Gab es den Urknall wirklich?

13 Antworten

ALLES ist nur eine theorie. aber der wahrscheinlichkeit nach gab es so etwas wie einen urknall... in welcher form auch immer.

Hallo LeonScott,

zuerst ein kleiner aber notwendiger Hinweis:

oder ist das ganze nur eine Theorie ....

Das Wort "Theorie" hat in der Naturwissenschaft eine andere Bedeutung als in der Umgangssprache.

In der Umgangssprache meinen wir damit Vermutungen oder Ideen, also Annahmen, die wir nocht an der Praxis getestet haben.

In der Naturwissenschaft bedeutet "Theorie" ein exakt formuliertes Erklärungsmodell, das bestimmte Anforderungen erfüllen muss:

  • Das Modell muss Beobachtungsdaten erklären können; es stellt also eine logische Verbindung zwischen zwei, sonst vollkommen unabhängigen Beobachtungen dar
  • Das Modell muss frei sein von inneren und äußeren Widersprüchen: Es darf nicht zu verschiedenen, sich einander widersprechenden Schlussfolgerungen führen; es darf keinerlei(!) Beobachtungsdaten geben, die mit dem Modell im Widerspruch stehen;
  • Das Modell muss so exakte Vorhersagen für mögliche weitere Beobachtungen liefern, dass wir daran erkennen können, ob es falsch sein könnte. Eine nicht überprüfbare Aussage ist überhaupt nicht wissenschaftlich.

Ein solches Erklärungsmodell, das alle denkbaren schärfstmöglichen Tests an der Beobachtung immer und ausnahmslos bestanden hat, nennen wir eine bestätigte Theorie.

Und das ist das beste, was eine Aussage in der Naturwissenschaft werden kann. Denn sie ist und bleibt ein Erklärungsmodell, das möglicherweise durch ein noch besseres ersetzt werden könnte, wenn wir ein noch besseres finden, das die vorhandenen Daten noch besser beschreibt.

Von daher: Ja, der Anfang unseres Universums in einem dichten heißen Anfangszustand ist eine bestätigte Theorie. Eine sehr gut bestätigte Theorie.

100%ige Sicherheit ist eine Illusion. Keine empirische rationale Aussage, die über das berühmte "Ich denke, also bin ich" hinausgeht, kann absolute Sicherheit für sich beanspruchen. Der Irrtum ist - so unangenehm uns das auch ist - in den menschlichen Erkenntnisprozess fest eingebaut. Rational werden Aussagen überhaupt erst dadurch, dass wir sie hinterfragen können und dürfen.

Und jetzt zum Urknall: Welche Beobachtungsdaten sprechen eigentlich für den Urknall?

Über ganz verschiedene Beobachtungsdaten.

Angefangen hat das Ganze in den 1920ern. Erstmals war es möglich, Entfernungsbestimmungen ferner Galaxien durchzuführen.  Dabei stellte man über die Rotverschiebung im Licht dieser Galaxien fest, dass sie sich von uns entfernen. Und zwar entfernen sich die Galaxien von uns umso schneller, je weiter sie schon von uns weg sind.

Aus dieser Beobachtung entwickelte Lemaître das Urknallmodell: Er ging davon aus, dass sich die Galaxien nur deshalb von uns entfernen, weil zwischen uns und ihnen neuer Raum entsteht. Lemaître deutete also die beobachtete Fluchtbewegung der Galaxien als Folge einer Entstehung neuen Raums und damit einer Expansion des Universums.

Und wenn man das zurückrechnet, dann führt das unmittelbar auf einen Anfangszustand, in dem das gesamte beobachtbare Universum mit allem darin einen winzigen Raum einnimmt. Lemaître sagt also, dass unser Universum in diesem extrem dichten heißen Anfangszustand begonnen hat. Extrem dicht und heiß deshalb, weil ja alles drin ist, was heute auch im beobachtbaren Universum drin ist.

In den 1940ern errechnete man, dass man eine Art Nachhall dieses dichten heißen Anfangszustandes eigentlich noch sehen können müsste: Eine Art Wand aus Licht, die aufgrund ihrer extremen Rotverschiebung bis heute einer Wärmestrahlung von unter 4 Kelvin entsprechen müsste. Das ist also so eine konkrete Vorhersage des Urknallmodells, wie ich es oben beschrieben habe:

Wenn das stimmt, dann messen wir eine aus allen Richtungen kommende Wärmestrahlung von unter 4 Kelvin. Eine solche Strahlung wäre in einem statischen, ewigen Universum nicht erklärbar.

1964 wurde diese Hintergrundstrahlung tatsächlich von Penzias und Wilson entdeckt und bis heute sehr genau vermessen. Das ist eine hervorragende Bestätigung des Modells.

Es gibt aber noch weitere Daten, die Physiker nicht am Urknall zweifeln lassen:

Über quanten- und teilchenphysikalische Überlegungen kannn man berechnen, wie beim Auskühlen des ganz jungen Universums in den ersten Minuten nach dem Urknall sämtliche noch heute im beobachtbaren Universum vorhandene Materie entstanden ist. Dabei ergibt sich auch, in welchen Verhältnissen zum Beispiel Wasserstoff und Helium gebildet worden wären. Man nennt das die "Primordale Nukleosynthese". Die beobachteten Häufigkeiten im Universum passen hervorragend zu diesen Berechnungen.

Und auch am CERN, wo wir eigentlich mit der Teilchenphysik die Welt des Allerkleinsten untersuchen, findet man Hinweise auf den Urknall: Die Modelle beschreiben hier, welche Teilchenphysik in diesem Anfangszustand geherrscht hat. Und auch hier passen Messergebnisse und Berechnungen wunderbar zusammen.

Wir haben also eine Fülle von Daten aus gänzlich verschiedenen Experimenten, die alle den Urknall als Anfang unseres Universums stützen.Und gerade das ist so überzeugend daran.

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

LeonScott 
Beitragsersteller
 18.07.2015, 00:19

Echt wahnsinn !! Danke vielmals vorallem das du dir soviel Zeit genommen hast..dafür braucht man wirklich nicht gerade wenig Zeit.

Den Stern für den besten Antwort hast du aufjedenfall !!! Muss eben 24h warten bis ich dir den Stern geben kann. DANKESCHÖN

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uteausmuenchen  17.07.2015, 22:22

So, jetzt möchte ich noch etwas dazu schreiben, was Du hier mehrmals in die Kommentare geschrieben hast.

Stimmen kann sie doch gar nicht da im Nichts auch nichts enstehen kann !

Ich finde solche Aussagen immer ein wenig amüsant.

Denn im Klartext bedeutet das ausgeschrieben:

"Also ich kann mir das nicht vorstellen, wie das gehen soll, deswegen muss es Blödsinn sein. Anscheinend haben da alle diese doofen Wissenschaftler da nur noch nicht richtig drüber nachgedacht. Weil wenn sie nachgedacht hätten, so wie ich, dann wäre ihnen ja wohl schon lange aufgefallen, dass das gar nicht so sein kann, wie sie da behaupten...."

Doch, echt, das steht da. Genau das meint dieser Satz: "Kann doch gar nicht so sein..."

Das liest man ganz oft. Ist aber trotzdem ein Fehlschluss.

Weil wir nun einmal im Universum leben. Wir betrachten es also aus einer begrenzten Perspektive heraus. Es gibt keinen Grund, warum so etwas wie ein Urknall für uns "leicht vorstellbar" sein sollte.

Mit dem Urknall beginnen unser Raum, unsere Zeit und unsere Physik, also unsere Naturgesetze überhaupt erst zu existieren. Von daher ist der Urknall ein natürlicher Beobachtungshorizont, über den man nicht schauen kann. Man kann daher keine Naturwissenschaft darüber hinaus betreiben, denn man kann Aussagen darüber hinaus nicht experimentell sauber bestätigen.

Wir können nur aus erprobten Modellen extrapolieren - und sehen, ob sie plausible Modelle darstellen, weil sie ein Universum "hinten ausspucken", das unserem gleicht. Und solche Modelle gibt es eben.

Wenn das Universum in einem dichten, heißen Anfangszustand angefangen hat, dann müssen wir es mit der Physik beschreiben, die die Welt des Allerkleinsten beschreibt: die Quantenmechanik. Und die eröffnet durchaus ein paar Möglichkeiten für die Entstehung aus dem "Nichts".

Vielleicht hast Du schon einmal etwas von Heisenbergs Unschärferelation gehört?

