Freud, Instanzenmodell?

1 Antwort

Bezieht sich Freud beim Es auf alle möglichen Triebe

Das Es handelt nach dem Lustprinzip und verlangt nach sofortiger Befriedigung der Triebe. Ursprünglich formulierte Freud das Lustprinzip als nach der Libido (sexuelle Triebe) und dem Todestrieb agierend, später wurde das Es aber als verantwortlich für alle Triebe, insbesondere auch den sog. Selbsterhaltungstrieb, definiert (vgl. Freud, 1932, Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse; Freud, 1940, Abriss der Psychoanalyse).

Ist quasi das Ich das resultierende aus dem.Über Ich und dem Es?

Nein, das Ich entwickelt sich unabhängig vom Über-Ich. Nach Freud entsteht das Ich bereits kurz nach der Geburt als sog. frühes Ich. Handeln tut das Ich nach dem Realitätsprinzip, es bringt die Triebregungen des Es mit der Realität in Einklang.

Was versteht man unter "verdrängten Erlebnissen

Aufgrund unserer Kultur und Zivilisation können nach Freud nicht alle unserer Triebe ausgelebt werden und werden unterdrückt. Hierdurch kommt es zu einer Reaktion des Ich, das fürchten kann, die innere Kontrolle über die Forderungen von Es und Über-Ich zu verlieren (vgl. Freud, 1913, Totem und Tabu). Um diesem Konflikt zu entkommen, wendet das Ich Abwehrmechanismen, wie bspw. die Verdrängung an. Bestimmte Erlebnisse, Gefühle oder Gedanken werden verdrängt; ist die Verdrängung unvollständig, so können die verdrängten Dinge laut Freud auch wieder unbewusst zum Vorschein kommen, bspw. durch Träume oder Lapsus Linguae.

Das Es "sitzt" ja quasi im unbewussten Teil der Seele, richtig?

Das ist korrekt. Die Prozesse des Es finden vollständig unterbewusst statt und folgen dem Lustprinzip.

Schlussendlich sei aber natürlich noch anzumerken, dass Freuds Theorien zwar für die Entwicklung der Psychologie, insbesondere der klinischen Psychologie, sehr bedeutend waren, heute aber auch zu großen Teilen überholt sind. Das Strukturmodell der Psyche nach Freud wird teilweise noch in der Psychoedukation (insbesondere bei Kindern) eingesetzt, es ist aber anzunehmen, dass unser Bewusstsein weitaus komplexer ist, als es in diesem Modell mit drei Instanzen dargestellt wird und dass soziale Interaktion deutlich wichtiger ist als Sexualität (wie Freud es mit der psychosexuellen Entwicklung annahm).

LG


ViDa1111 
Beitragsersteller
 25.11.2023, 23:54

Vielen Dank erstmal! Ich dachte, dass das Ich quasi wir sind und dieses durch das Über Ich und das Es in der Realität bei Entscheidungen beeinflusst wird, sodass das Ich (wir) aus dem Über ich und dem Es resultieren, gebildet werden.

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ruhrgur  26.11.2023, 00:00
@ViDa1111

"Wir" sind die Psyche als Ganzes, das Ich ist lediglich eine Instanz davon. Das kann etwas verwirrend sein, da in anderen Bereichen der Psychologie der Begriff "ich" durchaus als Bezeichnung für das Selbst genutzt wird; mit dem Instanzenmodell nach Freud (welches immer als Nomen groß geschrieben wird) hat das aber nichts zu tun.

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ViDa1111 
Beitragsersteller
 26.11.2023, 12:04
@ruhrgur

Wie kann man sich das Ich dann vorstellen? Ich dachte das wäre die kontaktstelle zur Außenwelt.

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ruhrgur  26.11.2023, 12:15
@ViDa1111

Das ist auch korrekt; das Ich nimmt die Umwelt bewusst wahr und versucht (vorbewusst) die Bedürfnisse des Es und Über-Ichs anhand dessen miteinander in Einklang zu bringen.

