Hatte ein Reichspräsident Artikel 48 eingesetzt?

1 Antwort

Von Experte Neugier4711 bestätigt

Beide Reichspräsidenten in der Zeit der Weimarer Republik, Friedrich Ebert und Paul von Hindenburg, haben von der in Artikel 48 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (Verfassung der Weimarer Republik) enthaltenen Befugnis des Reichspräsidenten, zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötige Maßnahmen zu treffen, Gebrauch gemacht.

Adolf Hitler hat erst nach dem Tod Hindenburgs am 2. August 1934 dessen Amt als Staatsoberhaupt übernommen und trug danach nicht die Bezeichnung „Reichspräsident“, sondern „Führer und Reichskanzler“.

Die Anwendung von Artikel 48 bedeutete nicht notwendig ein Einschneiden in Grundrechte. Artikel 48 Absatz 2 enthielt die Möglichkeit, die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 enthaltenen Grundrechte vorübergehend ganz oder zum Teil außer Kraft setzen. Damit durften die persönliche Freiheit, das Recht der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, das Vereins- und Versammlungsrecht, das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis sowie das Eigentums auch außerhalb der sonstigen gesetzlichen Grenzen eingeschränkt werden. Es gab aber auch Anwendungen von Artikel 48 Absatz 2, die eine Notverordnung erließen, aber keine Einschränkungen von Grundrechten enthielten.

Eine Auflistung der Anwendungen von Artikel 48 Absatz 2 enthält:

 http://www.documentarchiv.de/da/fs-notverordnungen_reichspraesident.html

Friedrich Ebert hat 1919 – 1922 manchmal Artikel 48 Absatz 2 auch mit Einschränkungen von Grundrechten eingesetzt, danach nicht mehr. Dabei waren bestimmte Gebiete Deutschlands betroffen. Hintergrund waren bewaffnete Aufstände, Putschversuche und Grenzkämpfe.

Paul von Hindenburg hat Einschränkungen von Grundrechten auch in ganz Deutschland vorgenommen.

Die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des inneren Friedens“ vom 17. März 1932 verbot in der Osterzeit (20. März 1932 bis 3. April 1932) öffentliche politische Veranstaltungen sowie alle politischen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel und jede Art der öffentlichen Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften politischen Inhalts.

Die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ (»Reichstagsbrandverordnung«) vom 28. Februar 1933 setzte die genannten Grundrechte (Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153) „bis auf weiteres außer Kraft“. Reichskanzler war zu dieser Zeit bereits Adolf Hitler. Tatsächlich ist diese Ausnahmezustandsbestimmung bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft nicht beendet worden.


Sasimperator 
Beitragsersteller
 25.11.2023, 19:22

Hey, danke dir für die ausführliche Antwort, du hast mir sehr weiter geholfen

1