Welche Bestrafungen habt Ihr schon erlebt bzw. erleben müssen?

9 Antworten

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Tatsächlich geschlagen wurde ich glaube ich nicht, aber mir wurde gedroht. So, erhobene Hand oder ausholen, strenge Stimme und so. Außerdem wurde als Erziehungsmethode die Beleidigung benutzt.
ZB, ich gehe zu meiner Mutter. "Mama, ich finde mein Doppelkinn nicht schön."
Meine Mutter sagt den einzigen Satz, den eine Mutter sagen muss, um ihr Kind zu bestätigen und dazu zu erziehen, positiv über sich zu denken: "Wenn ich du wäre, würde ich nicht über das Doppelkinn nachdenken, sondern über deine riesige krumme Nase."
Als ich mal eine Panikattacke hatte, haben sie mich ausgelacht, weil ich nicht mehr argumentieren kann, wenn ich zitternd und nach Luft schnappend auf dem Boden liege.

In den Momenten habe ich nie gedacht "Meine Eltern lieben mich wohl und sind nur ratlos". Nein, ich habe gedacht "Meine Eltern hassen mich", "Meine Eltern wollen dass ich leide", "Meine Eltern finden es lustig, wenn es mir schlecht geht" usw.

Die Folge? Ich kann meinen Eltern nicht vertrauen, mit nichts. Ich bin mir auch ziemlich sicher, das meine Eltern erheblich daran schuld sind, dass ich Beziehungsunfähig bin und mich selber hasse. Nicht als einzige dran schuld, aber mit beteiligt.


Spielwiesen 
Beitragsersteller
 12.02.2020, 16:07

Vielen Dank für deine Antwort! Die Beschreibung der Reaktion deiner Mutter in dem Moment, wo du eigentlich Trost gebraucht hättest, finde ich ganz ganz schlimm.
Wenn man in einem ungeschützten Moment, wo man sich öffnet, einen Kick in den Magen und in die Kniekehlen gleichzeitig bekommt, braucht es schon eine starke Psyche, um sowas wegzustecken!! Aber damit bist du nicht allein: meine Mutter hat sowas auch bei mir gemacht.

Ich habe von beiden Eltern mal eins drüber bekommen.

Meist wegen Wiederworten in der Pubertät. Ich gehörte damals den New Waves an und sah optisch etwas extremer aus als andere Mädels.

Meinem Vater, der im Krieg aufgewachsen war, passte das Lockere, das Ausgehen usw nicht, da gab es gelegentlich was mit der Hand, dem Gürtel oder dem Badeschlappen, was recht große blaue Flecken erzeugte und höllisch weh tat. Meist auf Arme und Beine, ins Gesicht nie.

Ich fühlte mich unfair behandelt und liess nicht nach, was noch mehr Stress erzeugte.

Später warf ich mich auf den Boden und versuchte, die Schläge durch danach Treten abzuwehren oder ich schloss mich im Zimmer ein und schob eine Kommode vor die Tür, damit niemand rein konnte.

Meine Mutter drohte mehr und haute nicht ganz so oft. Später vermittelte sie auch und versuchte meinem Vater zu erklären, dass junge Menschen halt andere Ansichten haben.

Mein Vater starb früh, plötzlich, mit 49, ich war 18. Meine Mutter war schon vorher depressiv und durch seinen Tod kam sie völlig aus der Spur, war manisch depressiv.

Meine Schwester und ich haben uns später gut mit unserer Mutter verstanden und versucht, ihr zu helfen.

Auch unseren Vater sehen wir mittlerweile liebevoll, da er nicht immer so war. Für ihn, das Kriegskind, waren wir wohl undankbare Blagen.

Ich mache Ahnenforschung und weiss im Nachhinein viel über sein Schicksal und das meiner Familie, das hat mich im Nachhinein versöhnt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 19.02.2020, 10:30

Danke fur deine Antwort! 'eins drüber' zu bekommen, das war ja früher durchaus oft üblich, aber 'mit der Hand, dem Gürtel oder dem Badeschlappen' und deinen blauen Flecken klingt es ja auch nach Gewalt.

Meine Frage, ob du diese Maßnahmen als gerecht empfunden hast und ob sie in dir Spuren hinterlassen haben, erübrigt sich fast. Oder?

