Ist das Dialekt oder einfach falsch?

8 Antworten

Grammatikalisch richtig ist: Alle, die denken ...

Es gibt jedoch, wie bereits erwähnt, Dialekte, da sagt man: Alle, wo denken ...

So sagt man übrigens auch in der Schweiz: Alli, wo dänkid, e ...

Dialekt und Hochdeutsch sind zwei verschiedene Dinge. Im Hochdeutschen gibts verbindliche Rechtschreiberegeln, an die man sich halten sollte. Dialekte gibts im deutschsprachigen Raum Hunderte, und jeder Dialekt hat seine Besonderheiten. Grammatische Regeln, welch im Hochdeutsch gelten, sind nicht auf die verschiedenen Dialekte anwendbar, und mit Dummheit hat es gar nichts zu tun, wenn jemand in seinem Dialekt spricht und Ausdrücke verwendet, welche im Hochdeutschen falsch sind.

Die Grammatik gilt auch in Dialekten, aber trotzdem hat es sich in einigen Regionen so entwickelt. Man sollte da dann also unterscheiden, ob diejenigen nur so sprechen oder auch die falsche Grammatik schreiben.

Übrigens wird fast von niemandem in Deutschland tatsächlich Hochdeutsch gesprochen, auch nicht von denen, die es von sich behaupten.

Das wird jetzt länger ... :D

Vorweg: Richtig bzw. falsch ist immer das, was von der Sprachgemeinschaft bzw. ihren Meinungsführern als richtig bzw. falsch angesehen wird. Das wird bestimmt durch Konvention und Kompetenz, die sich durch gelungene Kommunikation ergeben und bestätigen. Und in ihren Ergebnissen eben auch mit der Zeit und sich ändernden Bedürfnissen ändern.

Du kannst "eigentlich" davon ausgehen, wenn ein Muttersprachler etwas verwendet, dann ist es, jedenfalls in seinem Umfeld und in seinem Erfahrungsbereich, richtig.* Denn der Maßstab für richtig oder falsch ist der kompetente Muttersprachler. (Wer kompetent ist, das entscheidet im Zweifelsfall allerdings der Mensch, der eine Studie konzipiert …) Ob es auch gut ist oder schön, welcher Stilebene es angehört und wie ein anderes Umfeld dazu steht, ist eine andere Sache. Wir haben es also oft eher mit gutem bzw. schlechtem Stil als mit richtiger bzw. falscher Sprachverwendung zu tun.

Entscheidend ist zunächst, ob etwas kommunikativ funktioniert. Alles, was funktioniert und nicht das System der Sprache in Trümmer legt, ist insofern nicht „falsch“. Eine zweite Ebene der Botschaft allerdings vermittelt Informationen über den „Sender“ (Sprecher, Schreiber), unter anderem seine Bildungsschicht. Daher kommen die Statements zur „Dummheit“ auf dieser Seite. Hier geht es eher um Stil und soziale Zugehörigkeit.

*Dass es nicht in jedem Fall und jeder Situation richtig sein muss, erlebe ich oft, wenn Leute, die einwandfrei sprechen, Texte schreiben und dabei eine Sprache versuchen zu verwenden, die nicht ihre ist. Da glauben sie anscheinend, Wörter anbringen zu müssen, die sonst nicht von ihnen benutzt werden – und bringen dann zum Beispiel Wörter durcheinander (speziell Adverbien wie bisweilen anstatt bisher, etwaige statt etliche, gleichsam statt gleichfalls und so weiter); hier verlassen sie ihren Erfahrungsbereich und damit den Bereich ihrer Kompetenz.

Um zu deiner eigentlichen Frage zu kommen: Wo als undeklinierbares „Relativwort“ kommt im Deutschen tatsächlich vor, aber nur in Mundarten. (Namentlich in alemannischen Dialekten, aber auch im Preußischen, Berlinerischen und im Plattdeutschen in Verbindung mit einer Präposition; vgl. Hubert Grimme: Plattdeutsche Mundarten, de Gruyter 1922, S. 107.)

