Hölle/Sheol?


15.06.2024, 14:12

Wie ist es dazu gekommen das im Christentum eine Hölle gibt und im Judentum nicht, auch wenn das Christentum vom Judentum kommt ?

11 Antworten

Im Judentum gibt es keine Hölle.

Im heutigen Judentum gibt es keine Hölle, das war aber nicht immer so.

Wie ist es dazu gekommen das im Christentum eine Hölle gibt und im Judentum nicht, auch wenn das Christentum vom Judentum kommt ?

Die Idee einer ewigen Strafe im Jenseits entwickelte sich spätestens im 3.Jhdt vChr, sie findet sich in Schriften die wir heute der „frühjüdischen Apokalyptik“ zuordnen und deren Vorstellungen von der Hölle Grundlage für das Christentum und für das Neue Testament wurde.

Das rabbinische Judentum, das ab Ende des 1.Jhdt’s nChr entstand und heute die Mehrheit der jüdischen Glaubensrichtungen bildet, hat weitesgehend alles apokalyptische abgelehnt und ihre Schriften nicht kanonisiert, da sie deren Ideen (zurecht) für mitursächlich für die Katastrophe des jüdischen Kriegs 66-70 nChr hielten, mitsamt der Zerstörung Jerusalem inkl des Tempels.

Habe gehört das im Christentum auch keine Hölle gibt .

Viele Christen haben Probleme damit eine ewige Strafe von Feuerqualen mit einem liebenden Gott der Gnade zusammenzubringen, obwohl beides in der Bibel steht.

Hallo MrCrazy123,

weder im Judentum, noch im wirklichen Christentum gibt es eine Hölle! Warum kann man das mit Sicherheit sagen?

Nun, das Wort "Hölle" erscheint zwar noch immer in etlichen Bibelübersetzungen, doch werden damit die zugrundeliegenden Wörter "scheol" (hebräisch), "hades" (griechisch) und "gehenna" (griechisch-lateinisch) aus den ursprünglichen Texten der Bibel nicht korrekt wiedergegeben.

Das in den Ursprungstexten vorkommende hebräische Wort "scheol" (Altes Testament) und seine griechische Entsprechung "hades" (Neues Testament) kommen dort etwa 70-mal vor. Diese Wörter stehen jedoch immer mit Tod in Verbindung, nicht mit einem Weiterleben nach dem Tod.

So heißt es beispielsweise in dem Bibelbuch Prediger über den Zustand der Toten: " Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, aber die Toten wissen gar nichts, auch bekommen sie keine Belohnung mehr, weil jede Erinnerung an sie in Vergessenheit geraten ist. Alles, was du tun kannst, das tu mit deiner ganzen Kraft, denn es gibt weder Tun noch Planen noch Wissen noch Weisheit im Grab, dort, wohin du gehst“ (Prediger 9:5,10).

Das an dieser Stelle unübersetzt gelassene Wort "Scheol" bedeutet nichts anders als das allgemeine Grab der Menschen, ein sinnbildlicher Ort, an dem ein großer Teil der Menschen im Tod schläft. Beachte bitte auch, dass dieser Text am Anfang sagt, dass die Toten ohne Bewusstsein sind. Eine Qual durch eine Feuerhölle setzt jedoch ein Bewusstsein desjenigen voraus, der gequält wird.

Dass mit dem Begriff "scheol" nicht die Hölle, sondern das Grab gemeint ist, zeigt auch ein Text aus dem Bibelbuch Hiob. Dort bringt der von einem schlimmen Leiden geplagte Hiob seinen Wunsch nach Erleichterung wie folgt zum Ausdruck: "Ach, würdest du mich doch nur im Grab verbergen, würdest du mich doch nur verstecken, bis dein Zorn vorbei ist, würdest du mir doch nur eine Frist setzen und dich an mich erinnern!" (Hiob 14:13).

In einigen Bibelübersetzungen wird an dieser Stelle das Wort "Hölle" verwendet. Doch ist es vorstellbar, dass sich Hiob, der bereits viel Schlimmes hinter sich hatte und an schmerzhaften, entzündlichen Geschwüren litt, sich an einen Ort wünschte, an dem seine Qualen noch vergrößert würden? War es nicht vielmehr sein inniger Wunsch zu sterben, um so von seinen Qualen befreit zu werden? Somit bringt auch dieser Text sehr deutlich zum Ausdruck, dass die Bedeutung von "scheol" nichts anderes als das Grab ist.

Die anderen Fragen, die Du hier stellst, würde ich zwar auch gern beantworten, fürchte aber, dass der Text dann viel zu lang würde. Wenn Du aber an weiteren Antworten interessiert bist, kannst Du mir gern eine Freundschaftsanfrage schicken.

