ericdraven28

Ist nur komisch, dass das selbst in sehr bekannten Büchern nicht erwähnt wird.

isohypse 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 07:07
@Ericdraven28

Ich habe ehrlich gesagt nicht verstanden, was du in deiner Antwort mit "lokaler Windrichtung" meintest. Es gibt ja nur einen Wind. Vielleicht war deshalb unser Verständnisproblem. Du warst auch etwas widersprüchlich. Denn oben schriebst du

Sie ist zwar immer der Windrichtung entgegengesetzt, aber eben nicht antiparallel zum Gesamtsystem, sondern zur lokalen Windrichtung (Vtotal).

und dann

In der von dir hochgeladenen Grafik sieht man, dass die Reibungskraft (gelber Vektor) nicht exakt antiparallel zu Vtotal (grüner Vektor) ist. Das ist korrekt, da die Richtung der Reibungskraft von der lokalen Windgeschwindigkeit abhängt.

Jedenfalls habe ich in einem Buch endlich die Bestätigung gefunden, dass dies tatsächlich oft falsch dargestellt wird:

https://ucloud.univie.ac.at/index.php/s/wttRmEKgMEMo6po

Somit schließt sich mein Bild endlich und wahrscheinlich haben sich das manche Autoren nicht so richtig überlegt oder bloß vereinfacht dargestellt.

Ericdraven28  01.09.2024, 09:15
@isohypse

Das ist zwar per se kein Widerspruch, um Missverständnisse zu vermeiden hätte ich aber wohl besser von lokaler Strömungsrichtung anstelle von lokaler Windrichtung schreiben sollen. Es ging mir also um die Bewegung der z-abhängigen Wasserschichten. Die Klammer im ersten (Vtotal) ist irgendwie reingerutscht.
Aber generell hab ich nochmal drüber nachgedacht und bleibe bei meiner Ausgangsantwort, korrigiere mich gern: letztlich gibt es keinen praktischen Nutzen, diese minimale Abweichung der Antiparallelität zu berücksichtigen. Sie ist zwar inhaltlich richtig und es hat Spaß gemacht sich damit zu beschäftigen, ich denke aber dass viele Autoren, die sich ja zum Beispiel an Meterologen etc. richten, diese Genauigkeit auch durchaus bewusst vernachlässigen.
Schön, dass du ein entsprechendes Buch gefunden hast und nocheinmal bestätigt bekommst, was ich dir ja auch bestätigt habe.

isohypse 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 09:32
@Ericdraven28

Da in diesem Modell alles stationär ist, sehe ich hier keinen Unterschied zwischen Windrichtung und Strömungsrichtung. Was meinst du damit?

Ericdraven28  01.09.2024, 09:59
@isohypse

Tut mir leid, aber jetzt wirds abstrus. Natürlich verändert sich die Strömungsrichtung in dem Modell ständig je nach Schicht. Das ist doch der Sinn dahinter. Durch diese Richtungswechsel (Rotation) der Strömung (Wind oder Wasser) entsteht doch auch, dass die Reibungskraft sich dreht - um das Kräftegleichgewicht bemüht. Lies doch bitte deinen eigenen Link (https://ucloud.univie.ac.at/index.php/s/wttRmEKgMEMo6po) , natürlich ist das nicht statisch.

isohypse 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 11:05
@Ericdraven28

Statisch ist, wenn es im Strömungsfeld keine partiellen Ableitungen nach der Zeit gibt. Im besprochenen Modell kommt Zeit nicht vor. Natürlich ist das ein statisches Feld. Statisch heißt ja nicht, dass sich räumlich nichts ändern darf. Oder du hast eine andere Definition des Begriffs. Was ist für dich der Unterschied zwischen Strömungsrichtung und Windrichung? Hier sind Trajektorien auch gleichzeitig Stromlinien. Unterschiede kann es nur im nicht statischen Fall geben - deshalb die Rückmeldung.

isohypse 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 11:10
@isohypse

Ich sehe gerade: ich meinte oben "stationär", nun reden wir über "statisch".

Ericdraven28  01.09.2024, 11:50
@isohypse

Ja, das ist schon richtig. Wenn die „stationäre, Ekmann-Spirale aufgebaut ist, ist sie statisch. Bis dahin ist sie dynamisch.
Nun, für mich ist das kein Unterschied aber du hast ja geschrieben: „Ich habe ehrlich gesagt nicht verstanden, was du in deiner Antwort mit "lokaler Windrichtung" meintest. Es gibt ja nur einen Wind.“ Und daher wollte ich weg von dem Begriff lokale Windrichtung hin zu lokaler Strömungsrichtung, sodass diese Missverständlichkeit beseitigt wird.

isohypse 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 12:34
@Ericdraven28

Ich kenne mich für meinen Teil nun aus. Was du hier meinst, verstehe ich zwar immer noch nicht, ist aber jetzt egal. Wahrscheinlich reden wir aneinander vorbei.

emm, naja, das ist halt so definiert, weil es nur dann relevant ist!

Im Stillstand ist die Reibung irrelevant! Sobald es zu einer Bewegung kommt, wirkt die Viskosität, aka 'Reibung', dieser Bewegung entgegen. Damit ist die Reibungskraft grundsätzlich antiparallel zur Bewegung!


Ericdraven28  30.08.2024, 20:54

Aber nicht zur Geschwindigkeit, es sei denn es wäre eine Couette-Strömung. Also ohne jede Wirbelbildung, o.ä.