Dass Lehrer ihre Schüler schlagen, ist ja in Bayern erst seit den 1980er Jahren verboten?


17.01.2024, 09:56

*Bayern

6 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich habe in meiner Realschulzeit Lehrer erlebt, die noch Anfang der 2000er Ohrfeigen verteilten, Kinder auf die Bank drückten und Ähnliches. Wieder andere bedauerten es offenkundig, dass sie keine Kinder mehr schlagen durften. Das waren sehr alte Lehrer, die damals kurz vor der Pensionierung standen; die waren spätestens 2002/03 weg vom Fenster, aber die Behörden und Rektoren wussten um die Neigung und saßen es aus nach dem Motto, die Personen spielen sowieso auf Zeit.

Auch der Konrektor meiner Realschule war so ein "Schläger-Lehrer" und hatte sogar einen Spitznamen, der mit "Watsche" zu tun hatte. Einmal nahm er mich mit in sein Zimmer, das war im Sommer 2002, um mir eine Ohrfeige zu geben und mich dann zu verhöhnen. Ich wusste in dem Moment gar nicht, was ich sagen sollte, als er erst mal dumm grinste, mir dann einen Vortrag hielt, dann ausholte und mir so richtig eine scheuerte. Der Grund war, dass ich angeblich eine Lehrerin geärgert habe, mit der er dick befreundet war; es war aber ein abgekartetes Spiel - die Wahrheit war, dass er sich 30 Jahre eher über meinen Großonkel und meine Oma geärgert hat und meinte, man habe ihn benachteiligt. Er trug teils noch 30-40 Jahre später Streitigkeiten, die er mit Leuten hatte, auf dem Rücken von deren Kindern oder Enkeln aus; nach außen hin gab er den freundlichen Pfarrgemeinderat und sonstiges. Er hat auch einige meiner Mitschüler wiederholt in sein Zimmer "gebeten", um ihnen dort eine Ohrfeiger oder mehrere zu verpassen und die Kinder dann auszulachen, in der Regel Fünft- oder Sechstklässler aus Familien "die er nicht so gemocht hat" oder mit denen er mal Probleme gehabt hatte. Das war Usus und sicher nicht nur an meiner Realschule so gebräuchlich - diese alten "Dorflehrer" habe ich bis auf einen als schlimm, bigott und unglaublich verlogen in Erinnerung.

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Mein Onkel hat mir damals gesagt, mancher der häufiger "rangenommen" wurde trug öfters mal eine bayrische Lederhose, damit sie die Schläge nicht so spürten. Teilweise riefen die Lehrer dann auch noch bei den Eltern daheim an, dass das Kind "nicht brav war" und bewirkten, dass es für den "nicht braven" Zögling daheim eine noch umfangreichere Abreibung gab kaum dass er von der Schule nach Hause kam und dort das Blut so richtig spritzte, "weil der Herr Lehrer bestimmt Recht hat" - und wenn der Pfarrer anrief und sich beklagte wenn der kleine Otto, der kleine Burkhard oder der kleine Manfred im Gottesdienst nicht minutiös aufpassten und "den lieben Gott geärgert haben", war das noch schlimmer, weil man in meiner Heimat unglaublich bigotte Tendenzen hat.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Verofant  17.01.2024, 10:07

Von meinem Vater, der so um 1940 die Schulbank gedrückt hat weiß ich, dass Schläge damals an der Tagesordnung waren. In der Schule und Zuhause. Das mit der Lederhose hat er auch erzählt.

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rotesand  17.01.2024, 10:11
@Verofant

Mein Onkel ist Jahrgang 1959. Zuhause wurde bei uns nie geschlagen, wir waren eine sehr gesprächsorientierte Familie mit gutem Umgangston. Gewalt war absolut verpönt. Mein Onkel meinte mal, dass es in den 70ern mit dem Schlagen in der Schule rückläufig geworden sei, weil es öffentliche Diskussionen gegeben habe, aber es immer Lehrer gab, die schlugen - der "Watschen"-Spitzname des Konrektors hielt sich über Jahrzehnte. Er wurde mir u.a. von meiner Tante bestätigt, die um 1980 herum auf der Realschule war und diesen Konrektor als Lehrer gehabt hatte.