LG Philipp

Von Experte Neugier4711 bestätigt

Gute Frage, das hängt meiner Einschätzung nach mit der "apokalyptischen" Tradition zusammen, die schon mit dem Äthiopischen Henochbuch beginnt. Das wurde zwar nicht in die Bibel aufgenommen, zeigt aber als erste Schrift so etwas ähnliches wie eine "Hölle".

"Im äthiopischen Henochbuch erscheint erstmals im jüdischen Kulturraum eine ausführliche Beschreibung des Himmels sowie des Totenreichs, das nicht mit der Hölle zu verwechseln ist. Vielmehr kommt Henoch bei seiner Himmelsreise an schrecklichen Orten vorbei, wo die gefallenen Engel gefangen gehalten werden (1 Hen 21). Diese Beschreibungen haben vermutlich sowohl im Christentum als auch im Islam die Lehre von Himmel und Hölle beeinflusst und wurden in diesem Fall jeweils entsprechend weiter ausgeschmückt. Der Tanach kennt diese Form der Hölle nicht.[9]"

Äthiopisches Henochbuch – Wikipedia

Diese apokalyptische Tradition zeigt sich im NT am deutlichsten bei der Apokalypse des Johannes (oder "Offenbarung des Johannes").

Zum anderen ist auch noch interessant, dass das Wort "Hölle" selber germanischen Ursprungs ist (so wie englisch "hell" oder schwedisch "helvete"). Die Hél war in der germanischen Vorstellung ein weibliches Wesen, welche über eine Art Unterwelt herrscht, diese wurde aber als kalt und einsam beschrieben (nicht mit Hitze).

In der Edda ist die Rede von "at sölum Heljar" (in den Sälen der Hél).
Interessant ist die Zusammensetzung hel + vete im Schwedischen (auch finnisch "helvetti" gehört dazu), das Wort vete entspricht dem isländischen Wort Víti, damit wurden Vulkankrater bezeichnet.

Víti (Askja) – Wikipedia

Hatte man früher jemanden verwünscht, sagte man nicht, "fahr zur Hölle", sondern zum Beispiel "dra åt Häcklefjäll" "fahr zur Hekla", die Hekla ist ein Vulkan im Süden Islands (ich war auch mal dort, normalerweise ist dies eine kalte und öde und dunkle Gegend, und nur wenn der Vulkan mal ausbricht, sieht man eben Lava).

Island wurde besiedelt, als das Christentum im Norden schon bekannt war.
Und die Leute assoziierten die "Feuerhölle" des NT mit den Vulkanen, die man dort eben antraf - dies erschien naheliegend.

Althochdeutsche Schriften (und von denen gibt es kaum mehr als eine Handvoll) zeigen mitunter eine interessante Mischung germanischer und christlicher Vorstellungen - im "Muspilli" wird dies gezeigt. Der Text ist zwar christlich, verwendet aber immer wieder Formulierungen und Vorstellungen, die es auch schon früher in der germanischen Mythologie gab.

In der Bibel taucht das Wort Hölle nicht auf, erst in der deutschen (oder schwedischen/englischen...) Übersetzung. Die Bibel nutzt oft das Wort "Gehenna", damit war aber ein sehr irdisches Tal gemeint, Ge Hinnom, das Tal von Hinnom, das es auch heute noch gibt.

In der Vulgata steht meines Wissens nach "infernum" (italienisch "inferno").
Durch Dante Alighieri ("Die Göttliche Komödie") wurde die Hölle auch literarisch sehr berühmt.

Der Tanach kennt all dies nicht (nur "Sheol"). Sheol hat aber eher den Charakter der Unterwelt so wie sie auch in der vorchristlichen nordgermanischen Mythologie gedacht wurde. Denn Göttersohn Baldur kam auch zur Hél (ohne dass er "böse" gewesen wäre, alle kamen dorthin nach dem Tod, außer die, welche in einer Schlacht gefallen sind, diese wurden nach Valhall geführt). Eine Unterwelt war dies zwar auch, aber ohne "Bestrafungscharakter", vielmehr war Valhall eine besondere Belohnung für diejenigen, die tapfer gekämpft hatten.

Ja natürlich spricht das Neue Testament von der Hölle. Das Wort im griechischen Text lautet "Gehenna", was mit "Hölle" übersetzt wird. Zwei verschiedene Bezeichnungen, der ein und derselbe Ort und Zustand.

Im Tanach, also in der Heiligen Schrift der Juden, gleich dem Alten Testament der Bibel, steht durchaus:

"Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen; die einen zum ewigen Leben, die anderen zur ewigen Schmach und Schande" (Daniel 12,2).

Was die Bibel insgesamt zu diesem Thema sagt, wird hier recht gut erklärt:

https://www.youtube.com/watch?v=WdoB2P_YiWc