Grade der Freimaurerei

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Die Grade bezeichnen keine Hierarchien, sondern Erkenntnisstufen. Es wird hierbei versucht, die Sprachwelt der gotischen Bauhütten auf die Persönlichkeitsentwicklung angewendet.

1. Der Lehrling in der Bauhütte muss er den grundlegenden Umgang mit seinem Handwerkszeug kennenlernen. Er muss verstehen, welche Aufgabe er womit erfüllen kann und welches Werkzeug dafür geeignet ist.

1. Der Lehrling in der Freimaurerei. Er ist aufgerufen, sich mit dem auseinanderzusetzen, was er mitbringt. Seine Talente, Stärken und Schwächen, sind das Handwerkszeug, mit dem er sein Leben gestalten kann. Das Motto dieses Erkenntnisgrades ist "Schau in Dich!" (im Sinne von: Was macht Dich aus? Welche Themen bewegen Dich? Worauf reagierst Du in welcher Weise - und warum?).

2. Der Geselle in der Bauhütte muss in der Lage sein, jede handwerkliche Aufgabe zu erfüllen, die ihm angetragen wird. Die Grundlagen hierfür hat er in seiner Zeit als Lehrling geschaffen. Er erfüllt nach wie vor die Arbeitsstellungen, die auch ein Lehrling bearbeiten kann - kann jedoch auch komplexere Baustücke selbständig (nicht unter Anleitung, wie der Lehrling) herstellen. Um seine Fertigkeiten zu vervollkommnen, zieht er als wandernder Geselle mindestens 2 Jahre und einen Tag hinaus, um sich auch in anderen Bauhütten mit anderen Aufgabenstellungen auseinanderzusetzen, die er "von zuhause" nicht kennt.

2. Der Geselle in der Freimaurerei arbeitet weiterhin an seiner Selbstbeobachtung, übernimmt aber auch erste Aufgaben in seiner Loge und tritt hinaus in die freimaurerische Welt. Er besucht im Rahmen seiner obligatorischen Gesellenreisen andere Freimaurerlogen. Hierbei dient er als Botschafter seiner eigenen Loge und vernetzt seine Loge mit anderen Logen, die ihrerseits Gesellen oder Meister auf Gegenbesuch entsenden. Die Aufgabe hierbei ist, sich selbst in der Beziehung mit der Umwelt zu analysieren und ein feineres Gespür für das Soziale Netz zu entwickeln, in das jeder Mensch eingebunden ist. Das Motto dieses Erkenntnisgrades lautet somit "Schau um Dich!" (im Sinne von: Wem begegnest Du und wie kannst Du mit diesen Menschen umgehen?)

3. Der Meister in der Bauhütte leitet die betreffende Bauhütte und besitzt eine profundes Erfahrungs- und Branchenwissen. Er kann aus diesem Wissen heraus als Architekt aktiv werden und gesamte Bauwerke entwickeln und die Umsetzung anleiten. Er wird hierbei so handeln, dass die Bauhütte auch nach seiner Pensionierung noch gut aufgestellt ist.

3. Der Meister in der Freimaurerei hat sich eine gute Praxis der Selbstbeobachtung angewöhnt. Er ist durch langjährige Übung in der Lage, seine eigenen Reaktionen und die Reaktionen seines Umfelds einzuordnen. Das gibt ihm Gelassenheit, vermeidet so manche Spannung im täglichen Leben und verleiht ihm ein Toleranzpolster, wenn ein Gegenüber doch einmal emotional reagiert. Ein Meister ist sich bewusst, dass auch sein Arbeitspensum endlich ist - hierbei in Bezug auf die Endlichkeit seines Lebens. Er versucht, sein Leben danach auszurichten, dass auch sein Leben einen Sinn hat und für ihn und sein Umfeld nachhaltig ist. Sein Motto lautet "Schau über Dich!" (im Sinne von: Was ist größer/wirkmächtiger also Du selbst und wie stellst Du Dich dazu?)

Alle oben genannten Aspekte zeitgleich einzuüben ist nahezu unmöglich. Aus diesem Grund gibt es in der Freimaurerei die Gradstruktur. Es wird in einem Layermodell Stufe für Stufe ein bewusstes System der Selbstreflexion aufgebaut. Der Meister arbeitet hier ebenfalls noch auf der Stufe des Gesellen und Lehrlings weiter. Der Geselle analog dazu auf der Geselle des Lehrlings.

Und da somit alle drei Grade zugleich noch Lehrlinge sind, begegnen sie sich auf einer Ebene. Es gibt also weder eine höhere Wertigkeit des Meister gegenüber dem Lehrling - noch dem Gesellen gegenüber dem Lehrling.

Was es allenfalls gibt, sind bestimmte Aufgaben innerhalb einer Loge, die gewisse Aufgaben übernehmen und im Rahmen dieser Aufgabenstellung weisungsbefugt sind. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Kassenwart: Wenn er um Zahlung eines fälligen Vereinsbeitrags bittet, dann nicht deshalb, weil er mehr wert ist, sondern weil er für diese Aufgabe gewählt wurde. In einer Loge werden alle diese Aufgaben gewählt  - von allen Brüdern mit gleicher Stimme.