Bei uns (ich bin Jahrgang 1990) geht es aber noch weiter: Eine Religions-Lehrerin, Schönstattschwester, heute in einer Art Schönstattzentrum mit Ordenstracht und Ordensnamen ansässig, ach so fromm und lieb; so fromm, dass sie beim Vaterunser und "Gegrüßet seist du Maria" weinte, hat Köpfe der Kinder aus nichtigen Gründen mit voller Wucht auf die Bank gedrückt, den Mädchen die Zöpfe lang gezogen und einem Kind aus der Parallelklasse Ende 2001 bei einer solchen Tischdrückaktion das Nasenbein gebrochen.

Der Vater des Kindes kam damals während dem Religionsunterricht ins Klassenzimmer (ich kannte den, später war er ein Kunde von mir und erklärte mir das; irgendwie kamen wir auf die Schule) und sagte zu ihr vor der ganzen Klasse, wenn er ihr jetzt so richtig eine in die Fr... haut, kostet ihn das vielleicht 1000 D-Mark (er hatte sich informiert) als Strafe und es wäre ihm das Geld wert, aber das Niveau sei ihm zu niedrig. Gab einen Riesen-Eklat damals, ich kann mich noch gut erinnern. Der Rektor wusste alles, aber er sagte damals, die wird 2002 pensioniert, das kriegt man auch noch rum.

Wir saßen die Frau schlussendlich einfach aus, nahmen sie irgendwann nicht mehr ernst und waren im Juli 2002 alle froh, als sie verabschiedet wurde. Davor hatte ein Mitschüler die Lehrerin "weggeekelt", indem er ihr Gesicht aus einem Lehrerfoto groß raus kopiert, an die Wand geklebt und vor lauter Wut auf diese Frau mit Dartpfeilen geworfen hatte, während sie just zum Halten der Religionsstunde ins Zimmer gelaufen kam. Sie war "vor Schreck" dann erstmal einige Wochen "krank", ehe sie dann auch pensioniert wurde.

Der Konrektor stolperte zur selben Zeit etwa über ähnliche Aktionen, nachdem er sich mit der Lokalpresse angelegt hat und Eltern rumorten, und wurde in den einstweiligen vorzeitigen Ruhestand versetzt.

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adabei  17.01.2024, 10:13

Das sind aber schon Extremfälle.

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rotesand  17.01.2024, 10:14
@adabei

Ja, mit Sicherheit. Meine Heimatregion war ohnehin extrem auch in andererlei Hinsicht, es waren "Zustände" im eigentlichen Sinne. Ich habe keine Ahnung, was da heute läuft oder nicht läuft, aber ich denke heute noch drüber nach, ein Buch über das ganze Erlebte und Erlittene dort zu schreiben.

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Wir mussten uns in die Ecke stellen oder vor dem Klassenzimmer warten. So zwischen 1975 und 1980.

Kam aber schon damals bisweilen vor, dass derjenige, der vor dem Klassenzimmer warten sollte bisweilen nicht mehr da war, wenn man ihn wieder hereinholen wollte... ;-)

Ich kam 1965 in Bayern ins Gymnasium. Da habe ich das nicht mehr erlebt. Mir ist auch kein einziger Fall bekannt.

Vorher in der Volksschule (heute Grundschule) war es durchaus noch üblich, dass ein Junge mal eine Ohrfeige oder eine Tatze auf die Hand bekam. Oft kam das aber auch nicht vor und auch nicht bei allen Lehrern.

von meiner mutter weiß ich das es bei ihr bereits in den 80er aufgehört hat


adabei  17.01.2024, 10:10

Eigentlich schon vorher.

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ich hab nie mitbekommen, dass bei uns jemand geschlagen wurde und ich hab 15 Jahre lang die Schulen von innen gesehen. Hätte dies einer gemacht, hätten wir den Lehrer beim Direktor gemeldet und fertig. Der hätte dann definitiv ne Überprüfung gekriegt.

Das krasseste was wir hatten, war, dass ne recht ruhige Lehrerin auf einmal "haltet alle eure Klappen" geschrien hat, nachdem sie 10 Minuten versucht hat für ruh zu sorgen.