Hat Deutschland im europäischen Vergleich eher weniger Altbauten (relativ)?

3 Antworten

Ich kann deinen Text zum größten Teil unterstreichen. Noch in meiner Kindheit wurde wundervolle Architektur einfach weg gerissen. Eine "autogerechte Stadt" sollte entstehen. Die wenigen Reste der Altstadt wurden fast vollständig damals beseitigt. Heute besteht die Altstadt aus zwei bis drei Straßenzügen.

Du hast völlig recht, in Polen hat man die Altstädte wieder neu rekonstruiert. Du hast Warschau zu recht erwähnt, denn das wurde gleich nach dem Krieg nach Gemälden von Canaletto rekonstruiert.

Bei Kaliningrad gebe ich dir auch recht, die Stadt hat ihr altes Gesicht verloren.

Eine orginal mittelalterliche Deutsche Stadt ist Sibiu in Siebenbürgen. Falls du dort noch nicht warst, lohnt sich ein Direktflug dorthin.

In Großbritannien gab es relativ geringe Kriegsschäden, wie auch in Belgien, sodass die Altstädte erhalten blieben.

Mir geht es bei der Architektur wie dir, ich mag die Vielfältigkeit und besichtige super gerne Altstädte. Von Tallinn war ich begeistert, weil ich es nicht erwartet hatte. Da ist auch noch die Lage ideal auf einem Felsvorsprung direkt an der Ostsee.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

reisenundfilme 
Beitragsersteller
 25.08.2024, 02:52

Der Tipp ist gut. In Sibiu war ich noch nicht. Rumänien steht sowieso noch auf dem Programm, aber das ging dieses Jahr aus zeitlichen Gründen nicht. In Tallinn war ich damals mal mit meinen Eltern. Die Altstadt ist mir sehr positiv in Erinnerung geblieben.

Neugier4711  25.08.2024, 02:58
@reisenundfilme

Freut mich, Sibiu besitzt noch die alte Stadtmauer und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind in rumänisch und deutsch beschriftet. An der Uni gibt es sogar Vorträge in deutsch und eine deutsche Handwerkergilde ist sogar noch aktiv.

Es ist schon etwas besonderes, wenn man im Geschäft versucht, sich auf englisch verständlich zu machen und dann in fließenden deutsch geantwortet wird.

Die Kirchenburgen sind ebenfalls höchst interessant, da hatte ich leider nur die Zeit, zwei von zu besichtigen.

reisenundfilme 
Beitragsersteller
 25.08.2024, 03:04
@Neugier4711

Das klingt sehr interessant. Und natürlich ist es auch angenehm, wenn man sich auch auf Deutsch verständigen kann. Das werden wir sicherlich mitnehmen, wenn wir in Rumänien sind.

Neugier4711  25.08.2024, 03:12
@reisenundfilme

Wenn ihr zum Donaudelta kommt (dort ist mehr Tourismus, als an den anderen Stellen) lohnt in Tulcea das Donaudeltamuseum als Vorabinformation https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-versicherte-mit-wohnsitz-im-ausland/versicherungspflicht/grenzgaengerinnen-ch.html

Mir hat Rumänien so gut gefallen, dass ich daraufhin in Moldawien Urlaub gemacht habe. Architektonisch bietet Moldawien jedoch relativ wenig. Es gibt jedoch sehr schöne Parkanlagen in der Hauptstadt.

Nur in den Städten, die vom Krieg relativ verschont wurden. Der Rest wurde ja quasi pulverisiert, und nach dem Krieg musste schnell wieder neuer Wohnraum her. Da konnte man wenig Rücksicht auf die Architektur und alte Gebäude nehmen.

Schau Dir Paris an, dann bekommst Du in etwa eine Idee, wie Berlin heute aussehen könnte, wenn Hitler nicht an die Macht gekommen wäre.

Aber auch mit ihm und ohne Krieg wäre Berlin heute wohl eher eine Betonwüste, wenn er sein Germania-Projekt hätte durchziehen können. Dafür wollte er auch ganze Stadtteile dem Erdboden gleich machen und alles neu bauen.

