Habe Sex mit ihm, aber keine innere Verbindung, was ist das?
Meinen Freund kenne ich nun schon 5 Jahre (!), die meiste Zeit waren wir Kollegen und ich habe seine freundliche und umgängliche Art geschätzt. Allerdings war er auch zeitweilig mein Chef, wenn der „Oberboss“ nicht da war, außerdem erteilte er Weisungen, teilte Arbeit ein etc., er ist der Stellvertreter.
Manchmal musste ich auch die sogenannte „Kröte“ schlucken, wenn etwas eben einfach so geregelt werden musste.
Im Kollegenkreis ist er deswegen nicht gerade der Beliebteste, es trifft nicht nur mich, sondern die anderen eben auch (Branche Paketzustellung).
Nun sind wir seit etwa 4 Monaten richtig zusammen, er hat seine Frau verlassen, sicher nicht nur wegen mir, es hat daheim schon länger gekriselt. Die meiste Zeit wohnt er bei mir, tageweise fährt er in seinen „alten“ Wohnort, wo er bei seinen Eltern eine eigene kleine Wohnung hat. Soweit alles gut.
Problem ist, irgendwie ist und bleibt er vorgesetzter Kollege. Ich mache bei mir alles hübsch und glatt, ordentlich, irgendwie versuche ich wohl ein Bild zu wahren. Nun bin ich nicht total anders, als ich mich gebe, aber ich bin auch nicht unbefangen „ich“.
Und wir haben zwar Sex, sprechen viele persönliche Themen an, aber ich habe den Eindruck, ich finde in ihm nicht „meine Resonanz“, den Anker, den ich für Vertrauen suche. Dagegen existiert noch ein alter Bekannter, um den ich jedoch einen großen Bogen mache, weil ich weiß, dass ich bei ihm emotional im Eisschrank lande, aber paradoxer Weise habe ich bei dem das Gefühl, wir sind vom gleichen „Stern“. Irgendwie hat er die gleichen Interessen, das gleiche Tempo, einen ähnlichen Job, guten Humor, bloß emotional, was Sex angeht, komplette Fehlanzeige.
Der will mich bei sich wohnen haben, am besten neben ihm liegen, aber ums Verrecken kein Sex. Ich hab mir schon den Kopf zermartert, was das sein soll, Kostenminimierung, ich als Gesellschafterin und Haushaltshilfe (denn was die Pflege der eigen Vier Wände angeht, ist er ein Totalausfall), der einzige Vorteil für mich wäre billig wohnen und gemeinsame Freizeitgestaltung unter Ausschluss meiner Kinder (der Ausschluss meiner Kinder ist aber für mich ein dicker Nachteil!).
Er hat keine Kinder, so gut wie nie gewollt, findet sie lästig und will am besten nichts davon hören, aber weiß der Teufel, warum ich ihn mag und mich ihm verbunden fühle. Er hat irgendwas, eben diese „Resonanz“, in der ich etwas finde, wie bei mir.
Genau das, was mir bei meiner aktuellen Beziehung fehlt. Es fühlt sich trotz Sex unverbunden an. Er erscheint mir zu streng, zu ehrgeizig, zu ambitioniert. Ich werde für mein gutes Aussehen gelobt, das fühlt sich für mich nicht gut an, ich fühle mich unter Druck gesetzt, ich soll fit sein, lange Fahrradstrecken bewältigen, kann ich, aber mir wird es zuviel. Nach der Arbeit bin ich oft platt und wünsch mir Ruhe, er startet dann nochmal mit einer kleinen Fahrradtour (z.Zt. bin ich noch krank geschrieben), daher mach ich das problemlos mit, aber wenn ich wieder arbeite, wird mir das zuviel. Er meint, er muss hierhin und dorthin und noch ein Besuch und noch ein Geburtstag besuchen, ich bin da eher der introvertierte Familienmensch.
In meiner kranken Zeit, ich hatte Rücken- und Knieschmerzen, hat er mich doch zu Spaziergängen, Radtouren, Wanderungen usw. „bewegt“, vielleicht auch in Sorge, dass ich wieder fit werde und bleibe, aber es war grenzwertig, manchmal fast kontraproduktiv. Als ich starke Rückenschmerzen hatte, war er mehrere Tage nicht da, da habe ich mich in meiner Verzweiflung zu meinem „kein Sex“-Mensch geflüchtet, weil ich dort die richtige Behandlung und Wellenlänge gefunden habe, zumindest zeitweilig.
Ich hab auch schon angesprochen, dass mir sein „Aktivitätslevel“ eine Nummer zu hoch ist, angeblich alles kein Problem, was ich nicht glauben kann.
In der Firma soll niemand merken, dass wir zusammen sind, die ganze Situation macht mir Probleme.
Wahrscheinlich sind beide nicht das Richtige, aber wieso bekomme ich mit dem Menschen, der doch „vernünftig“ der „bessere“ sein sollte, einfach keinen Draht?
