Gibt es ein lyrisches Du?
Kann man, wenn in einem Gedicht in der ,,Du" Perspektive gesprochen wird, vom lyrischen Du sprechen? Und wenn nicht was kann man dann sagen? Z.b an diesem Beispiel:
Gottfried Benn ,,Stadt"
Du, eines jungen Leibes höchster Ausdruck,
Gehst täglich durch den Großstadtkomplex,
Nach Hause auf immer demselben Weg,
Da du nicht wechseln kannst, nicht wechseln magst.
Dein Blick und Schritt und Herz und Hand,
Der alles wirkt und sieht und regelt,
Verfährt auch heute gleich wie gestern
Und wird auch morgen ganz dasselbe tun.
Du hast den Geist verloren, die Begabung,
Deine Nerven schrägen ab ins Nichts,
So ist's in einer Stadt.
:)
2 Antworten
Natürlich kannst du den Begriff lyrisches, du verwenden, wer will dich daran hindern. In einer Klassenarbeit oder Klausur würde ich das nur begründen, damit klar ist, was du damit meinst.
Etwas schwieriger wird das mit der Frage, wer mit diesem du gemeint ist. Denn bei Gottfried Benn gibt es durch aus Gedichte, in denen er sich selbst an redet. Das einzige, was da etwas stört, ist die Betonung der Jugend. Aber warum soll er das Gedicht nicht aus der Perspektive eines jungen Menschen geschrieben haben.
besonders der Schluss ist in dem typischen Bennton geschrieben, mit dem er gewissermaßen eine gewisse Distanz zu sich selbst einnimmt, aber letztlich sich selbst meint.
da die meisten Leute hier nicht viel Ahnung vom Schreiben haben, mache ich mir einfach mal den Spaß und schreibe ein kurzes Gedicht, bei dem es nicht auf einen hohen Inhalt ankommt, sondern nur auf die Klärung der Frage, wer mit dem du gemeint ist.
Und ausnahmsweise verrate ich als Autor hier, dass ich zumindest die Absicht habe, mich mit dem du selbst anzusprechen.
du schreibst jetzt schon so lange hier
In diesem Netz und schade dass findest du
Von Tag zu Tag und immer mehr
Das kaum ein Praktiker des Schreibens
Sicher äußert. Der Germanisten gibt es viel.
Und das ist gut so. Nur von den Schülern.
Sollte man sie fernhalten, denn sonst
Geht auch die letzte Lust wohl noch verloren?
Mit Sprache rum zu spielen,
Statt sich in engen Bahnen
—-
ach schau, und wieder stellst du fest
Das bringt nicht viel, wenn Leute eine Meinung haben
Komm, lass es doch und mach dir einen schönen Abend
—-
Wie gesagt, ein Gelegenheitsgedicht, aus dem stand, heraus gemacht, ohne Anspruch, aber das lyrische ich hat sich die ganze Zeit selbst angesprochen und der Autor hofft, dass hier ein bisschen was klar geworden ist.
Klares NEIN ! Der Leser wird lediglich DIREKT angesprochen.
Typisches Beispiel aus dem Barock:
"Du siehst, wohin du siehst, nur Nichtigkeit auf Erden......"
(Andreas Gryphius)