Ernähren wir uns mit Licht?

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Ökosysteme sind thermodynamisch gesehen offene Systeme. Anders als in einem geschlossenen System, wo Energie nicht verloren geht, sondern lediglich in andere Energieformen umgewandelt wird, verlieren offene Systeme permanent Energie an ihre Umgebung. Der menschliche Organismus etwa kann nicht die gesamte Energie aus der Nahrung in Wachstum und Fortbewegung stecken, denn ein großer Teil der Energie wird als Wärme nicht nutzbar an die Umwelt abgegeben..

Jedes Ökosystem, egal ob an Land oder in den Ozeanen, ist letzten Endes abhängig vom Sonnenlicht und einer ganz entscheidenden biochemischen Reaktion: der oxygenen Photosynthese. Bei der oxygenen Photosynthese wird die Energie des Sonnenlichts genutzt, um die energiearmen anorganischen Verbindungen Kohlendioxid und Wasser zu assimilieren, d. h. in die energiereiche organische Verbindung Glucose (Dextrose, Traubenzucker) umzuwandeln - als Abfallprodukt entsteht dabei Sauerstoff. Deshalb wird diese Form der Photosynthese oxygen bezeichnet. Manche Bakterienarten können noch andere Arten von Photosynthese betreiben, dabei entsteht aber kein Sauerstoff. Wenn wir nachfolgend nur von Photosynthese sprechen, ist aber nur die oxygene Photosynthese gemeint. Die Gesamtheit der Organismen, die Photosynthese betreiben und dabei organische Biomasse aufbauen, bezeichnet man auch als Produzenten. An Land sind die Pflanzen die dominierenden Produzenten. In marinen (ozeanischen) und limnischen (Süßgewässer: Seen, Bäche, Flüsse usw.) Lebensräumen dagegen gehören die dominierenden Produzenten zum Phytoplankton.

Aber von der gesamten Sonnenenergie kommt nur ein Bruchteil auf der Erde an. Ein großer Teil wird durch Wolken wieder ins All reflektiert, ein anderer Teil trifft auf den Boden und wird in nicht nutzbare Infrarotstrahlung (Wärme) umgewandelt. Hinzu kommt, dass der Wirkungsgrad der Photosynthese eher gering ist. Er liegt bei rund 20 bis 28 %. Das bedeutet, dass Pflanzen von der aufgenommenen Strahlungsenergie nur etwa 20 bis 28 % in chemische Energie (gebunden im Traubenzucker) umsetzen können. Deshalb wird nur etwa ein Zehntel der Energie an die nächste Trophie-Ebene weitergegeben.

Diese nächste Trophie-Ebene nennt man die Ebene der Konsumenten. Auf dieser Ebene wird keine weitere Biomasse mehr aufgebaut, sondern die von den Produzenten aufgebaute Biomasse wird aufgenommen (konsumiert). Produzenten ernähren sich autotroph (griech. αὐτός (autos) "selbst" und τροφή (trophe) "Ernährung"), d. h. sie stellen sich den Brennstoff für ihren Energiestoffwechsel selbst her. Ihr Brennstoff heißt Glucose. Der Prozess, bei dem autotrophe Organismen diese herstellen, kennen wir bereits - es ist die Photosynthese. Konsumenten dagegen sind heterotroph (ἕτερος (heteros) "fremd"). Sie stellen ihren Brennstoff nicht selbst her, sondern müssen ihn als Nahrung aufnehmen, indem sie andere Lebewesen fressen. Alle Konsumenten ernähren sich damit direkt oder indirekt von Pflanzen.
Direkt ernähren sich die Pflanzenfresser (Herbivoren) von Pflanzen. Die meisten Pflanzenfresser benötigen bei der Verdauung jedoch Hilfe. Pflanzen enthalten in großen Anteilen die so genannte pflanzliche Gerüstsubstanz, damit sind die Bestandteile der Zellwände gemeint, im Wesentlichen also Cellulose und Amylopektin. Um diese Stoffe zu verdauen, werden ganz bestimmte Enzyme benötigt, die Tieren jedoch fehlen. Es gibt aber Mikroorganismen, die diese Enzyme besitzen und mit den pflanzenfressenden Tieren in Symbiose leben. Typische Pflanzenfresser sind z. B. die großen Herbivoren in Afrkia wie Giraffe (Giraffa camelopardalis), Zebra (Equus quagga), Elefant (Loxodonta africana) und Streifengnus (Connochaetes taurinus), aber auch kleinere Pflanzenfresser wie Thomson-Gazelle (Eudorcas thomsonii), Klippspringer (Oreotragus oreotragus) oder Klippschliefer (Procavia capensis). Auch Allesfresser (Omnivoren) nehmen zu einem gewissen Teil Pflanzen direkt auf. Darüber hinaus ernähren sie sich aber auch zum Teil von tierischer Kost. Zu den Ominvoren gehören etwa Braunbären (Ursus arctos), Wildschweine (Sus scrofa) oder Ratten (Rattus sp.). Gänzlich von anderen Tieren ernähren sich die Fleischfresser (Carnivoren, Achtung! Nicht verwechseln mit der taxonomischen Säugetier"ordnung" der Carnivora, denn nicht alle Fleischfresser gehören zu den Carnivora und nicht alle Carnivora ernähren sich carnivor). Unter ihnen kann man noch einmal unterscheiden zwischen jenen Fleischfressern, die anderen Tieren aktiv nachstellen, diese also jagen und töten (Prädatoren oder Räuber) und solchen, die sich ausschließlich von bereits toten Tieren (Aasfresser) ernähren. Obwohl Fleischfresser primär andere Tiere fressen, sind sie dennoch indirekt von Pflanzen abhängig, denn ihre Beutetiere haben sich ja ihrerseits von Pflanzen ernährt und viele Fleischfresser nehmen auch Teile des Darminhalts ihrer Beute auf. Somit sind also alle Konsumenten direkt oder indirekt von Pflanzen abhängig - und beziehen damit Energie, die ursprünglich einmal im Sonnenlicht gebunden war.

