"Ich weiss, dass ich nichts weiss"

10 Antworten

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Philosophie ist nicht mit Vielwisserin gleichzusetzen. Ein Philosoph hat Liebe zur Weisheit, er strebt nach Wissen/Erkenntnis (zu grundlegenden Fragen). Etwas zu begehren, nach etwas zu streben, Sehnsucht nach etwas zu haben ist etwas anderes als es schon zu besitzen. Sokrates hat sich vor allem als Suchender verstanden. Er möchte Einsichten gewinnen. Er bemüht sich, zumindest ein Stück weit bei diesem Weg voranzukommen.

Der Satz „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ist eine gekürzte und ungenaue Wiedergabe. Platon, ein Schüler des Sokrates, hat in der Apologie (Verteidigungsrede des Sokrates), die keine wörtliche Mitschrift ist, sondern ein nach dem Gerichtsprozess geschriebenes literarisches Werk, eine Darstellung gegeben, in der Sokrates etwas über sich selbst aussagt. Wenn die Textstelle im Zusammenhang gelesen wird, wird viel verständlicher, was gemeint ist.

In der Aussage steht „nicht weiß“, nicht „nichts weiß“. Der Unterschied kann äußerlich klein wirken (nur ein einziger hinzugefügter Buchstabe), ist aber inhaltlich von großer Bedeutung.

a) Sokrates will nicht aussagen, er sei dumm oder völlig unwissend.

b) Das ausgesagte Nichtwissen ist nicht ganz allgemein und umfassend, sondern hat einen Bezug: Es geht darum, über etwas, worüber er kein Wissen hat, auch nicht zu glauben/meinen, etwas zu wissen.

c) Der Satz „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ergibt einen Widerspruch, weil dann der Aussagende einerseits behauptet, nichts zu wissen, andererseits jedoch eben dies als eigenes Wissen aussagt. Der Originalsatz enthält keine Aussage, überhaupt nichts zu wissen, und weist daher keine logische Unstimmigkeit auf.

Sokrates drückt in der Apologie des Platon mit seiner Aussage aus, Einsicht in Grenzen seines Wissens zu haben.

Chairephon, ein Freund des Sokrates, so erzählt er, befragte das Orakel des Gottes Apollon in Delphi, ob jemand weiser sei als Sokrates, und die Antwort war ein Nein. Sokrates, der sich ursprünglich nicht für weise hielt, hat im Gespräch geprüft, ob andere Menschen (insbesondere Handwerker, Dichter und Politiker) Wissen haben (dabei ging es um Fragen wie die nach dem Guten, der Gerechtigkeit, der Tapferkeit, der Besonnenheit und Ähnliches). Den Orakelspruch hat er schließlich so gedeutete, darin weise zu sein, sich der Grenzen seines Wissens bewußt zu sein und nicht ein bloß scheinbares Wissen für richtiges Wissen zu halten. Sein Name sei nur als Beispiel dafür genannt worden. Im Gegensatz zu anderen, die meinen, etwas zu wissen, es aber nicht wirklich tun, meine er auch nicht, über etwas wissend zu sein, worüber er kein Wissen hatte. Insofern hat er anderen etwas an Weisheit voraus.

Platon, Apologie 21 d sagt Sokrates nach einem prüfenden Gespräch mit einem Politiker:  

„Es scheint ja freilich keiner von uns beiden etwas Schönes und Gutes zu wissen, aber dieser meint, etwas zu wissen, ohne darüber ein Wissen zu haben, ich aber, wie ich eben nicht weiß, so meine ich es auch nicht. Ich scheine also wenigstens um ein kleines Stück weiser zu sein als er, daß ich, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen meine.“

Sokrates hatte die philosophische Haltung, etwas nicht einfach ungeprüft als sicheres Wissen gelten zu lassen und keine scheinbaren Selbstverständlichkeiten ohne Beweise zu übernehmen. Er stellte also vermeintliches Wissen in Frage und wies oft ein bloßes Scheinwissen nach. Eine Methode in seinen Gesprächen war, einen bloßen Anschein von Wissen durch Überprüfung als Nichtwissen nachzuweisen, um so über das Erkennen des Nichtwissens als erreichte Einsicht einen Weg zu wahrhafter Erkenntnis zu öffnen. Die erste Stufe ist die Entlarvung eines vermeintlichen Wissens als mangelhaft, auf der zweiten Stufe (falls der Gesprächspartner dazu bereit ist) findet ein Neuaufbau statt.


SANY3000  16.10.2020, 12:37

Respekt für diese großartige Antwort von dir und danke lieber Fontanefan, dass du Albrechts Beitrag auch auf deinem Blog veröffentlicht hast.

Mit den besten Grüßen

SANY3000

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Sokrates, nicht Sophokles. Aber: Nein. Er will damit sagen, dass es sehr viel gibt, das auch er nicht weiß, und dass man sein Leben lang immer neues lernen und erfahren und erkennen kann.



MimidieMaus 
Beitragsersteller
 16.03.2015, 21:22

Aber wieso sagt er, dass er nichts weiss, weil er weiss doch einiges.. z.B. Wie er heisst, wo er gelebt hat usw.. :D

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Pangaea  16.03.2015, 21:23
@MimidieMaus

Aber sein Wissen ist nichts gegen das, was es sonst noch zu wissen geben könnte.

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vandx  17.03.2015, 14:33

Will er nicht. Ihm geht es darum, dass er sich keiner Sache vollends gewiss sein kann.

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es ist philosophisch zu verstehen!!

jeder denkt er weis irgend was, jedoch tatsache ist das man darüber garnichts weis über die warheit! Jeder denkt sogar man weis wie die dinge gehen im universum und wie es entstanden ist etc., tatsache das man darüber gar nichts weis, deshalb die aussage, erst wen du zu diesem punkt kommst und auch dir selber eingestehen kannst wie begrenzt dein eigenes wissen ist, kannst du wirkliches wissen empfangen!

oder denkst du kannst gott und seine Schöpfung verstehen??? Das denkt heute 99% das es möglich ist und versuchen es eifrig gott oder seine Schöpfung und Entstehung zu verstehen! oder denken sogar sie wüsten es, eigentlich wie erbärmlich! Sie sollten sie diesen satz zum beispiel nehmen von einem weisen man!!!!

Die Frage wäre doch an DICH gerichtet!ALSO warum weißt du nicht,was SOKRATES wußte,obwohl dein/unserer Bildungstand doch HEUTE weiter sein müßte?UND PHILOPh ist doch kein BERUF,sondern viel mehr ein TITEL über eine Fähigkeit,die jeder Erwachsene beherschen müßte,denn behersche ich es nicht oder noch nicht,bin ich nicht erwachsen,auch wenn in meinem/deinem Ausweiß evtl  21 oder 45 oder oder steht!Philosopieren kann nicht erlernen,genauso nicht wie logisches DENKEN,obwohl eigentlich beiders das SELBE ist...

Wenn du an dem Punkt,also angekommen bist,dass du im grundegenommen nichts weißt,sei dir gewiß,es kann jetzt nur noch bergauf gehen-bergauf zu denen,die vorher da waren,wo du jetzt bist.aber auch auf dich warten und sich auf dich freuen....

Er will damit sagen , dass er das einzige was er jetzt in dieser Situation weiß , nichts ist :) Besser kann an es nicht erklären denke ich o.0

Gruß Lukas