Irrealis, Konjunktiv Latein?

2 Antworten

Hallo,

da sind einige Missverständnisse vorhanden - und ich befürchte, dass auch dein Vokabelwissen nicht das beste ist (aspicere, aspicio, aspexi, aspectum = erblicken, sehen).

Aber nähern wir uns mal dem Ganzen systematisch an:

Für die Verwendung des Konjunktivs ist es generell wichtig, dessen Verwendung im Hauptsatz klar von der Verwendung im Nebensatz zu trennen! Denn sehr oft wird ein Konjunktiv im Nebensatz gar nicht mit Konjunktiv übersetzt - das gilt zum Beispiel für alle konjunktivischen cum-Sätze und für konsekutive ut-Sätze (ut = sodass).

Als Irrealis kann der Konjunktiv im Hauptsatz und im Nebensatz (in der Regel si-Sätze) stehen und muss auch im Deutschen als Irrealis übersetzt werden. Dabei ist Konjunktiv Imperfekt Irrealis der Gegenwart und Konjunktiv Plusquamperfekt Irrealis der Vergangenheit. Um im Deutschen einen Irrealis auszudrücken, verwendest du Konjunkitiv II oder "würde". Beispiele:

Konjunktiv Imperfekt: vocarem = ich würde rufen, ich riefe ; vocaretur = er/sie/es würde gerufen ; esss = du würdest sein, du wär(e)st

Konjunktiv Plusquamperfekt: aspexissent = sie hätten erblickt ; fuissemus = wir wären gewesen ; aspecti esssent = sie wären erblickt worden

Das Tempus des Konjunktivs im Nebensatz hängt vom Tempus des übergeordneten Satzes und vom Zeitverhältnis zwischen Geschehen im Nebensatz und Geschehen übergeordneten Satz ab! Es gilt:

Steht das übergeordnete Verb im Präsens oder Futur, steht bei Gleichzeitigkeit Konjunktiv Präsens und bei Vorzeitigkeit Konjunktiv Perfekt.

Steht das übergeordnete Verb dagegen in einem Vergangenheitstempus (Perfekt, Imperfekt, Plusquamperfekt), steht bei Gleichzeitigkeit Konjunktiv Imperfekt und bei Vorzeitigkeit Konjunktiv Plusquamperfekt. Daher kann der Konjunktiv Imperfekt sehr wohl die Gleichzeitigkeit ausdrücken.

Merke: Die Funktionen der Tempora lassen sich nicht eins zu eins vom Indikativ auf den Konjunktiv übertragen! Das kannst du auch daran sehen, dass der Konjunktiv Imperfekt als Irrealis ein hypothetisches Gedankenspiel über etwas Gegenwärtiges oder Zukünftiges ausdrückt, aber nichts Vergangenes.

Konjunktivische ut-Sätze sind aufgrund ihrer Bedeutung in der Regel fast nie vorzeitig! Daher findest du in ut-Sätzen meist Konjunktiv Präsens oder Imperfekt. Kleine Ausnahme, die du aber nicht unbedingt kennen musst: In konsekutiven ut-Sätzen kann statt des Imperfekts ein Perfekt verwendet werden, wenn die Folge, die der ut-Satz ausdrückt, von der Gegenwart aus als historische Tatsache ausgedrückt werden soll.

Der Konjunktiv in ut-Sätzen kann bei Begehrsätzen oft mit einem Infinitiv im Deutschen wiedergegeben werden:

Oro te, ut venias. = Ich bitte dich zu kommen. (statt: Ich bitte dich, dass du kommst / kommen sollst.)

Saepe te rogabam, ne hoc faceres. = Oft bat ich, dies nicht zu tun. (statt: Oft bat ich dich, dass du das nicht tatest / tust / tun solltest ... )

Finale ut-Sätze, die du normalerweise mit "damit" übersetzt, solltest du mit "um zu + Infinitiv" übersetzen, wenn die Subjekte im Finalsatz und im übergeorndetn Satz identisch sind!

Vocabula disco, ne magister iratus sit. = Ich lerne Vokabeln, damit mein Lateinlehrer nicht wütend ist.

Vocabula didici, ut papae litteras Latinas mitterem. = Ich habe Vokabeln gelernt, um dem Papst lateinische Briefe zu schicken (* damit ich dem Papst lat. Briefe schicken konnte).

Sowohl in abhängigen Begehrsätzen als auch in Finalsatz kannst du oft zur Übersetzung des Konjunktivs ein Modalverb wie können oder sollen verwenden, dann übersetzt du den Konjunktiv ebenfalls nicht.

In cum-Sätzen darfst du den Konjunktiv nicht übersetzen! Tu einfach so, als stünde statt des Konjunktivs die entsprechende Zeit des Indikativs und übersetze die dann auch genau so, wie du die "normalen" indikativischen Formen übersetzen würdest:

Cum pyramidas videre vellem, iter in Aegyptum feci. = Weil ich die pyramiden sehen wollte, habe ich eine Reise nach Ägypten gemacht.

Caesar cum Cleopatram aspexisset, vehementi amore reginae captus est. - Nachdem Caesar Kleopatra erblickt hatte, verliebte er sich leidenschaftlich in die Königin (wörtlich: wurde er von heftiger Liebe zur Königin erfasst).

Cum me invitaveris, libenter ad convivium veniam. = Weil du mich eingeladen hast, werde ich gerne zur Party kommen.

Cum ego te semper adiuvem, tu mihi non adfuisti. = Obwohl ich dir immer helfe, hast du mir nicht geholfen.

Ich hoffe, das dir das jetzt klarer geworden ist. Hier noch zwei Links, wo du auch noch einmal nachlesen kannst:

https://taratalla.de/grammatik/index.php?a=satzlehre&z=A461

https://wachstafelngrammatik.de/index.php/uebersichten-neben/cum

https://wachstafelngrammatik.de/index.php/uebersichten-neben/ut

LG

Also erstmal würde es beim Irrealis der Gegenwart so lauten: Würdet ihr fliehen, würden sie euch verfolgen. Bei cum und ut sätzen übersetzt du den Konjunktiv nicht als Konjunktiv, sondern als Indikativ. Dort gibt es also keinen Irrealis der Vergangenheit oder der Gegenwart. Der Konjunktiv im Imperfekt ist übrigens so: Wenn jetzt etwas passieren würde, würde ….. getan werden.