Rosenmary  19.02.2020, 12:24
@Spielwiesen

Gerecht fand ich die Intensität nicht und auch nicht angemessen, wenn man das Vergehen (Widerworte) betrachtet. Ich würde meinem Kind nichts in dieser Art zumuten und bin ein Gegner von körperlicher Gewalt. Selbst BDSM mit meinem Freund kommt ohne echte Gewalt aus.

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 19.02.2020, 12:58
@Rosenmary

Dennoch glaube ich, dass irgendein Verhaltensmuster sich durch ein ganzes Leben hindurchzieht, ausgelöst durch Gewalt dieser Art. Oder wäre es vielleicht nur die Vermeidung dessen um jeden Preis? (Ein Fall für Psychologen...)

Rosenmary  19.02.2020, 13:00
@Spielwiesen

Möglich, bei mir ist daraus eine immense Selbstsicherheit und Stärke im Umgang mit herabwürdigenden Menschen entstanden. Ich sage auch Höhergestellten, Chefs und Ämtern die Meinung, wenn ich Willkür sehe.

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 19.02.2020, 14:00
@Rosenmary

Achso, ja, das kenne ich auch ganz stark, und dabei spüre ich eine Energie, die sich universell anfühlt, als komme sie 'von oben'! Dann könnte man meine große Triebfeder also so zuordnen!?!

Rosenmary  19.02.2020, 15:05
@Spielwiesen

Denke schon. Ich werde oft als Powerfrau beschrieben mit viel Mut. Ich denke, es kommt teils daher, teils von anderen Lenensereignissen

Keinen gewünschten Lerneffekt.

Und das ist auch logisch. Strafen können schon deshalb keine Zielveränderung bewirken, weil von unzähligen Seiten auf das Individuum eingewirkt wird und Strafen sich dann gegenseitig aufheben.

Der einzelne Bestrafende sieht das nicht. Und dem Bestraften muss das auch nicht zwingend bewusst werden.

Ein Beispiel: Du bist Psychologe. Du hast eine Verschwiegenheitspflicht. Dein Chef befiehlt dir, Dinge von deinen Klienten zu verraten. Du weigerst dich, du wirst gefeuert. Du klagst vor Gericht. Du verlierst. Der Richter will dich mit der Strafe erziehen, deinem Chef gehorsam zu sein.

In der nächsten Stelle verrätst du dem Chef alles. Ein Klient erstattet Anzeige. Du wirst entlassen. Du kommst vor das Strafgericht. Der Richter will dich mit der Strafe erziehen, nichts zu verraten.

Und wie soll das jetzt in dir eine Veränderung bewirken? :)


Spielwiesen 
Beitragsersteller
 12.02.2020, 15:31

Danke für die sehr interessanten Aspekte, die die Unsinnigkeit von Bestrafungen in diesen Fällen deutlich machen. Bezogen auf Kindererziehung sind solche Konflikte ja weniger zu erwarten. Hast du da evtl. eigene Erfahrungen mit Bestrafung?

DocPsychopath  12.02.2020, 16:59
@Spielwiesen

Wieso sind sie da nicht weniger zu erwarten?
Können Kinder nicht verschiedenen Einflüssen ausgesetzt sein?

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 12.02.2020, 17:06
@DocPsychopath

Das kann dann passieren, wenn Eltern sich beim Bestrafen nicht absprechen, WOFÜR das Kind bestraft werden soll. Sowas wäre ein grundlegendes Problem und kein Lerneffekt zu erwarten.

DocPsychopath  12.02.2020, 17:08
@Spielwiesen

Selbst wenn die Regeln kodifiziert werden, also niedergelegt, ergeben sich Widersprüche.

Nur musst du sie nicht unbedingt erkennen.

Nehmen wir mal Sozialverhalten in der Schule. Es würde etwas verteilt werden. Sagen wir eine Süssigkeit oä. Solche Tage gibt es ja auch, wie Wandertage.

Ein Kind nimmt sich einen grossen Teil und lässt den anderen nichts.

Was werden die Lehrer tun?

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 12.02.2020, 19:42
@DocPsychopath

Na, sicher aber doch nicht das Kind bestrafen? Zuerst kommt die Erziehung. Wenn das dann nichts fruchtet, muss man so verteilen, dass nicht solche Exzesse passieren können. Meine ich.

