Findet ihr Behindertenwerkstätte bereiten vor auf dem 1. Arbeitsmarkt?

Nein 83%
Teilweise 17%
Ja 0%

12 Stimmen

7 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
Nein

Das ist zwar der Sinn von diesen Werkstätten. Effektiv passiert das aber nicht.

Anne Gersdorff: Das deutsche Werkstättensystem wird gerügt, weil es nicht inklusiv ist. Es ist ein in sich geschlossenes System, denn die Übergänge von den Werkstätten in den weiteren Arbeitsmarkt liegen seit Jahrzehnten konstant unter einem Prozent. Das heißt, kaum jemand, der in eine Werkstatt geht, kommt da je wieder raus. Die Beschäftigten sind ihr Leben lang auf Grundsicherung angewiesen, weil sie von den Werkstätten nur ein Taschengeld für ihre Arbeit ausgezahlt bekommen.
Sven Papenbrock: Nach der Schule bin ich in eine Arbeitsagentur gegangen. Der Vermittler hat mich gesehen und sofort gesagt: Für Sie habe ich nur eine einzige Lösung, und das ist die Förderstufe. Ich habe zehn Jahre in Berliner Werkstätten gearbeitet. Ich habe mich da ein bisschen unterfordert gefühlt. Ich konnte auch Tätigkeiten nicht so gut ausführen, zum Beispiel Etiketten von Flaschen abziehen. Das ist kompliziert, weil ich meine Hände nicht so gut bewegen kann. Die Tätigkeit hat überhaupt nicht zu meinen Fähigkeiten gepasst. Ich bin besser in anderen Bereichen, zum Beispiel Kommunikation. Seit zweieinhalb Monaten bin ich jetzt bei den Sozialhelden. Ich übersetze Artikel in Leichte Sprache. Ich habe in der Zeit mehr gelernt als in den zehn Jahren in den Werksstätten und habe auch viel mehr Kontakte zu Menschen.

»Wer einmal in der Werkstatt ist, kommt nie wieder heraus« – ak analyse & kritik (akweb.de)

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Heilerziehungspflegerin/ Ally der Behindertencommunity
Nein

Die sind dafür nicht da würde ich sagen.


Selkiade  30.08.2023, 12:55
Die sind dafür nicht da würde ich sagen.

Doch genau dafür sind sie da!

Behindertenwerkstätten sind offiziell eine Eingliederungsmaßnahme für den allgemeinen Arbeitsmarkt - dies wird aber nicht wirklich umgesetzt.

Teilweise

So richtig nicht. Ich würde sagen das können sie auch nicht, dafür gibt es andere Stellen. Sie sind eher die erste Stufe, zur Vorbereitung. Man lernt einfach zu Terminen zu erscheinen, einige Stunden lang zu arbeiten und sich zu konzentrieren. Viel mehr leisten sie nicht. Das ist bereits eine gute Hilfe, aber ausreichend um auf den 1. Arbeitsmarkt zu kommen, ist es natürlich nicht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Schulische und normale Ausbildung + an der Uni gearbeitet
Nein

Meines Wissens sind Behindertenwerkstätten auch nicht so gedacht. Dort arbeiten normalerweise Menschen, die aufgrund ihrer Einschränkungen keine Chance auf dem 1. Arbeitsmarkt haben.


Selkiade  30.08.2023, 12:28
Meines Wissens sind Behindertenwerkstätten auch nicht so gedacht.

Doch! Genau das ist der Sinn.

Behindertenwerkstätten sind offiziell eine Eingliederungsmaßnahme für den allgemeinen Arbeitsmarkt - dies wird aber nicht wirklich umgesetzt.

annie80  30.08.2023, 12:31
@Selkiade

Sag das mal einer Person, die seit Geburt mit kognitiven Einschränkungen im Rollstuhl sitzt und nicht mal selbstständig essen und trinken kann.

Selkiade  30.08.2023, 12:33
@annie80
Sag das mal einer Person, die seit Geburt mit kognitiven Einschränkungen im Rollstuhl sitzt und nicht mal selbstständig essen und trinken kann.

Und? Sind das die einzigen Beschäftigten in einer Behindertenwerkstatt?

Selkiade  30.08.2023, 12:36
@annie80

Ich habe übrigens einen Kumpel, der zwar keine kognitive Einschränkung hat, aber durch eine Spastik seine Arme & Beine nicht bewegen kann, daher im Rollstuhl sitzt und persönliche Assistent*innen beschäftigt.

Er studiert, lebt alleine und macht Urlaube. Funktioniert - wenn man denn inklusiv denkt und lebt.

annie80  30.08.2023, 12:37
@Selkiade

Nein, aber es ist doch so, dass die überwiegende Mehrheit in einer solchen Einrichtung gar nicht fähig sind, auf dem 1. Arbeitsmarkt arbeiten zu können.

Für die, denen es besser geht, gibt es meines Wissens geschützte Arbeitsplätze.

Selkiade  30.08.2023, 12:41
@annie80
Nein, aber es ist doch so, dass die überwiegende Mehrheit in einer solchen Einrichtung gar nicht fähig sind, auf dem 1. Arbeitsmarkt arbeiten zu können.

Genau anders herum ist es. Ich habe in einer Werkstatt mein FSJ gemacht - ca. 80% hätten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können...

Für die, denen es besser geht, gibt es meines Wissens geschützte Arbeitsplätze.

Du meinst Außenarbeitsplätze?

Ja, die gibt es. Wer in einem Außenarbeitsplatz arbeitet macht die selbe Arbeit wie die festangestellten Kolleg*innen. Während die jedoch 1000 € und mehr an Gehalt erhalten, erhält die behinderte Person weiterhin lediglich ein Werkstatt-Entgelt von 150€, vielleicht 200€... - für die gleiche Arbeit, für die die anderen das 5fache bekommen... Nicht gerade attraktiv!

Selkiade  30.08.2023, 12:44
@annie80
Das ist doch schön, dass ihm das so gelingt.

Dafür haben er, seine Familie und seine Freund*innen aber auch lange kämpfen müssen. Er war erst auf der Förderschule und hat diese ohne Abschluss verlassen. Hat dann für die Hauptschule gekämpft, danach für die Realschule, dann fürs Gymnasium und schließlich musste er sogar um den Studiumsplatz kämpfen, obwohl er den erforderlichen NC hatte.

Nur weil er eine Spastik hat und Rollstuhlfahrer ist, wollte man ihn in die Behindertenwerkstatt verfrachten - dort wäre er vollkommen unterfordert gewesen...

Nein

Das ist meistens traurige Endstation.