Ich lese viel und gern, er garnicht groß, liest sogar recht stockend (zu meinem Schrecken). Nörgelt, dass ich ja meine Bücher gar nicht gelesen hätte - teils/teils, aber manche bricht man im Verlauf ab, wenn man merkt, es ist nicht so, wie gedacht, ansonsten lese ich viel und gern. Aber das ist ein Nebenschauplatz.
Sind wir doch zu verschieden, liegt es daran?
3 Antworten
Hallo Walnussen,
lass mich das Thema mal allgemein betrachten.
Meiner Beobachtung nach hat unsere Gesellschaft in vielen Dingen, die dann auch ineinandergreifen, noch viel Luft nach oben.
Sexualität finden wir sehr häufig im Folgen eigener Bedürfnisse, wobei sich die Menschen gegenseitig dazu instrumentalisieren. Da mag sich schnell eine Abhängigkeit unterstellen, wenn die beiden Menschen sich in einer Hiearchie befinden.
Beides, der sexuelle Anspruch wie die Hierarchien sind in meinen Augen menschliche Archaiken, die in einer aufgeklärten Gesellschaft längst hätten überwunden sein können. Doch gibt es viele Menschen, die in beidem ihren eigenen Bedürfnissen mehr Aufmerksamkeit schenken, als einem Gemeinsamen, was man auf Augenhöhe miteinander teilen kann und darf.
In dem archaischen Prinzip wird zwischen Menschen auf unterschiedlichen Hierarchiestufen eher ein Abstand gewahrt, der die größte Nähe in Sexualität gleich ausschließt. Auch mag eine Person denken - oder es unterbewusst sein - dass die andere denkt, sie würde instumentalisiert werden. Umgekehrt mag eine Person wegen der möglichen beabsichtigten Instrumentalisierung Sexualität vermeiden.
Dazu kommt noch die Archaik, sich die jeweils optimalen Fortpflanzungspartner*innen zu wählen. Das strahlt in die Sexualität als klassisches Mittel zur Fortpflanzung bewusst oder auch unterbewusst ein.
Um überhaupt eine Augenhöhe schon mal zu schaffen, dürften jegliche Attitudes zu eigenen Bedürfnissen wegfallen. Damit würden sich die Menschen nicht mehr instrumentalisieren sondern in Einheit das Gemeinsame leben.
Steht diese Einheit schon mal im Raum, erlaubt sie es, auch Hierarchien zu überwinden: es wäre ja niemand dadurch benachteiligt oder bevorteilt.
Such mal das Gespräch: redet darüber, ob Ihr Erwartungshaltungen und eigene Bedürfnisse einander - zu Sexualität - habt, und räumt diese gern aus. Macht Euch gern bewusst, das Sexualität in der größtmöglichen Nähe, die Menschen zueinander haben können, ein Moment der Einheit ist. Wo es dann noch gemeinsame und miteinander geteilte Fülle (z.B. in den Momenten und Gefühlen) gibt, sind wir schon bei der Liebe im universalen Sinne. Diese geht weit über das, was landläufig und auch häufig moralistisch darunter verstanden wird, hinaus.
Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen
Vielen Dank, ich glaube Du beleuchtest die Einstellung meines sexlosen Bekannten, der esoterisch interessiert ist und eine Vorstellung von umfassender geistiger Liebe hat.
Nur ich bin ziemlich fest in meiner Biologie verankert und denke durchaus, dass Bedürfnisse auf beiden Seiten bestehen und sein dürfen, ohne dass man sich deswegen instrumentalisiert oder ich den anderen als Mittel zum Zweck benutze.
Ich möchte fair und dem anderen ein guter Partner sein.
Damit man sich in einer Beziehung wohl fühlt, sollten wichtige Bedürfnisse erfüllt werden können. Sex ist eins, menschliche Verbundenheit schätze ich ebenso. Beides gehört für mich zusammen.
Der Körper braucht seinen Teil, aber man ist ja kein kopfloses Instinktwesen, ich bin der Meinung, beides gehört in Einklang gebracht. Liebe und Sex sollten nicht getrennt sein.
aber weiß der Teufel, warum
*Aufplopp*
Das ist eine häufige Differenz, die zu beobachten ist und zum fremdgehen geschaffen ist. Seelische Verbundenheit oder Hurerei, aber beides zusammen ist scheinbar nicht zu haben. Das ist auch eine innere Gespaltenheit. Das Männerbild ist nicht eindeutig.
Switche nicht, oder sprich offen und öffnet eure was auch immer das sein soll. Einer versteht dich, der andere besudelt dich.
*Puff weg* (wie zweideutig)
Nun, das Verächtliche betrifft nicht den Sex, sondern das betrügen das offenbar sein muss, bevor jemand weiß, was er will.
Vielleicht.
