ich will meinen verstorbenen Vater nicht vergessen! Wie kann ich ihn "bei mir halten"?

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Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich verstehe sehr gut, was Du meinst!

Du hast bisher mehrere Phasen durchlebt, was den Tod Deines Vaters anbetrifft.

Die erste Phase war, als Du noch ein Kind warst und den Tod Deines Vaters noch nicht richtig registrieren konntest.

Die zweite Phase war, als Du ein Teenager warst und die Begebenheit erst richtig realisieren konntest und sogenannte Trauerarbeit geleistet hast.

Die dritte Phase war (und ist noch!), dass Du die tiefe Trauer hinter Dir gelassen hast. Die Geschehnisse mit Deinem Vater rücken in Deinem Leben mehr in den Hintergrund und beschäftigen Dich nicht mehr allgegenwärtig bzw. täglich.

Das ist normal, und zwar erfreulicherweise normal! So soll es nämlich sein!

Wir entwickeln uns im Leben weiter und müssen die Vergangenheit los lassen können. Das soll nicht bedeuten, dass wir alles Erlebte vergessen sollen, aber es soll keine große Bedeutung mehr haben, weil wir uns neuen Dingen widmen müssen, die Zeit und Raum erfordern.

Ich bin sicher, dass Du Deinen verstorbenen Vater nie vergessen wirst, aber er wird nicht mehr jeden Tag übermächtig in Deiner Erinnerung sein, weil Du den neuen Anforderungen des Lebens gewachsen sein musst. Du wirst ihn aber immer "in Deinem Herzen tragen."


katwal  31.10.2011, 08:08

Danke für die Auszeichnung. Das freut mich.

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Liebe italia1992,

Das was Du schreibst ist nur sehr verständlich und nachvollziehbar. Als KInd konntest Du die Dimension des Sterbens, die Trauer nicht verarbeiten, weil Du , wie Du ja auch geschrieben hast, die Tragweite des Todes von Deinem Vater gar nicht fassen konntest. Das Du als 14-15 jährige/r dann wahrnimmst, welche Bedeutung der tod Deines Vaters hat, ist auch ziemlich bezeichnend für die Altersstufe, da junge Leute in diesem Alter sich noch einmal mit den Eltern, mit der Rolle der Elrtern auseinandersetzen. Klar ist natürlich, dass zu diesem Zeitpunkt der Schmerz über den Verlust und die Trauer zum Vorschein kommt.

Das Du so tapfer versucht hast die Trauer zu verarbeiten ist ersteinmal lobenswert und zeigt, das Du viel geschafft hast. Das Du jetzt dadruch mehr Abstand gewinnst, heißt jedoch lange nicht, dass Du ihn vergessen wirst. Die Trauer vor einiger Zeit beweißt.. egal wie Eure Beziehung war, dass er für Dich eine Bedeutung hat., vielleicht teils negativ, teils positiv. Aber auch dass ist eigendlich so, wie bei jedem anderen Jugendlichen in Deinem Alter. Beide Anteile positive Erinnerung / negative Erinnerung kannst Du für Dich festhalten. Schreibe sie auf, in ein Buch mit dem Titel "Papa". Wäge selbst ab, zu welchem Zeitpunkt Du dazu in der Lage bist. Schreibe Deinem Vater Briefe... mit den noch offenen Fragen und auch mit dem was Du ihm auf bereits beantwortete Fragen antworten würdest. Schreibe auf, was Du denkst, setze Dich schriftlich mit ihm auseinander.

Wenn Du das tust, bekommst Du vielleicht auch eine Idee für ein Symbol, für etwas, was stellvertretend für Deinem Vater in Deinem Leben einen Platz findet. Gehe auf die Suche danach. Das kann alles sein, Vorgaben will ich deshalb hier nicht machen, weil das nicht dem entsprechen würde, was Du an Vorstellungen entwickeln wirst und es soll Dein Symbol für Deinen Vater, für die Beziehung zu Deinem Vater sein... Auch wenn Du anfänglich nicht gleich die zündende Assoziation hast und nicht gleich ein Symbol ... sozusagen ... auf der Hand liegt, Du wirst es finden. Das ist dann etwas, das einen Platz in Deinem Zimmer haben kann oder an einem anderen Ort, den Du dafür aussuchst. ....

dann wirst Du wissen, vergessen wirst Du ihn nicht..... sei ganz sicher. Das Buch für Deinen Vater wird Dich auch begleiten und im Laufe der Zeit, wirst Du es vielleicht noch einmal aufschlagen, etwas nachlesen, hinzufügen, Fragen, die noch nicht beantwortet waren, beantworten. Du kannst dann jederzeit darauf zugreifen..... und so weiter etwas haben, wo Du die Ausseinandersetzung mit Deinem Vater aufrecht erhältst. Du kannst es aber auch getrost weglegen, wenn Du meinst, dass andere Dinge Dein Leben bestimmen.

Ich wünsche Dir alles Gute


Emelina  17.09.2011, 01:21

"Das Buch" ist eine gute, sehr hilfreiche Idee - DH!

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Hast du ein schlechtes Gewissen, weil du nicht mehr so viel weinst und leidest? Rede in ruhigen Zeiten mal mit ihm und erzähl ihm das. Ich denke, er würde dir sagen, dass es ihn froh macht, dass du dich nun der Welt wieder zuwendest und nicht dauernd trauerst. Und dass es im leid tut, dass er dir mit seiner Nähe so lange Schmerzen bereitet hat und er nun von etwas weiter weg zusehen möchte und sich jedesmal freut, wenn dir etwas gelingt und eine Amsel, einen Spatz, einen Hund oder ein anderes Tier zu dir sendet, das dir seine Freude darüber bringt oder Trost oder Wärme.


italia1992 
Beitragsersteller
 16.09.2011, 13:57

ja, manchmal habe ich wirklich ein schlechtes Gewissen... und gleichzeitig denke ich, sollte ich das nicht haben. schliesslich ist er freiwillig gegangen, er wollte nicht mehr bei uns sein. und das ist das was mich so wütent macht und verletzt. ich möchte sozusagen bei ihm sein, um ihm zu zeigen, dass ich ihn gebraucht hätte/brauche und es falsch war einfach zu gehen! und ich denke, wenn er nicht freiwillig gegangen wäre, wäre er jetzt noch bei mir. also muss er auch jetzt noch bei mir sein!

ich danke dir!

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Ich halte den größer werdenden Abstand für absolut gesund für Dich!

Vergessen wirst Du ihn niemals! Er gehört zu deiner Biographie! Untrennbar!

Vielleicht trägst Du eine Kette mit Amulett / Foto von ihm?

Alles Gute!

Liebe(r) Italia,

ja - das kenn ich gut, denn mein Vater starb auch vor einigen Jahren. Oft "rede" ich mit ihm - nicht an seinem Grab, denn das ist zu weit von mir entfernt und beherbergt ja nur seine sterbliche Hülle. Gern schaue ich mir Fotos an - vor allem die, die eine lustige Szene zeigen. Sehr gern benutze ich Gegenstände, die einst ihm gehörten. Simple Dinge, wie ein Feuerzeug oder Werkzeug. Es sind zwar "Erbstücke", werden aber dennoch verwendet - denn liegen sie nur zum anschauen herum, wären sie genauso tot, wie mein Dad.

Tja - das ist meine Strategie, damit umzugehen. Wäre schön, wenn sie Dir auch ein wenig helfen könnte.

Und - sei gewiss: Er IST bei Dir. Jeden Tag! Er wird es Dir nicht übelnehmen, wenn Du nicht ständig an ihn denkst.

Alles alles Gute!

Albelo