Erlösen von leidenden Wesen im Buddhismus?

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Wie handelt man laut der buddhistischen Lehre richtig?

So wie die Fragebeschreibung formuliert ist, wirkt es als suche dein Verstand nach dem "richtigen" Handeln. Im buddhistischen Sinn, - aber auch im ethischen und moralischen Sinn - ist alles "richtig" was sich "richtig" anfühlt.

Das Tier sozusagen seinem eigenen Karma überlassen? Fühlt sich auch nicht richtig an.

Ich würde sagen, da warst du auf dem richtigen Weg. Das Richtige findet man indem man nach innen fühlt. Wenn aus Wut und Hass getötet wird, fühlt man genau das eigene Leiden. Und wenn mit fortschreitender Zeit die Wut abnimmt, weil man Abstand von der Situation hat, kriegt man evt. Gewissensbisse. Ist deine Motivation zum Töten aber positiv, weil du Leiden vermindern willst, hast du eine gute Absicht, schickst dem toten Wesen noch gute Wünsche hinterher, und bist zufrieden mit dir selbst, weil du sicher bist, das Bestmögliche getan zu haben.
Um "richtig" zu handeln, muss man nichts von Buddhismus wissen. Man braucht nur seinem Herzen folgen.
Darum ist der Buddhismus so beliebt, - weil es eine Religion des Herzens ist. Aber das sollten eigentlich alle Religionen sein. Und nicht nur die Religionen!


Helpful 
Beitragsersteller
 13.02.2022, 19:14

Und was, wenn sich beide Optionen falsch anfühlen, so wie in meinem genannten Beispiel? Keine der beiden Optionen erscheint mir richtig.

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Reigel  14.02.2022, 09:43
@Helpful

Dann rate ich, dich in die Lage des verletzten Tieres zu versetzen. Wenn du dieses Wesen wärst und ein Mensch käme zu dir, was würdest du dir von ihm wünschen? Dass er dich erlöst oder dich deinem Leid überlässt oder eine dritte Option?
Jetzt schreib nicht: "Das weiß ich nicht." Dann hättest du es dir nicht intensiv genug vorgestellt.

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In dem Moment, wo dieses Tier vor uns liegt, sind wir unmittelbar mit dukkha verbunden. Das sind wir alle Zeit, aber hier wird es uns sehr bewusst. Das ist in dem Maße schmerzvoll, wie wir Mitfühlend sind. Aber gleichzeitig gewährt uns das Mitgefühl ein direkten Einblick in unsere wechselseitige Einheit.

Wenn wir tatsächlich in der Lage sind, tonglen zu üben, den Austausch des Gegenüber mit uns selbst, müssten wir nicht das Leid ertragen und dafür dem Menschen Frieden schenken, der uns helfen möchte?

Die Entscheidung ist nicht so wichtig wie die Motivation dahinter.

  • Wie handelt man laut der buddhistischen Lehre richtig?

Hier gibt es keine für alle Fälle gültige Anweisung. Wenn du nach deiner momentanen Überzeugung selbstlos (ohne Hass, ohne Erwartung von Gewinn) handelst, zieht das kein negatives Karma nach sich.

Abgesehen davon kamen mir bei dieser Frage noch zwei andere Gedanken auf:

  • Wäre ich überhaupt in der Lage, so eine "Erlösung" wirksam durchzuführen. Ich führe weder eine Schusswaffe noch ein Messer mit mir herum. Sollte ich also beispielsweise einen verletzten Hirsch mit meinen Händen erwürgen? Das Äußerste was ich zustande brächte, wäre, ein Insekt mit einem Tritt zu töten.
  • Mal künstlich weitergesponnen: Angenommen ich fände im Straßengraben einen schwerverletzten, noch heute sehr bekannten Politiker des letzten Jahrhunderts. Wäre es sehr abwegig, wenn einem da der Gedanke hochkäme "das geschieht dem jetzt aber recht"?
Angenommen ein Buddhist findet z.B. ein angefahrenes Tier. Das Tier liegt im sterben, leidet und hat keine Überlebenschancen mehr.

Das kann ich als medizinischer Laie nicht beurteilen. Es sollte immer ein Tierarzt konsultiert werden, der das fachlich korrekt einschätzen kann.

Angenommen ein Buddhist findet z.B. ein angefahrenes Tier. Das Tier liegt im sterben, leidet und hat keine Überlebenschancen mehr.

Gehen wir mal davon aus, der Tierarzt ist selber Buddhist:

Dann dürfte er das Tier erlösen. Ich möchte anmerken, dass Buddha selber den Selbstmord erlaubt hat, wenn die Qualen unerträglich wurden.

Aber wie lässt sich das rational begründen? Ganz einfach:

Mord an sich bringt kein schlechtes Karma, sondern Handlungen die Leid bzw. Glück erzeugen oder es verhindern. Erfolgt der Mord aus selbstlosem Mitgefühl & tiefer Rationalität, kann er sogar deinem Karma nützen.

Woher ich das weiß:Hobby – aktiv praktizierender Buddhist & belesen

satian  13.02.2022, 12:53

Kann ich voll zustimmen, mit nur einer kleinen Anmerkung, und zwar

  • dass Buddha selber den Selbstmord erlaubt hat, wenn die Qualen unerträglich wurden.

Das darf man jetzt nicht verallgemeinern, denn Buddha hat dies über einen ganz speziellen Fall ausgesagt (Channovāda Sutta), der einen Arhat (Channa) betraf. "... wenn man diesen Körper ablegt und an einem neuen Körper anhaftet, dann sage ich, ist man tadelnswert. Davon war im Bhikkhu Channa nichts zu finden; der Bhikkhu Channa nahm das Messer untadelig".

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Bodhgaya  13.02.2022, 13:28
@satian

Danke für Hinweis. Es ist länger her, dass ich das Sutra gelesen habe.

Ich habe es immer so interpretiert, dass Buddha eine geistige Entwicklung (oder zumindest keinen Abfall) vor dem Selbstmord verlangt hat. Damit die Voraussetzungen im nächsten Leben bessere sind.

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satian  13.02.2022, 14:50
@Bodhgaya

Kann ich gut nachvollziehen. Ich würde auch keinen verurteilen, der in so einer Situation entsprechend handelte. Mag sein daß es gut geht, aber die allermeisten sind (wie auch ich) nicht in der Lage, klar vorauszusehen, welche der fast unzählbar vorliegenden Kamma-Samen sich in der nächsten Existenz durchsetzen. Letztendlich liegt (trotz allem Verständnis für einen Suizid) keine neutrale Tat vor sondern ist praktisch Ego-bezogen: ICH will nicht leiden, ICH will die Auswirkung früherer Taten nicht tragen, ICH will daß es besser wird. Es kann also durchaus auch sein, daß es trotz bester Absicht "in die Hose geht". Das ist dann natürlich  keine "Strafe" für diese Handlung, sondern bedeutet lediglich, daß sich jetzt "andere" Kamma-Samen auswirken können.

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Ich würde das Tier erlösen, aber nicht ich selbst.

Ich würde es zum Tierarzt bringen, der es wahrscheinlich einschläfert.