Auf den allerkleinsten Maßstäben ist die Welt unscharf. Die Natur kann daher keinen Wert exakt festzurren, sondern ist auf der Welt des Allerkleinsten immer ein "brodelndes Etwas", das um Werte schwankt. Diese Schwankungen können dazu führen, dass es der Natur schlicht unmöglich ist, dass "Nichts" existiert. Denn auch der Wert "Null" wäre damit nicht scharf möglich und im "Nichts" wäre ein ständiges Kommen und Vergehen von Möglichkeiten.

Vielleicht hilft Dir dieses Video von Harald Lesch hier etwas weiter:

http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-centauri/alpha-centauri-unschaerferelation-2002\_x100.html

Grüße


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uteausmuenchen  14.04.2017, 22:11
@grtgrt

Vorsicht grtgrt, 

die von Dir verlinkte Seite nennt sich zwar "Forschung und Wissen", achtet allerdings keineswegs darauf, sich auf wissenschaftlich fundierte Aussagen zu beschränken oder diese korrekt wiederzugeben. Sensationen stehen hier im Fokus, nicht Korrektheit. 

Insofern nicht erstaunlich, dass gerade dort behauptet wird, eine "neue Quantengleichung" käme ohne Urknall, DM und DE aus... und würde auch noch durch neueste Beobachtungen (ungenannt !!) unterstützt... und das Ganze ohne den geringsten Link in die Fachpresse. 

Was die erwähnte Arbeit tatsächlich bedeutet, ist besser hier beschrieben: 

http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2015/02/11/neue-quantenmechanische-gleichungen-schaffen-singularitaeten-ab-gab-es-doch-keinen-urknall/?all=1

Es geht lediglich darum, dass in den Rechnungen der beiden Autoren die Singularität verschwindet - was jetzt wirklich nicht so aufregend ist, weil davon eigentlich fast alle Physiker ausgehen. Die neue Arbeit kommt also nicht ohne Urknall aus, sondern nur ohne Singularität am Anfang. 

Grüße

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Natürlich gibt es den Urknall.

Du hast da glaube was falsch verstanden. Der Urknall beschreibt einfach einen Punkt in der Entwicklung unseres Universums. Den Anfangspunkt der Expansion. Daß ein permanent expandierenes Universum irgendwo mal mit dem expandieren angefangen haben muß ist ja wohl klar. Was davor oder außenrum oder sonst wo ist, darüber kann man nur spekulieren. Das ist dann aber Religion, nicht Physik ;o)

Die Urknalltheorie befasst sich damit zu erklären was unmittelbar nach dem Urknall passiert ist. Mehr nicht. Vor allem nicht damit was davor war.


h3nnnn3  17.07.2015, 21:33

selbstverständlich gibt es in der physik theorien ond sogar empirische näherungsversuche, was vor dem urknall bestanden haben mag und was außerhalb unseres universums existieren könnte.

es gibt beispielsweise eine multiversum-theorie, in der unser universum nur eine blase ist, die aus einem größeren, älteren universum entstanden ist und neben unserem mittelgroßen universum gibt es noch weitere mittelgroße, kleine und jeweils der größe nach unterschiedlich alte universen. vorstellen kann man sich das wie ein kaktus, aus dem kleinere arme wachsen, aus denen wieder kleine knubbel und blüten wachsen.

eine andere theorie beschreibt eine art pulsierendes wechsel-universum, dass sich mal zusammengezogen hat, sich dann durch einen urknall sozusagen nach außen gestülpt hat und nachfolgend wieder expandiert. irgendwann ist es dann wieder umgeklappt in einem neuen urknall usw. usf. wir haben also immer abwechselnd sowas wie ein konvexes und ein konkaves universum. 

es gibt noch weitere theorien, allerdings ist von allen die erstbeschriebene am meisten akzeptiert ... neben der theorie natürlich, dass es außerhalb unseres universums gar nichts gibt.

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Effigies  18.07.2015, 04:48
@h3nnnn3

Da wir aber außerhalb des Universums keinerlei Daten gewinnen können sind das keine wissenschaftlichen Theorien sondern nur Gedankenspiele. Nicht verifizierbare Möglichkeiten was sein könnte.

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Das ist ein Erklärungsmodell. Ob es ihn wirklich gab, ist nicht bewiesen. Allerdings aus jetziger Sicht ist der Urknall am wahrscheinlichsten. 

Der Urknall ist die plausibelste Erklärung dafür, dass sich das Universum ausdehnt und für die kosmische Hintergrundstrahlung. Bewiesen ist der Urknall aber nicht, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass es den Urknall gegeben hat.