Dichtestress bei Spitzhörnchen?

1 Antwort

Moin,

hmmm, deinen letzten Satz verstehe ich irgendwie nicht?! Was meinst du mit "runterfahren" oder worin besteht deiner Meinung nach ein Zusammenhang zwischen einem "heruntergefahrenen" Körper und der "Bereitschaft zu Flucht oder Kampf"??

Ich glaube, es geht um etwas anderes. Wenn es zu viele Individuen einer Art pro Fläche gibt, zeigen zum Beispiel Säugetiere oft ein ansonsten ungewöhnliches Verhalten oder sogar körperliche Reaktionen. Das fasst man dann in der Regel unter dem Begriff "Dichtestress" zusammen.

Die Verhaltensänderungen können sich in der Vernachlässigung von Jungtieren, in Apathie, in gesteigerter Aggression, in Kannibalismus, in Verhaltensweisen, die ansonsten für ein soziales Miteinander nicht förderlich oder sogar provozierend wirken oder in körperlichen Reaktionen wie (vorübergehender) Unfruchtbarkeit, einem erhöhten Stresshormon-Titer oder einer erhöhten Anfälligkeits- oder Sterblichkeitsrate.

Ich bin jetzt kein Fachmann für Tupaias (und habe gerade keine Lust durch eine Recherche einer zu werden), aber zwei Veränderungen bei diesen Tieren hast du ja bereits genannt.

Zu Frage 1: Na ja, die artinterne Bestandsregulation erfolgt offenbar auf zwei Wegen: einerseits hormonell, andererseits durch Kannibalismus.

Wenn es zu viele Individuen gibt, werden entweder Hormone ausgeschüttet, die eine Fruchtbarkeit von Männchen & Weibchen unterdrücken. Oder es wird das Ausschütten von Hormonen unterdrückt, die zur Fruchtbarkeit führen (wie gesagt, ich kenne die Körperfunktionen von Tupaias zu wenig, um das genauer abschätzen zu können). Auf jeden Fall reagieren die Tupaias bei einer zu hohen Individuenzahl so, dass sie keine weiteren Individuen in die Welt setzen (können), was indirekt die Populationsgröße vermindert (weil es ja immer noch eine Sterblichkeitsrate gibt). Der Vorteil dieser Geburtenkontrolle liegt wohl auf der Hand und könnte in einem Regelkreissystem dargestellt werden, etwa so:

Je mehr Tupaias, desto mehr Dichtestresshormone, desto geringer die Geburtenrate, desto kleiner die Populationsgröße, desto weniger Dichtestresshormone, desto mehr Geburten, desto mehr Tupaias, desto...

Die zweite bestandsregulierende Aktion besteht ja offenbar in der Ausbildung eines Kannibalismus (durch die Mutter). Das hat natürlich wieder die unmittelbare Folge, dass die Bestandsdichte abnimmt, diesmal ziemlich direkt (weniger Individuen, weil teilweise gefressen). Dass es dabei die Jungen trifft, ist auch irgendwie logisch, weil sie erstens am schwächsten sind, zweitens noch viel Zuwendung oder Brutpflege benötigen würden (was zu tun die Mutter aber aufgrund ihres Stresshormon-Titers nicht in der Lage wäre) und drittens ihre Überlebenschance ohnehin gering wäre, wenn es bei der zu großen Individuendichte bliebe (Ernährungsschwierigkeiten, Platzmangel, Ausbruch von Krankheiten...). Ganz nebenbei erhält die Mutter noch eine überlebenswichtige Nährstoffzufuhr (ist jetzt sehr zynisch formuliert, aber wenn die Jungtiere schon dem Tode geweiht sind, warum sollte man dann daraus nicht noch versuchen, einen Nutzen zu ziehen?).

Zu Frage 2: Der Vorteil ist in erster Linie die Verringerung der Populationsgröße. Erstens wird verhindert, dass neue Individuen hinzu kommen; zweitens wird der aktuelle Bestand dezimiert. So wird der Erhalt der Art gesichert, auch wenn dies mit ziemlicher Sicherheit nicht die Motivation der Tupaias sein dürfte, weil dies ein Erkennen und Analysieren der Situation sowie die Entwicklung eines gegensteuernden Verhaltensplans seitens der Tupaias erfordern würde, wozu die Tiere mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sind... Darum ist es vielleicht präziser zu sagen, dass sich bei den Tupaias einst solche Gene entwickelt und durchgesetzt haben, die in Dichtestress-Situationen Mütter ihre Jungen fressen lassen und die Fertilität herabsetzen.

LG von der Waterkant.