Meinem Freund habe ich gesagt, er soll zu seiner Frau, weil, wenn man viele Jahre gemeinsam war, Kinder, Erinnerungen, im Affekt („nein, ich will nicht mehr“), kann man anfangs nicht erfassen, welch großes Kapitel seines Lebens man da schließt. Irgendwie läuft das Fass über, vielleicht ist ja auch der „Ofen aus“. Das ist schon etwas Einschneidendes, was das ganze Leben erschüttert, auch bei dem, der geht.
Ich würde mir dann sagen, es war eine Affäre, es war schön die Zeit mit ihm, aber jetzt ist es vorbei - mir blieben sicher auch wehmütige Erinnerungen, aber für ihn wäre es leichter und besser geordnet.
Weiß ich, was ich will? Ich habe mich bemüht, mir „den Mann ohne Sex“ aus dem Kopf zu schlagen, ich habe mich bei ihm jämmerlich gefühlt und die zwei Tage, die ich da war, das Gefühl der Trauer hat mich wieder eingeholt, dort kann ich nicht dauernd sein. Er weiß, wie ich fühle, zieht aber sein „Nein“ stur und konsequent durch, da ist noch nie was Sexuelles zwischen uns passiert, auch wenn es keiner glauben will.
Ich möchte mich mit dem verbunden fühlen, der mir und meinen Wünschen auch entgegenkommt. Wahrscheinlich muss ich mehr Mut haben und sagen, was mit mir los ist. Und dann wird man sehen, wie es kommt.
Nein, ihr seid beides Menschen die andere Problemlos hintergangen haben, daher fehlt in einer solchen Beziehung jede tiefe, denn Vertrauen kann sich keines bilden.
„Problemlos hintergangen“ finde ich so nicht i.O., problemlos war es in keinem Fall, er hat seine Frau verlassen, bevor wir definitiv zusammen waren und er hatte längere Zeit (ich hab es hin und wieder gehört) ziemliche Probleme zuhause, hat aber auch seine Beteiligung daran nicht geleugnet - dennoch mochte er mit seiner abweisenden Frau nicht mehr aushalten. Was mich angeht, ich wusste nicht, wann und ob meine Schmerzen nachlassen bzw. endlich aufhören, man kommt an einen Punkt - nach 2-3 Wochen - wo man nahezu lebensmüde wird, ich wollte diese Situation meiner recht neuen Beziehung nicht zumuten. Er war abwesend, mein Ex-Bekannter hat immer mal wieder angerufen, war selbst auch krank und da dachte ich, dann kranken wir eben zusammen rum, Sex passiert dort eh nicht (ist auch so) und es hat einfach getröstet. Wahrscheinlich hätte ich meine miserablige Lage doch meinem neuen Freund offenbaren sollen, aber dachte, dann lässt er mich krankes, unvollkommenes fallen.
Ja, der Sexlose sieht das auch so, Sex ist für ihn was Verächtliches, für mich dagegen ist es untrennbar mit Liebe verbunden, wenn ich liebe oder verliebt bin, dann liegt Sex mit dem speziellen Menschen sehr nah für mich. Körperliche Nähe dazu und ich bin hin und weg, wenn einer dann wie kalter Fisch verweigert oder kommentarlos abends in sein Bettchen schlappt, dann zerbricht es mir das Herz, deswegen habe ich um ihn einen großen Bogen gemacht, bis meine Gefühle runtergekühlt waren - endlich.
Umgekehrt, und das ist jetzt wohl die Erfahrung mit meinem jetzigen Freund, der liegt schmal bekleidet neben mir und es nimmt einen mit, sowas hatte ich noch nie, zum Glück ist es gegenseitig, aber - mir fehlt die Seite der Verliebtheit, dieses Brennen und Schmachten und dies Gefühl, dass man sich schon hundert Jahre kennt, das Vertrauen ohne Grund.
Und wenn er dann tageweise weg ist, dann reißt es für mich wirklich total ab, dann bin ich mit Mal ganz auf mich selbst zurückgeworfen und bekomme innerlich eine ziemlich harte Distanz zu ihm, es beunruhigt mich. Die menschliche Verbundenheit fehlt mir.
Es wird doch wohl möglich sein, beides miteinander in einem Partner zu erleben und nicht zwei Menschen dafür zu behelligen.
Ich fühle mich ehrlich auch nicht durch Sex in irgendeiner Form besudelt, Sex ist mir in der Beziehung sehr wichtig, ohne Sex werde ich mit einem Mann nicht mehr zusammenziehen. Nie mehr - denn das hatte ich zeitweilig und es war emotional grausam - jedenfalls für mein Empfinden.
Wahrscheinlich müsste ich in meiner neuen Beziehung mutiger, ehrlicher und offener sein. Ich bin schon glücklich, dass es so ist, wie es ist, ich will es nicht riskieren, aber ohne Risiko werde ich wohl kein Vertrauen fassen können.