Gibt es Gedichte ohne lyrisches Ich?
Ich habe ein Gedicht von Erich Kästner gefunden, das "Repetition des Gefühls" heißt. In diesem Gedicht gibt es kein lyrisches Ich; stattdessen wird die Geschichte aus der Perspektive eines Erzählers erzählt, zum Beispiel: "Als er dann zu ihr hinübersah, meinte sie, ihr gehe es nicht besser." Das hat mich verwirrt, weil ich im Internet gesucht habe, ob es Gedichte ohne lyrisches Ich gibt und wie das bezeichnet wird, aber ich habe keine klaren Antworten gefunden. Manche Quellen behaupten sogar, dass Gedichte ohne ein lyrisches Ich oder Du keine echte Lyrik seien.
Meine Frage ist: Stimmt das wirklich? Und wie kann man beschreiben, wenn Gedichte aus einer Erzähler-Perspektive geschrieben werden?
3 Antworten
Ein lyrisches Ich gibt es dann, wenn ein Gedicht Gedanken, Gefühle und Empfindung übermitteln möchten.
Dies kann in der Form des expliziten lyrischen Ichs (Verwendung der Pronomen "ich", "du" oder "wir") geschehen oder durch ein implizites lyrisches Ich, wobei gar keine Pronomen verwendet werden, sondern direkt Empfindungen ausgedrückt werden.
In Kästners Gedicht wird eher eine Geschichte erzählt, in der ein "allwissender Erzähler" die Empfindungen der Protagonisten berichtet, so als könnte er in sie hineinsehen.
Ich würde daher auch sagen, dass hier kein lyrisches Ich zu finden ist, sondern ein Erzähler und zwei Protagonisten. Die Erzählperspektive ist vom Erzähler aus, er berichtet aber nicht seine eigenen Empfindungen, sondern die der Protagonisten, was eben der Unterschied zum lyrischen Ich darstellt.
https://www.studysmarter.de/schule/deutsch/textverstaendnis/lyrisches-ich/
Balladen und Erzählgedichte, die nur aus Zwiegespräch und Erzählung bestehen, haben kein lyrisches Ich. Aber das gilt nicht für alle Balladen und Erzählgedichte.
Ist nicht auch z.B. der Erlkönig ein Gedicht ohne lyrisches Ich? Davon gibt es doch so viele Gedichte, oder verstehe ich da was falsch?