Frage an bibeltreue Christen zu Johannes 20, 17?
Hi liebe Community,
es ist die Szene, in der Maria am Grab weint, und JESUS ihr erscheint.
"Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater im Himmel."
Wenig später jedoch wird Thomas dazu aufgefordert, die Wundmale JESU zu betasten, ja sogar seine Hände hineinzulegen.
Was bedeutet also die erstere Stelle genau? Ist JESUS unmittelbar nach Seinem Gespräch mit Maria ganz kurz in den Himmel aufgestiegen, um Seinen Auferstehungsleib dort erst noch zu vervollständigen, und sofort danach zu den Jüngern auf die Erde zurückgekehrt, die IHN von da ab wieder berühren durften?
Ich stelle die Frage absichtlich ein bisschen dumm, um Antworten nicht vorwegzunehmen. Denn ich bin hier wirklich etwas unsicher, und will in jedem Fall die unvoreingenommen richtige Antwort erwischen : )
Was also meint Ihr? Herzlichen Dank : )
9 Antworten
"Anrühren“ ist nur eine Bedeutung des griechischen Wortes hapto. Eine weitere der vielen Bedeutungen dieses griechischen Wortes ist „sich anklammern, festhalten“. (An Expository Dictionary of New Testament Words von W. E. Vine, Bd. IV, S. 145) Nach Storrs Übersetzung sagte Jesus: „Halte mich nicht fest: noch bin ich nicht zum Vater aufgefahren.“ Ähnlich geben die katholische Herder-Bibel und die französische Bible de Jérusalem (ebenfalls katholisch) diesen Text wieder. Die spanische Übersetzung Ediciones Paulinas verwendet den Ausdruck „Suéltame“, was „lass mich los“ bedeutet.
Wahrscheinlich war Maria Magdalene noch sehr davon bewegt, dass Jesus seinen Nachfolgern durch den Tod entrissen worden war. Als sie ihn nach seiner Auferstehung in seinem materialisierten Körper sah, klammerte sie sich an ihn, als ob sie befürchtete, sie könnte ihn wieder verlieren und ihn nie mehr sehen. Jesu Worte sollten das Mißverständnis beseitigen und ihr zeigen, dass sie ihn nicht krampfhaft festzuhalten brauche aus Furcht, er könnte sonst wieder entweichen.
So denke ich. Ich denke auch, dass Jesus das sehr liebevoll sagte. Maria war eine der Ersten, die den auferstandenen Jesus sehen durfte und jetzt wurde ihr sogar anvertraut, diese gute Nachricht auch anderen zu erzählen.
In der MacArthur-Studienbibel steht dazu:
"Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren. Aus Furcht ihn wieder zu verlieren, wollte Maria sich an seine physische Gegenwart klammern. Jesu Hinweis auf seine Himmelfahrt lässt erkennen, dass er nur vorübergehend bei ihnen sein würde, und obschon sie verzweifelt wünschte, er möge bei ihr bleiben, war ihm dies nicht möglich. Jesus war nur 40 Tage bei ihnen und fuhr dann in den Himmel auf (Apg 1,3-11). Nachdem er zum Vater gegangen war, sandte er den Heiligen Geist (»den Beistand«), so dass sie sich nicht verlassen fühlen mussten.
meinen Brüdern. Die Jünger wurden »Knechte« oder »Freunde« genannt (15,15), aber nicht »Brüder« - bis zu diesem Zeitpunkt. Diese neue Beziehung zu Christus wurde durch das stellvertretende Kreuzeswerk Jesu ermöglicht (Röm 8,14-17; Gal 3,26.27; Eph 1,5; Hebr 2,10-13)."
Und im Walvoord-Bibelkommentar:
"Sie hätte ihn vielleicht auch umarmt, doch der Herr fuhr fort: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen .... Diese Worte verweisen auf eine ganz neue Beziehung, auf eine neue Verwandtschaft und eine neue Verantwortung. Die Übersetzung "rühre mich nicht an" hat viele Exegeten verwundert fragen lassen, warum Jesus nicht berührt werden durfte; er war ja nicht "unberührbar" (vgl. Mt 28,9; Joh 20,27). Die Übersetzung "halte mich nicht fest" wäre hier also glücklicher, denn das war es, was sich viele Menschen wünschten. Maria hatte Jesus kurz zuvor (bei der Kreuzigung) verloren, und es war ganz natürlich, dass sie sich nun vor einem erneuten Verlust fürchtete.
Jesus wollte sagen, dass die Gemeinschaft zwischen ihm und seiner Kirche nicht physischer Natur sei. Mit seiner Himmelfahrt und dem Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche sollte eine neue Beziehung zwischen den Gläubigen und ihm beginnen. Er erklärte diese neue Verwandtschaft auch: Er nannte seine Jünger Brüder. Früher hatte er sie als seine Freunde bezeichnet: "Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid ... euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid" (Joh 15,15). Wer an Jesus glaubt, wird ein Teil seiner Familie und hat Gott zum Vater (vgl. Röm 8,15-17.29; Gal 3,26; Hebr 2,11-12). Marias neue Verantwortung aber war, daß sie Zeugnis geben mußte von seiner Auferstehung. Ihr wurde dreifache Gnade zuteil: sie sah die Engel; sie war die erste, die den auferstandenen Jesus lebendig sah; und sie sollte die gute Nachricht verkündigen. Auch den heutigen Christen wurde eine besondere Gnade zuteil: Auch sie haben diese neue Verantwortung, vor der Welt Zeugnis abzulegen (vgl. Mt 28,18-20).
Jesu Worte "ich fahre auf zu meinem Vater" sind abermals ein Zeugnis für seine Sohnschaft. Maria und die anderen Frauen verkündigten den Jüngern die Nachricht über die Auferstehung, doch nach Lukas glaubten sie ihr und den anderen nicht, "und es erschienen ihnen diese Worte, als wär's Geschwätz" (Lk 24,11; vgl. Lk 24,23)."
Was bedeutet also die erstere Stelle genau?
Es bedeutet nach damaliger Vorstellung, dass der Auferstandene der Maria begegnet ist, als er gerade aus dem Totenreich kam und auferstanden war und danach erst zum Vater ging, bevor er dann den Zwölfen begegnete, inkl der Berührung durch Thomas.
Nehmen wir an, Du hast einen Unfall erlebt. Ein paar Tage später fragt man Dich: Was haben sie genau gesehen?
Die gleiche Frage stellt man noch ein paar anderen Leuten.
Da ist klar, wenn man sich nicht abgesprochen hat, dann werden nicht alle das Gleiche gesehen haben.
Die Bibeltexte wurden lange nach den Ereignissen aufgeschrieben. Zum Teil hat man etwas von Dritten gehört.
Es spricht für den Wahrheistgehalt der Bibel, dass man solche Widersprüche später nicht "korrigiert" hat.
Mit diesem Text hatte ich auch lange Zeit meine liebe Mühe, bis mit der Geist Gottes den Hintergrund verdeutlichte: Maria sollte nicht auf den leiblichen Jesus klammern, sondern auf den der er im Himmel sein wird. Seine Rollen und Aufgaben unter seinem himmlischen Vater. - Von da wirkt er heute!
Ja, das war eigentlich auch immer meine Interpretation dieser Bibelstelle. Wichtig ist wohl, "berühren" eher mit "festhalten", "anklammern" zu übersetzen.
: )
Extrem interessanter Gedanke, den ich so noch nie gedacht habe!
Also im Sinne von: "Keine Panik, ich bin ja noch nicht weg, ich gehe auch noch nicht so schnell." ?