Im heutigen Hochdeutschen ist das definitiv falsch, in einigen Dialekten aber üblich. Die Regeln fürs Hochdeutsche gelten dort nicht, also kann man das nicht einfach mit „Dummheit“ abspeisen, auch wenn es im Hochdeutschen seltsam klingt. Im Schwyzerdütschen beispielsweise ist „wo“ der Standard. Hochdeutsch ist das entsprechende Relativpronomen formal identisch mit dem Demonstrativpronomen der, die, das (von dem es auch herkommt); in Dialekten steht dort oft wo, das Lutherdeutsche verwendet so zur Einleitung von Relativsätzen; noch Novalis hat so in dieser Funktion verwendet. Auch im Standarddeutschen wird oft statt einer Verbindung aus einer Präposition und einem Relativpronomen ein relativisches wo verwendet. Selbst Bastian Sick hat das in seiner "Zwiebelfisch"-Kolumne abgesegnet:

.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-das-schoenste-wo-gibt-a-421249.html

Wenn du Genaueres wissen willst, wo welche Form akzeptabel und wo sie tatsächlich falsch ist: Beim Googeln habe ich eine Seite des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim gefunden, welche die Verwendungen des relativischen wo im Deutschen mit stilistischen und grammatischen Bewertungen detailliert aufführt:

http://hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/fragen.ansicht?v_id=129

Deren Fazit: "In keiner Grammatik gilt das relativische wo als standardsprachlich akzeptabel. Die Beleglage bei Recherchen in der Tagespresse und im Internet zeigt, dass diese Verwendungen mit wo so gering sind, dass sich die Frage nach ihrem Vorkommen in Standard- und Schriftsprache darüber hinaus so gut wie erübrigt. ‘Den Mann, (den) wo‘ ist eine Sache der (gesprochenen) Dialekte. Dort allerdings ist seine Verwendung regelhaft und erlaubt."


Thelema  21.08.2015, 01:07

Ich wage mich mal weit aus dem Fenster und ziehe eine Verbindung zum englischen Relativpronomen „who“ – da die Basis des Englischen weitgehend der alten sächsischen (vom Volksstamm, nicht dem politischen Gebilde) Sprache – wenn man so will: der Vorläufer des Plattdeutschen – entspricht, halte ich die Annahme eines Relativpronomens „wo“ in altem (Platt-)Deutsch für durchaus möglich (lass mich da aber gerne eines Besseren belehren).

Die sprachgeschichtliche Forschung hat gezeigt, wie sich aus dem protogermanischen *hwaz (für neuhochdt. wer, was) das altenglische hwā wie das altsächsische hwē entwickelt hat und daraus das englische who, das plattdeutsche wo, wat und das deutsche wer, was. Dass ein plattdeutsches wo (westfriesisch heute noch Standard: wa) in einer Parallelentwicklung zum englischen who noch in Gebauch ist (also nicht vom lokalen Fragewort wo, sondern vom personalen wer herkommend), wenn auch in seiner historischen Herkunft und Entwicklung dem heutigen Sprecher nicht mehr bewusst, halte ich für durchaus denkbar. Vergleichbares könnte in anderen deutschen Mundarten geschehen sein.

Der deutsche Arzt und Philologe Karl Ferdinand Becker hat im 19. Jahrhundert darauf hingewiesen, dass das Angelsächsische wie das Altdeutsche keine besonderen Formen für das Relativpronomen gehabt haben, sondern diese aus den Demonstrativpronomen der, die, das bzw. den Fragepronomen wer, was entliehen haben (Becker: Der Organism der Sprache, Frankfurt 1827, S. 307). Das Englische hat heute noch die aus den Fragepronomen who und which und das aus dem Demonstrativpronomen that gebildeten Relativpronomen; im Standarddeutschen haben wir der, die, das, wer, was und welcher, welche, welches. Möglicherweise ist das relative wo in den deutschen Dialekten keine Ableitung aus dem lokalen Fragepronomen mit lokaler und temporärer Bedeutung, sondern erstarrt aus dem alten Fragepronomen *hwaz (wer, was). Ein Argument dafür wäre die erstarrte Form – wo wird weder in Kasus noch Genus, noch Numerus gebeugt, was typisch für (sehr) alte, nicht mehr produktive Forme(l)n ist.

Das sind jetzt reine Spekulationen auf einer geringen Datenbasis, aber vielleicht findet sich hier ja jemand, der stärker in sprachhistorische Forschung vertieft ist …

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Beides. "Wo" ist definitiv kein Relativpronomen, aber einige Dialekte halten sich nicht daran. Das bleibt grammatikalisch falsch, gehört aber zu dem Dialekt dazu.

Das ist ähnlich, wie wenn ein Berliner "Ich hab da noch ein ... zu liegen" sagt, oder ein Westfale die Kirche als "Kier-che" ausspricht, mit ch wie in lachen.

Im Hochdeutschen heißt es "Alle, die denken,..." In einigen Dialekten, z.B. im Nordbairischen (Oberpfalz) kann man sagen: "Alle, dej wou denkn,..." oder "Alle, wou(n) denkn,..."