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ViDa1111 
Beitragsersteller
 26.11.2023, 12:21
@ruhrgur

Ist das Ich der Übermittler zu uns quasi? Ich habe ja quasi das Es und das Über Ich, die geraten in Konflikte. Das Ich entscheidet, auf wen es "hört" und was passiert dann mit der Entscheidung? Ist die Entscheidung des Ichs dann die, die wir ausüben? Und wenn das Ich nicht wirklich wir sind, was meint man, dass es zu Veränderungen des Ichs kommt? Meint man damit, dass es durch die ständigen Konflikte und Forderungen der Umwelt sich umentscheidet, beispielsweise mehr auf das Über Ich oder das Es einzugehen? Weil habe anfangs gedacht, dass dadurch unsere Denkweise geändert wird.

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ruhrgur  26.11.2023, 12:34
@ViDa1111

"Wir" sind nach Freud unsere Psyche als Ganzes, das Ich ist nur eine einzelne Instanz. Die Triebe des Es widersprechen oft den Werte- und Normvorstellungen des Über-Ich und werden daher vom Ich in Abwägung mit der Umwelt in Einklang gebracht. Nach Freud ist das eben nicht immer möglich, weshalb das Ich zu Abwehrmechanismen greift, die, wenn sie unvollständig ausgeführt werden, später zu psychischen Probleme führen können.

Das Instanzenmodell der Psyche ist, insbesondere im Kontext dieses Konflikts, auch immer in Beziehung zu Freuds Modell der psychosexuellen Entwicklung zu setzen. Ich verlinke dir hier gerne nochmal ein Video, was diese Thematik m. E. sehr gut zusammenfasst.

https://www.youtube.com/watch?v=q-g8BT-pNBE

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ViDa1111 
Beitragsersteller
 27.11.2023, 20:55
@ruhrgur

Danke. Ich habe mir jetzt nochmal paar Videos angeschaut und es näher verstanden. Jedoch bleibt mir eine Frage übrig: Wie versteht man, dass das Ich unterbewusst ist? Es ist ja quasi der Vermittler des Über Ichs, der Forderungen der Außenwelt und des Es und trifft dann eine Entscheidung (probiert Forderungen in Einklang zu bringen) wodurch Folgen, wie Schuldgefühle entstehen. Was soll daran vorbewusst sein?

Warum ich das Über Ich alles drei gleichzeitig?

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ruhrgur  27.11.2023, 21:26
@ViDa1111

Das Ich ist nicht unterbewusst, es hat Zugang zum Vorbewusstsein. Das Es ist vollständig unterbewusst, das Ich bewusst und das Über-Ich unterbewusst, hat aber Zugang zu allen Ebenen des Bewusstseins.

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ViDa1111 
Beitragsersteller
 27.11.2023, 21:27
@ruhrgur

Was bedeutet Vorbewusstsein?

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ViDa1111 
Beitragsersteller
 27.11.2023, 22:31
@ruhrgur

Vielen Dank! Also was unbewusst ist, aber auch bewusst werden kann? Kannst du da ein Beispiel geben? Und wie meinst du, dass Über Ich hat Zugang zu allen Ebenen, es kann also auch bewusst sein und wie geht das dann, könntest du das mit einem Beispiel erklären?

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ruhrgur  28.11.2023, 14:51
@ViDa1111

Es gibt nach Freud drei Ebenen des Bewusstseins, das Ich ist hiermit der "Hauptteil" des Bewusstseins, das Es des Unbewussten und das Über-Ich des Vorbewussten.

Ein klassisches Beispiel für das Vorbewusste sind Bewegungsabläufe und Reflexe, wie z. B. das Blinzeln. Dies geschieht im Regelfall vollständig unbewusst, kann aber, wenn du aktiv darüber nachdenkst, sich so anfühlen, als müsstest du deinen Lidschlag bewusst kontrollieren. Erst wenn der Gedanke wieder verdrängt wird, bemerkst du das Blinzeln wieder kaum noch.

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