Freund radikalisiert sich (rechts), und jetzt?
Hallo.
Ein sehr guter und sehr alter Freund von mir, der auch ein anständiger Kerl ist, mit dem ich schon viel erlebt habe, hat vor ca. 1 Jahr angefangen sich zu verändern. Er war damals in der Linkspartei aktiv, trat im Zuge der Flüchtlingswelle jedoch aus weil er unzufrieden mit den Position der Linkspartei war.
Seit seinem Austritt wurde er immer seltsamer, was politische und kulturelle Diskussionen betrifft. Er lehnt Massenmedien ab und informiert sich nur noch über das Internet, redet von "Lügenpresse" und "Systemverschwörung", schimpft über Flüchtlinge und macht oft Witze über den Islam.
Soweit, so verbreitet. Damit hätte ich leben können. Denn bisher konnte man mit ihm relativ vernünftig darüber reden, und er hatte auch immer gute Argumente für seine Sicht, blieb ruhig in Diskussionen, legte für Aussagen Beweise vor und lenkte manchmal ein, wenn seine Argumente widerlegt wurden. Er sprach auch eher selten von Politik, und ich auch.
Das ist vorbei. Ich weiß nicht, wie und wann es umschwenkte, es ging schleichend, er redete immer einen Ticken mehr über Politik, immer aggressiver, lenkte nicht mehr ein, und nach und nach eskalierten unsere Gespräche über Politik vollständig.
Gestern kam es zum Eklat, als wir über eine Bekannte sprachen, die Deutsche ist aber türkische Vorfahren hat. Er meinte dann, sie sei keine Deutsche. Als ich ihn fragte warum sagte er, dass man Deutscher nur von Blutes sein könne.
Ich fragte ihn wieder, was er damit meine. Er sagte, wenn die Vorfahren deutsch seien, nur dann, egal was im Pass stünde. Ich fragte ihn, bis in welche Generation zurück es denn seiner Meinung nach gehen müsse und ob ihm klar sei, dass auch mein (Stief)Bruder einen amerikanischen Vater hätte und ob er, mit dem ich aufgewachsen sei, seiner Meinung nach dann auch kein Deutscher sei und ob das sein Ernst sei.
Er sagte ja, stand dann unvermittelt auf und begann mich anzubrüllen, was mir einfallen würde, ihn so "in die Ecke zu treiben" und das ich "auch einer von denen" sei und er diese "Spielchen" genau kenne und sich das nicht bieten lassen würde, und ich aufhören solle "Kampftaktiken" zu verwenden wie die "Bahnhofsklatscher". Ich schrie dann zurück was zum Teufel er damit meine und ob ihm klar sei, dass er gerade meinen Bruder beleidigt hätte (er leidet schon lange darunter, dass er aufgrund seines Namens und Aussehens selten als Deutscher gesehen wurde). Danach stürmte er aus dem Haus.
Danach schickte er mir auf Whatsap noch seltsame Screenshots von Internet-Forenbeiträgen, die ich bisher nicht beantwortet habe,
Ich sitze immer noch relativ fassungslos und unglaublich wütend da. Wie konnte er sich so verändern, und woher kommt diese plötzliche Aggression? Ich bin nicht seiner Ansicht und fasse es nicht, dass er so über meinen Bruder geredet hat. Ist die jahrelange Freundschaft jetzt vorbei? Wie geht man mit sowas um? Ich hab (hatte) ihn als Mensch echt gerne. Was würdet ihr tun? Sorry für den langen Text..
13 Antworten
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Das ist echt heftig - nur leider heutzutage zunehmend keine Seltenheit mehr. Die Leute radikalisieren sich - und die rechte Szene kann mitunter in ihrem Vorgehen tatsächlich schon an Sekten erinnern.
In solchen Kreisen geht's immer um "Kameradschaft", um "Zusammenhalt", um "Selbstschutz" und andere schön klingende Worte - und dann werden den Leuten Stück für Stück die ideologischen Gifte eingeimpft, die dann in Diskussionen mit jemandem wie dir ihren Effekt haben.
Der Ansatz des "Ihr habt alle keine Ahnung, denn nur ICH/WIR verstehen, was gerade passiert." macht jegliches Eingreifen von Außen leider unmöglich. Ein Therapeut würde die Radikalisierung deines Freundes vermutlich nicht zuletzt auf das Aufkündigen seiner Wohnung zurückführen - das wird deinen Freund allerdings herzlich wenig kümmern.