Vielleicht wären aber auch so schon viele Häuser des 19. Jahrhunderts in den letzten 100 Jahren mittlerweile Modernisierung und gentrifizierung zum Opfer gefallen.


maviba25  02.09.2024, 20:14

Wenn Du noch nicht da warst, könntest du dir aber mal Heidelberg anschauen.
Hat zwar auch einiges abbekommen, aber zumindest die Altstadt wurde nach dem Krieg wieder einigermaßen restauriert.

Die altstadt ist wirklich wunderschön. der Rest, besonders die neue Bahnstadt, eher weniger.

In Relation zum Gesamtbestand aller Gebäude wahrscheinlich weniger als Frankreich, Italien oder Großbritannien, weil dort die Kriegsschäden geringer waren. Aber in Vergleich zu Osteuropa, den USA und anderen Teilen der Welt ist der Anteil bestimmt höher.

Und in absoluten Zahlen der vor 1918 errichteten Gebäude würde ich sogar behaupten, dass Deutschland hier Weltspitze ist. Das Land hatte damals die meisten Einwohner und den größten Gebäudebestand der westlichen Welt. Und auch wenn man die Kriegsschäden abzieht, gibt es hierzulande wahrscheinlich zahlenmäßig mehr alte Gebäude als in allen anderen europäischen Ländern sowie den USA.


reisenundfilme 
Beitragsersteller
 25.08.2024, 04:27

Die absoluten Zahlen wären tatsächlich auch sehr interessant im Vergleich.

Ich hatte mal eine Statistik gesehen, bei der ich aber nicht mehr weiß, um was für eine Kategorie es ging, kann sein, dass es Wohnungen waren. Da war ich damals erstaunt, wie wenige Menschen in Deutschland in Gebäuden leben, die 1918 oder früher errichtet wurden. Kann sein, dass es nur 17 Prozent oder so sind. Das weiß ich nicht mehr genau. Ich habe aber mal überlegt, wo die Leute so leben, die man kennt. Und tatsächlich lebt die Mehrzahl wahrscheinlich in Einfamilienhäusern oder Nachkriegsmehrfamilienhäusern.

Ich hatte auch mal eine Statistik zum Alter der Gebäude in Paris gefunden (durchaus schon knapp 30 Jahre alt). Paris hat einen sehr hohen Altbaubestand, wobei es auch viele neuere Gebäude dort gibt. Die Zahlen habe ich nicht mehr genau in Kopf, aber kann sein, dass ein Drittel aus der Zeit bis ca. 1870 stammt.

barfussjim  25.08.2024, 04:47
@reisenundfilme

Paris ist ein Sonderfall, da nur das historische Zentrum innerhalb des Autobahnrings verwaltungstechnisch Paris ist. D. h. alle jenseits davon liegenden Vororte mit ihren Neubauten gehören nicht dazu. Dass ein Drittel der Stadt älter ist als 1870 ist, kann ich mir jedoch trotzdem nicht vorstellen. Um diese Zeit wurden große Teile der mittelalterlichen Stadt abgerissen und durch die Boulevards samt angrenzenden Vierteln ersetzt. Aus älterer Zeit stammen hauptsächlich nur noch große Baudenkmäler und wenige ältere Wohnquartiere.

reisenundfilme 
Beitragsersteller
 25.08.2024, 08:45
@barfussjim

Ich weiß, dass nur ein sehr kleiner Teil Paris ist, aber ich zähle nur den Teil zur Stadt, der formal zur Stadt gehört, also innerhalb der Stadtgrenze liegt, denn die ist eindeutig. Die ideale Stadt hätte als Ergänzung auch schöne Vororte außerhalb der Stadtgrenze. Das Berlin aus der Kaiserzeit mit Potsdam als Vorort, alles in saniertem Zustand, wäre ein perfektes Beispiel. Der Abriss der mittelalterlichen Bebauung von Paris und der Bau der Boulevards und Haussmann-Gebäude begann bereits vor 1870. Das erklärt dann wahrscheinlich auch den großen Bestand an Gebäuden, die älter sind. Paris wurde etwas früher umgestaltet, bevor es in Deutschland zu großflächigen Gründerzeitbebauungen kam.