Das Gleichnis von Magen und Körper...
Hallo! Ich war in der letzten Geschichtsstunde nicht anwesend (krank) und habe von meiner Freundin ein Blatt mit dem Gleichnis des Menenius Agrippa bekommen. Nun verstehe ich die Geschichte nicht ganz und hätte das bitte gerne erklärt. Danke im Voraus!
2 Antworten
Die Geschichte wird von verschiedenen antiken Autoren (Livius 2, 32, 8 – 12; Dionysios von Halikarnassos, Rhomaïke Archaiologia [Ῥωμαϊκὴ Ἀϱχαιολογία; Römische Altertümer; lateinischer Titel: Antiquitates Romanae] 6, 86; Florus 1, 23; Plutarch, Coriolanus 6, 2 – 5; Cassius Dio 4, 17 10 – 13 [vgl. Zonaras 7, 14]; Sextus Aurelius Victor, De viris Illustribus 18, 1 – 5) zu einer Auseinandersetzung zwischen Patriziern und Plebejern (Ständekämpfe) in der frühen römischen Republik erzählt.
Situation
In der frühen römischen Republik waren die Patrizier eine herrschende adlige Oberschicht mit Vorrechten, die Plebejer die nichtadlige Volksmenge. Die Plebejer gehörten zum römischem Volk/dem Staatsvolk (populus bezeichnet anders als plebs das Gesamtvolk, sowohl Patrizier als auch Plebejer umfassend).
Als sich die Plebejer sich über Verschuldung (viele waren aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage genötigt, sich zu verschulden, die Schulden mit Zinsen zurückzuzahlen oder in Schuldknechtschaft zu geraten) und willkürliche Behandlung durch die Patrizier beschwerten, erreichten sie nichts. Sie wurden bestenfalls mit Versprechungen, sich darum zu kümmern, hingehalten, aber diese Versprechungen nicht tatsächlich umgesetzt. Im Senat (einer Ratsversammlung, zu der nur Patrizier gehörten) weigerte sich die große Mehrheit der Patrizier, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Schließlich kam es 494 v. Chr. zu einer Trennung/Absonderung (secessio) der Plebejer von den Patriziern. Die als Soldaten dienenden Plebejer unternahmen einen Auszug zum Heiligen Berg (Mons sacer). Dieser kann als ein Wehrstreik bezeichnet werden.
Die Patrizier bekamen Angst und waren besorgt. Sie beschlossen, Menenius Agrippa Lanatus (ein Patrizier und Konsul 503 v. Chr.), zu schicken, der ein fähiger Redner und bei der Plebs beliebt war. Menenius wurde ins Lager der Plebejer hineingelassen und erzählte ein Gleichnis.
Gleichnis vom Streit der Körperglieder mit dem Magen
Zu einer Zeit, als im Menschen nicht alles in Übereinstimmung war, seien die übrigen Körperglieder/Körperteile empört gewesen, nur für den Magen zu sorgen, mit mühsamer Dienstleistung ihm alles heranzuschaffen, während dieser ruhig und faul in der Mitte liege und nichts anderes tue als die ihm gegebenen Dinge zu genießen und sich zu sättigen.
Die übrigen Körperglieder/Körperteile verschworen sich zu einem Aufstand/einer Meuterei/einem Streik (die Hände bringen keine Nahrung mehr zum Mund, der Mund nimmt nichts an, was ihm gegeben wird, die Zähne kauen nichts). Als die übrigen Körperglieder/Körperteile in ihrem Zorn so den Magen bezwingen wollten, kam es zu einer äußersten Auszehrung, die Körperglieder/Körperteile und der ganze Körper wurden völlig schwach und notleidend.
Die übrigen Körperglieder/Körperteile merkten, daß auch die Tätigkeit des Magens nicht Faulheit war, sondern er nicht weniger ernähre als er ernährt werde und an die übrigen Körperglieder/Körperteile zurückgibt, wovon ein Menschen lebt und kräftig ist. Der Magen verteilt das durch die Verarbeitung der Nahrung bereitete Blut in gleicher Weise in die Adern. Der Magen leistet demnach eine unentbehrliche Versorgung/Energiezufuhr.
Der Staat/die Gesellschaft wird in dem Gleichnis als ein Gesamtkörper betrachtet, als ein Organismus. Beim Körper ist das Zusammenwirken/die Zusammenarbeit der Teile nötig, damit er am Leben bleibt und es ihm gut geht. Alle Körperglieder/Körperteile haben Aufgaben/Funktionen, die dem Gesamtkörper dienlich sind. Ihre Verrichtung ist auch jeweils für die anderen Körperglieder/Körperteile nützlich und unverzichtbar. Wenn diese Leistungen nicht stattfinden, geht es der Gesamtheit schlecht und davon sind alle Teile betroffen. Darin steckt ein Aufruf zu Einheit und Eintracht.
Menenius hat angeblich mit dem Gleichnis die Plebejer umgestimmt, ein Ende des Aufruhrs/des Aufstandes (seditio) erreicht. Wie auch immer die geschichtliche Echtheit der Erzählung beurteilt wird, bloß mit dem Gleichnis wird ihm dies nicht gelungen sein. Möglich ist ein Erfolg nur in Verbindung mit Angeboten an die Plebejer bei Verhandlungen. Menenius ist mit der Bereitschaft der Patrizier zu einem Entgegenkommen mit Zugeständnissen an die Plebejer gekommen (in den antiken Texten wird vor allem die Anerkennung einer neuen Institution, nämlich gewählter sakrosankter Volkstribunen, die als Beschützer der Plebejer tätig sind, als Ergebnis der Verhandlungen erwähnt). Mit einer Einigung in Verhandlungen wurde die damalige Trennung/Absonderung der Plebs beendet.
Kritisch kann zu dem Gleichnis darauf hingewiesen werden, daß in ihm die Existenz verschiedener sozialer und politischer Gruppen und ihre Rollen wie eine natürliche Ordnung dargestellt werden. Das Bestehen dieser Gruppen und ihre Rechte/Funktionen/Aufgaben erscheinen als unabänderlich. Ein Gedanke, eine leitende Stellung der Patrizier mit besonderen Vorrechten könne abgeschafft, die Funktion des Magens ihnen entzogen und von anderen übernommen werden, tritt nicht als Vorstellung auf. Außerdem gibt es die Frage einer gerechten Verteilung. Ob die Patrizier wie ein Magen von dem, was sie erhalten, gleichmäßig an die anderen Teile des Staates/der Gesellschaft weitergeben, kann bezweifelt werden.
Danke! Besser hätte man es wahrscheinlich nicht erklären können! :)))
Lies einmal im 1. Korintherbrief (NT) 12,12-31, da stehts ganz gut :)