Die einzigen Möglichkeiten, die man da hat, sind Folgende:
1. Wenn du noch mehr seiner Freunde kennst, denen diese radikale Veränderung ebenso (negativ) auffiel, könntet ihr über ein Interventionsgespräch nachdenken. Wenn vier oder fünf Menschen, die schon lange zu seinem Leben gehören, geeint auftreten, kann er das nicht so einfach relativieren, wie jeden einzeln. Und bevor man ihn nicht "wachrüttelt", wird sein Kopf nicht zulassen, dass er erkennt, dass er abdriftet.
2. Abstand nehmen. Er war anständig, das streitet niemand ab - umso trauriger ist es, dass er diesen Aspekt offenbar verloren und durch Rassismus und Nazismus ersetzt hat. Doch alle Trauer ist kein Grund dafür, sich mit Menschen zu umgeben, die sich derart menschenverachtend äußern und herumbrüllen. Da geht's einfach auch um den Selbstschutz. Du kannst versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen - aber wenn es nicht funktioniert, dann geh!
Es tut mir sehr leid, dass du das erleben musst. Sowas tut immer weh.
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Danke für das Kompliment. Es freut mich, wenn ich dir helfen konnte. Viel Glück für das Gespräch!
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Ich fürchte, daß Du ihn nicht auf den rechten Weg zurückbringen kannst. Wer sich so radikal verändert hat, wie Du ihn beschreibst, ist in einer Blase gefangen, aus der ihn ein Außenstehender nicht rausholen kann. Bevor er nicht selbst einsichtig wird, kommt niemand an ihn heran.
Du wirst Dich wohl oder übel von ihm abwenden müssen. Hilfe wird er nicht annehmen.
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Die Länge des Textes ist hier schon berechtigt, denn sonst hätten wir nicht DEN Eindruck, den wir bekommen müssen, um Dich bzw. Deinen Bekannten - ich weigere mich, ihn als -Freund- zu bezeichnen - zu verstehen. Oh mann! Was sagt man dazu! Ich kann mir vortellen, dass dieser Bekannte eher allein lebt. Er macht sich Gedanken. War ja auch am Anfang gut. Jetzt driftet er mehr und mehr runter. Nur: Wohin?
Du hast doch noch einen guten Draht zu ihm. Frag ihn mal ganz ruhig und besonnen, ob er leidet. Und unter was er leidet. Ob er sich Hilfe holen mag. Ich kann mir vorstellen, dass sein Ansinnen einen ganz anderen Grund hat als die Politik an sich. Denn er entfernt sich immer mehr vom Realen. Das macht mir große Sorge - wie Dir ja auch. Da muss etwas unternommen werden. Nur weiß ich nicht wer und wo. Und Dein - Freund - muss unbedingt bereit dazu sein, sich helfen lassen zu wollen. Sonst wird das nichts und Ihr streitet Euch noch bis zum Kampf.
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Sei ihm weiterhin eine Freundin, wenn Du das seelisch durchstehst. Er braucht ja Halt und den findet er bei Dir. Wenn er mit Dir diskutieren will, sag ihm immer wieder, dass er sich Hilfe holen soll. Sag es nicht als Vorwurf, sondern als Angebot. Und beobachte weiterhin. Sag ihm auch, dass er irgendwann an DEM Punkt angekommen sein wird, wo Du nur noch die Polizei verständigen kannst, um ihn vor sich selbst zu schützen ;-)
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Der hat längst neue Freunde gefunden, früchte ich. Irgendwo muß er den Schmarrn ja herhaben. er braucht dich nicht mehr als Freund, also solltest du einfach loslassen. Diskutieren bringt da nix.
So ist das im Leben, nicht alle Freundschaften halten für immer.
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Jetzt ist individuelle Hilfe gefragt und keine Allgemeinplätze.
Leider ist der Verlauf den du hier beschreibst bei weitem kein Einzelfall. Dennoch mus die Hilfe hier auf deinen Freund abgestellt werden, weil jeder nunmal anders tickt.
Hier ein link der dir weiterhelfen kann: http://www.violence-prevention-network.de/de/aktuelle-projekte/crossroads
Viel Erfolg
Ich weiß, was du meinst. Ich habe ihn tatsächlich schon gefragt, ob was los sei. Ihm wurde seine Wohnung gekündigt und sein Job steht auf wackligen Beinen. Vielleicht kommt es ja da her. Aber er will keine Hilfe und sagt, er sei gestresst aber zufrieden mit seinem Leben (war vor ca 2 Wochen).