Alle Lebewesen scheiden unverdaute Stoffe (Kot) aus und sterben irgendwann. Das tote organische Material, welches die Konsumenten hinterlassen, aber auch die Überreste abgestorbener Produzenten (abgestorbene Pflanzen) sind die Nahrungsgrundlage der Re-Mineralisierer (Destruenten). Sie ernähren sich von der abgestorbenen organischen Materie und bilden daraus anorganische Stoffe (Mineralstoffe). Diese wiederum werden wieder von Pflanzen als Dünger aufgenommen. Somit schließt sich der Nahrungskreislauf. Wir müssen aber beachten, dass dieser Kreislauf sich nicht selbst erhält, weil ja ein Ökosystem kein in sich geschlossenes, sondern ein thermodynamisch offenes System ist. Um es am Laufen zu halten, ist es daher immer auf die Zufuhr von Solarenergie von außen angewiesen. Ohne das Sonnenlicht gäbe es deshalb heute kein Leben.

Alle Ökosysteme an Land sind von der Sonne angewiesen. Auch im Meer sind die Ökosysteme auf das Sonnenlicht angewiesen. Doch da Sonnenlicht vom Wasser sehr rasch verschluckt wird und bis maximal 200 m Meerestiefe durchdringt, spielt sich das meiste Leben in ozeanischen Ökosystemen nur innerhalb dieser lichtdurchfluteten Zone, der euphotischen Zone, an, in der Photosynthese möglich ist. Der Großteil der Biomasseproduktion findet hier statt und hier finden wir auch die artenreichen Ökosysteme im Meer, z. B. die tropischen Korallenriffe. Ihre Biodiversität ist in etwa mit der der tropischen Regenwälder an Land zu vergleichen.
Es gibt aber auch Leben in der Zone unterhalb von 200 m, in der so genannten Tiefsee. Es sind aber vergleichsweise wenige Lebewesen und auch sie leben von der Biomasse, die durch die Photosynthese an der Meeresoberfläche assimiliert wird. Sie ernähren sich von dem, was als so genannter Meerschnee (Detritus) aus der euphotischen Zone in die Tiefsee sinkt - Nahrungsreste, Ausscheidungen und nach unten sinkende Kadaver von Fischen, Walen und abgestorbenes Plankton. Somit sind auch die Tiere der Tiefsee vom Sonnenlicht abhängig.

Es gibt jedoch ein Ökosystem, das eine andere Energiequelle als das Sonnenlicht anzapft. An Hydrothermalquellen in Bereichen der so genannten Schwarzen Raucher (Black Smokers) nutzen Mikroorganismen die aufsteigende Erdwärme zur Assimilierung des Kohlenstoffs (Primärproduktion). Schwefelbakterien betreiben hier eine besondere Form der autotrophen Ernährung, die Chemosynthese. Sie ernähren sich von reduziertem Schwefelwasserstoff und Sulfiden, die gelöst im hydrothermalen Wasser an den Schloten aufsteigen und oxidieren sie mit Sauerstoff zu elementarem Schwefel. Diese Schwefelbakterien bilden die Nahrungsgrundlage der lokalen Ökosysteme, indem sich Tiere einfinden, die die entstehenden Bakterienrasen "abweiden". Sie wiederum sind die Nahrungsgrundlage für größere Tiere. Manche Tiere, z. B. der Röhrenwurm Riftia pachyptila oder Tiefseemuscheln der Arten Calyptogena magnifica und die Tiefsee-Miesmuscheln Bathymodiolus azoricus leben mit den Schwefelbakterien in Symbiose. Der Röhrenwurm Riftia z. B. beherbergt in seinem Inneren Schwefelbakterien und ernährt sich von ihren Stoffwechselrpdukten, im Gegenzug versorgt er seine Symbionten mit sulfidreichem Wasser. Diese Symbiose ist so tiefgreifend, dass Riftia-Würmer nicht einmal mehr eine eigene Mundöffnung und einen Darm besitzt.
Allerdings sind die Ökosysteme der Schwarzen Raucher dennoch zumindest indirekt vom Sonnenlicht abhängig. Denn zur Oxidation nutzen die Schwefelbakterien Sauerstoff und dieser stammte wie jeder molekulare Sauerstoff auf der Erde, wenig überraschend, aus der oxygenen Photosynthese.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Meppel248 
Beitragsersteller
 16.01.2020, 15:46

Wow.. Die ausführlichste Antwort die ich bisher gesehen hab. Ist ja mehr als ein Eintrag ins Buch :D

Viielen Dank!!

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Darwinist  16.01.2020, 16:05
@Meppel248

Danke für das Lob und bitte sehr, ich hoffe, ich konnte helfen.

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Es sind die Pflanzen, die das Sonnenlicht mit der Photosynthese nutzen. Da aber alle Nahrungsketten mit den Pflanzen enden (Mensch - Kuh - Gras als - dummes Beispiel), kann man sagen: Letztlich ernähren sich alle Lebewesen von Sonnenenergie.

Grundsätzlich kann man das so sagen. Tiere essen entweder Pflanzen oder Tiere oder Beides. Pflanzenfresser werden also von Fleischfresser gefressen, Pflanzenfresser fressen Pflanzen und diese brauchen zum wachsen Licht aber auch Mineralstoffe, Wasser und C02. Also Sonnenenergie alleine genügt nicht, ist aber eine Grundvoraussetzung.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung