Gedicht Georg Trakl interpretation?

3 Antworten

Von Experten spanferkel14 und earnest bestätigt

Ich will deiner Lehrerin nicht zu nahe treten, aber das war keine Sternstunde von ihr - ganz unabhängig vom Gedicht. Was du gemacht hast, ist genau das, worauf es (mir) bei einer (rezeptionsästhetischen) Interpretation ankommt: das eigene Verständnis am Text begründen. Das hast du getan. Ihre Reaktion finde ich wirklich schlimm, und zwar aus genau dem Grund, den du genannt hast: Woher sollst du wissen, was gemeint ist? - und in diesem Fall noch pointierter: Woher sollst du wissen, was sie hören/ lesen will? Da wundern mich dann auch Aussagen wie "Bei einer Interpretation muss man das Glück haben, das zu schreiben, was der Lehrer hören/lesen will." nicht.

Und kleinlich ist es noch dazu und damit zu deiner Frage: Vögel und Fledermäuse sind schon nah beieinander. Das "Gefieder" spricht eher für die Vögel, "der Nacht" und vielleicht auch "schwirren" eher für Fledermäuse...

Behalt dir bitte deine Assoziationen, dein Verständnis, das du am Text verifizierst, und bleib/werd offen für andere, legitime (d. h. am Text belegbare) Interpretationen - denn Fledermäuse können es natürlich auch sein. Gleiches wünsche ich deiner Deutschlehrerin.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Es gibt keinen Anspruch auf Dank. Ich freu mich nur darüber.

Ich kann dir nur zustimmen. Eine Fledermaus hat kein Gefieder bzw. keine Federn. Was du im Unterricht gesagt hast, ist völlig in Ordnung. Ich glaube kaum, dass Trakl Fledermäuse als Gefieder bezeichnen würde, selbst in einem Gedicht nicht. In Gedichten von Trakl kommen dagegen sehr häufig (schwarzblaue) Amseln und auch Tauben vor.

Ich glaube allerdings, dass es hier weder um Nachtvögel noch um Fledermäuse geht, sondern "der Nacht Gefieder" (= das Gefieder der Nacht) ist hier eine Metapher bzw. ein Bild: Wenn die Vögel schlafen gehen, stecken sie ihren Kopf unter das Gefieder. Das Gefieder ist also eine schützende, behütende Hülle oder ein Schutzschirm für ihren Kopf. Die Nacht hat ein bläuliches Gefieder, das sich nach dem Gewitter wie ein schützendes Tuch auf/über das Land oder die Stadt legt. Und dann kann der erlösende Regen auf die Dächer niedergehen. Das Gewitter ist definitiv vorbei, es muss auch niemand mehr Angst haben. Die Nacht als Tuch ist auch ein typisches Bild, das in vielen Liedern verwendet wird, z.B. hier:

Ganz egal, wenn deine Lehrerin meint, das Gefieder der Nacht wären Fledermäuse, so kann sie das natürlich gern denken. Aber sie sollte bitte euch Schülern die Freiheit lassen, Gefieder der Nacht anders zu interpretieren. Du denkst eben, dass das Vögel sind, die da herumschwirren Soll sie dir doch erst mal beweisen, dass sie recht hat - ich sag dir, das kann sie nicht! Außerdem beginnt das Gedicht mit "O die roten Abendstunden". Es ist also ganz früher Abend (<- Abendrot), als das Gewitter loslegt, und danach sollen direkt Fledermäuse in der/über der Stadt oder dem Dorf rumflattern? Wohl kaum! Wenn Fledermäuse von einem Gewitter überrascht werden, haben sie nämlich eine Höllenangst und suchen Unterschlupf. Dann kann es passieren, dass sie durch offen gelassene Fenster in Wohnungen hineinfliegen, die sie anscheinend für Höhlen halten. Der Mensch muss diesen verängstigten Tierchen dann nach dem Gewitter wieder ins Freie verhelfen, indem er im Raum das Licht aus- und die Fenster weit aufmacht und sich selbst mucksmäuschenstill verhält. Bei evt. geschwächten Jungtieren wird's komplizierter.

Ich denke, jetzt hast du genug Munition, um deine Lehrerin außer Gefecht 🤺 zu setzen.😂

https://www.deutschelyrik.de/der-gewitterabend.html


allyjolie 
Beitragsersteller
 21.10.2020, 09:12

Vielen Dank. Die ist einfach ein bisschen inkompetent. Ich hatte meine Aussage dann auch noch so begründet dass Fledermäuse kein Gefieder haben und gerade bei schlechtem Wetter ja Vögel kurz vor dem Regen durch die Gegend fliegen. Aber da hat sie auch einfach nur wiederholt "ne das steht da nicht". Und dann hat die mir bei der nächsten Monatsnote keine 1 mehr gegeben sondern ne 2+, weil die "Qualität meiner Aussagen nachgelassen" hätte... Haben jetzt zum Glück nen anderen Lehrer der sich übrigens auch total über die aufregt.

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spanferkel14  21.10.2020, 10:42
@allyjolie

Schade, also leider keine Gelegenheit mehr, ihr gehörig Kontra zu geben. Na, dann auf gute Zusammenarbeit mit dem neuen👱‍♂️Deutschlehrer!

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Das steht da wirklich nicht. Da steht: "der Nacht Gefieder".

Aber dein Urteil über die Interpretation der Lehrerin teile ich. Es sollte sich niemand hinstellen und sagen, dass eine Metapher etwas Bestimmtes bedeuten MÜSSE. Die Lehrerin hat sich da mächtig verhoben.

Eine so federleichte Metapher ist Interpretationssache. "Meine Nacht" käme hier auf leichten, leisen Schwingen. Deine vielleicht auch...

Alles Gute bei deiner berechtigten Beschwerde!

earnest


ohwehohach  20.10.2020, 10:20

Zumal ja bei Metaphern so ziemlich niemals das dasteht, was auch gemeint ist. Ich würde als "der Nacht Gefieder" alles interpretieren, was eben nachts oder in der Dämmerung umherschwirrt. Seien es Falter, Fledermäuse, Vögel, etc. "Gefieder" ist hier meiner Meinung nach eine Umschreibung für "alles, was fliegt".

Meine Frau ist ebenfalls Deutschlehrerin und bei ihr gilt: Jede Interpretation ist zulässig, solange sie schlüssig und nachvollziehbar begründet wird. Vielleicht sollte die genannte Lehrerin auch eher dieses Credo verfolgen...

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