Hat jemand interpretationsansätze?
Schnee im Büro
Eine gewisse Sehnsucht nach Palmen. Hier ist es kalt, aber nicht nur. Deine Küsse am Morgen sind wenig, später sitze ich acht Stunden hier im Büro. Auch du bist eingesperrt, und wir dürfen nicht miteinander telefonieren. Den Hörer abnehmen und lauschen? Telefon, warum schlägt dein Puls nur für andere? Jemand fragt: "Wie geht’s?", wartet die Antwort nicht ab und ist aus dem Zimmer. Was kann Liebe bewegen? Ich berechne Preise und werde berechnet. All die Ersatzteile, die Kesselglieder, Ölbrenner, sie gehen durch meinen Kopf als Zahlen, weiter nichts. Und ich gehe durch jemand hindurch als Zahl. Aber am Abend komme ich zu dir mit allem, was ich bin. Lese von Wissenschaftlern: auch die Liebe ist ein Produktionsverhältnis. Und wo sind die Palmen? Die Palmen zeigen sich am Strand einer Ansichtskarte, wir liegen auf dem Rücken und betrachten sie. Am Morgen kehren wir ins Büro zurück, jeder an seinen Platz. Er hat eine Nummer, wie das Telefon.
5 Antworten
Ansatz: Anonymität und Funktion vs. Individualität. Kälte vs. Wärme. Einsam vs. gemeinsam. Sehnsucht.
Das Gegensatzpaar: "Schnee" im Büro - Palmen im Kopf.
Die Larmoyanz. Die Resignation. Das "WIR", das nicht reicht.
Gruß, earnest
Man sollte aus diesem Gedicht als erstes den Jammerton rausnehmen.
Das barmt ja Zeile für Zeile wie die Nachkriegsliteratur von Borchert.
Entfremdung, der Mensch als angeblich fremdgesteuertes Wesen.
Selbst die Liebe erscheint nur als vage Hoffnung, auch sie ist in Frage gestellt.
Klage- und Jammerton, der keinen Ausweg öffnet.
Da ist jemand urlaubsreif...^^
Ich habe inzwischen den Autor gegoogelt.
Mir kommt der Text vor, als schreibe hier jemand, der sich auch die Arbeitswelt nur in seinem Kopf vorstellt: Büro im Kopf.
"Auch Liebe ist ein Produktionsverhältnis": vermurxter Marx?
(Der Sprecher scheint das NICHT ironisch oder selbstironisch gemeint zu haben.)