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krato333

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjähriger Freimaurer

SenpaiNextDoor 
Beitragsersteller
 02.05.2015, 21:22

OK, vielen dank für deine sehr gute Antwort. In verschiedenen Logen gibt es ja meines Wissens nach auch verschiedene Grade über den dreien. In welchem Umfang unterscheiden sich diese im Bezug zueinander? Ach ja, bist du, wenn ich fragen darf, ein Freimaurer?

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krato333  02.05.2015, 21:56
@SenpaiNextDoor

Ja, ich gehöre einer Freimaurerloge an.

> meines Wissens nach auch verschiedene Grade über den dreien.

Du machst gerade ein neues Thema auf:

Die Johannisloge (Grade 1-3) betrachtet das Individuum (1), seine soziale Einbindung (2) und seine Beziehung zur Transzendenz (3). Damit ist dieses System nicht mehr sinnvoll erweiterungsfähig. Das Hinzufügen weiterer Grade macht also keinen Sinn.

In der Tat gibt es Grade, die höhere Nummern tragen. Früher nannte man sie Hochgrade, was eine Wertung/Gewichtung/Hierarchie impliziert. Da dies auch nicht für diese Grade der Fall ist, spricht man heute eher von "weiterführenden Graden" oder "Nebengraden" oder "Seitengraden", weil man sie in Bezug auf die Erkenntnisstufe (s.o.) auf Höhe des Meistergrades ansiedeln könnte/sollte.

Diese Grade bearbeiten Themen, auf die man üblicherweise auch durch blosses Nachdenken kommen könnte - sie werden hier jedoch als in sich geschlossene Themenkomplexe vorgestellt und man kann sich in der Gruppe des jeweiligen Grades sehr gut über diesen speziellen Themenkomplex des jeweiligen Grades austauschen - weil eben dieser Grad für das jeweilige Thema da ist.

Darüber hinaus wird der Einstieg in jeden Grad (das habe ich im ersten Posting vergessen...) durch eine Initiation eingeleitet. Das ist ein "Bekanntmachen" mit dem jeweiligen Thema in einem Ritual (eine Art ernsthaftes Theaterspiel). Hierbei wird meist eine allegorische Geschichte von dem Einzuweihenden durchlebt, in dem das betreffende Thema vorkommt. Durch dieses persönliche Durchleben wird ein psychologischer Prozess angestoßen, der wesentlich nachhaltiger und tiefgründiger wirkt, als wenn man es nur beispielsweise lesen würde. Man beschäftigt sich dadurch automatisch mit diesem Thema, selbst wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Diese initiatorische Praxis wird vom Mensch seit der Steinzeit erfolgreich praktiziert und sie existiert auch heute noch in vielen Kulturen in religiösem wie auch gesellschaftlichem und biologischem Kontext. Diese Initiation bereitet meist auf eine Änderung im täglichen Leben oder in Bezug auf einen gesellschaftlichen Status (Kind/Jugendlicher/Erwachsener/Greis) vor.

In unserem Kulturkreis zum Beispiel bei Einschulung, Taufe, Kommunion/Konfirmation, Aufnahme bei den Pfadfindern, Freisprechung von Schule/Uni/Lehre, die Regelblutung bei Frauen, die Wechseljahre bei beiden Geschlechtern...). Auch in vielen Naturvölkern gibt es entsprechende Riten, die in einen neuen Status überführen. Aus ehemaligen Traditionen dieser Art resultieren übrigens viele unserer Feste (Fastnacht, Silvester, Maifeiern, Sonnwendfeiern, Weihnachten).

Doch zurück zu den Graden jenseits des 3. Grades:

Es werden Themen bearbeitet wie Einsatz für die Gesellschaft, Aufopferung für Andere, Einstehen gegen Unrecht oder Ritterlichkeit.

Derartige Themen finden sich in fast jedem System, weshalb sie fast austauschbar wären, hätten sie nicht unterschiedliche Ansätze der Vermittlung (philosophische Erarbeitung vs. praktisches Darstellen der Themen in aufwändigen Ritualarbeiten vs. Erleben aus einem rituellen Grundbedürfnis heraus). 

Möchte Jemand eines dieser Systeme bearbeiten, so wählt er dasjenige, das seinem individuellen Ansatz am Besten entspricht.

Diese Systeme haben zwischen sieben und 99 Graden. Da die Themenkomplexe ähnlich sind, kann auch ein Bruder eines Systems in der Regel ein anderes System besuchen und dortigen rituellen Arbeiten beiwohnen. Auch hier gilt wieder: Er sieht dann, was dort passiert, erlebt es jedoch nicht selbst. Daher entscheiden sich manche sogar, mehrere Systeme nacheinander zu bearbeiten, ohne sie vorab zu besuchen, um auf neue Aspekte des bereits bearbeiteten Themenkomplexes zu stoßen. Das ist jedoch sehr zeitaufwändig und kann nur von Wenigen gestemmt werden.

Auch Angehörige der weiterführenden Grade machen das nur für sich selbst. Sie erwerben sich damit weder Sonderrechte, noch irgend eine Art von Weisungsbefugnis. Sie sind schlichtweg Brüder unter Brüdern.

Liebe Grüße

krato333

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Da gibt es viele ziemlich gute Bücher zum Thema - vielleicht liest du dich noch intensiver ins Thema ein.

Du kannst ein gutes Referat nicht nur mit Informationen aus Wikipedia erstellen.