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 12.02.2020, 20:25
@DocPsychopath

Steckt hinter deiner Frage vielleicht das Fazit dessen, was früher üblich an Erziehungmodellen so üblich war?

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 12.02.2020, 20:37
@DocPsychopath

Ich meinte, Bestrafung kann keinen erzieherischen Wert haben, da sie Kinder nur demütigt und sie sich verschließen oder aber aufsässig macht. Dann hatte ich nach eigenen Erfahrungen gefragt.

An die erste Bestrafung die ich mich erinnern kann, war im Kindergarten.

Ich kannte die Uhr noch nicht und vergass, in den Kindergarten zu gehen. Als ich heimkam, fragte mich die Mutter, wo ich denn gewesen sei und ich sagte ihr, mit meinem Rad am umherfahren.

Da wurde ich eingesperrt bis zum Mittagessen und so ging ich von da an immer zur Schule.

Später bin ich mal vom Reiten zu spät zum Mittagessen nach Hause gekommen. Das habe ich auch bereut, denn so konnte ich nur noch das Geschirr waschen und abtrocknen und bekam nichts mehr zu essen bis zum Abendessen.

Dann habe ich zum Geburtstag mal eine bekommen, weil meine Mitinsassen im Auto zu laut waren und der Vater Zahnschmerzen hatte.

Das sind so meine Bestrafungen gewesen.

Allen einen schönen Tag.


Spielwiesen 
Beitragsersteller
 19.02.2020, 10:22

Danke für deine Antwort. Das waren jak vergleichsweise leichte Strafen, Kannst du sagen, ob du seinerzeit diese Strafen als gerecht und wirksam empfunden hast?

Oder hättest du dir mehr liebevolles Verständnis gewünscht?

Zeller9796  19.02.2020, 10:25
@Spielwiesen

Das mit der Ohrfeige des Vaters fand ich ungerecht, da ich ruhig war aber der Rest finde ich im Nachhinein als gute Bestrafung, denn so lernte ich immer pünktlich zu sein und die Schule nicht zu schwänzen.

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 19.02.2020, 10:32
@Zeller9796

Gut, dass du damit versöhnt bist! So mancher Lerneffekt bekam ja erst durch den Klaps seine Portion Nachhaltigkeit ...:-). LG

Hallo Spielwiesen,

hm… da muss ich erst einmal nachdenken.

Dabei fallen mir die Strafen auf Anhieb ein, aber das, was sie bewirkt haben, war meist eher negativ.

Ein Geographie-Lehrer hat mir einmal eine schallende Ohrfeige verabreicht, die ich ihm bis heute nicht verziehen habe. Dabei ist er schon viele Jahre tot. Soviel zur Wirkung dieser Strafe, die den Hass auf diesen Menschen in mir angeregt hat.

Meine Mutter verfolgte mich - meist ergebnislos - mit einem hölzernen Rührlöffel. Ich erinnere mich nicht, dass ich tatsächlich von meinen Eltern Prügel bezogen habe.

Was mich aber nachhaltig geprägt hat, das war Liebesentzug durch Schweigen oder Ignorieren. Ich glaube, das hat mein Vater mal gemacht, wenn auch nur für Stunden. Damit umzugehen fand ich extrem schwierig.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Spielwiesen 
Beitragsersteller
 12.02.2020, 15:56

Danke, liebe Sofia! Pädagogisch hätte eine 'gelingende' Strafe also anders aussehen müssen. Was hättest du denn akzeptabel gefunden?

Schweigen und Ignorieren mit Liebesentzug stelle ich mir für eine Kinderseele auch schlimm vor - gerade von Eltern, die ihr Kind ja kennen und daher die maximal effiziente Schwachstelle kennen: auch sowas ist Gewaltanwendung!

So eine 'Bestrafungskultur' (perverses Wort eigentlich!) innerhalb einer Familie kann sicher mit dazu beitragen, keine Kinder zu wollen.

IQSofia  12.02.2020, 15:59
@Spielwiesen

akzeptabel waren für mich schon mal sogenannte Strafarbeiten in der Grundschule. Man musste 100 mal schreiben: Ich darf während des Unterrichts nicht schwatzen... oder so ähnlich. Ansonsten kann ich mir ehrlich keine gelingende Strafe vorstellen.