Darf ein Klient gegen seinen Willen geimpft werden?
Ich betreue Menschen mit Behinderung in einem Wohnheim. Die Menschen haben alle einen gesetzlichen Betreuer der über die meisten Dinge für sie entscheidet. Auch darüber ob jemand geimpft werden darf oder nicht.
Nun erlebe ich auf Arbeit die Situation das der Arzt auf die Wohgruppe kommt und alle eine Grippeschutzimpfung bekommen sollen. 2 Klienten wehren sich heftig und schreien sie haben Angst. Meine Kollegin hält sie fest wehrend der Arzt die Spritze in den hin und her wackelnden Arm steckt.
Mit meinen Kollegen und Kolleginnen könnte ich darüber sprechen ob wir unser Verhalten ändern sollen wenn eine rechtliche Grundlage gegeben ist. Die Menschen äußern nach meinem Verständnis klar das sie nicht möchten weil sie Angst haben. Wir haben keine Impfpflicht.
Andererseits können die Klienten nicht einschätzen was sie da verneinen und ob es wichtig ist. Außerdem würden sich die gesetzlichen Betreuer (oft die Eltern) beschweren warum der Klient keine Impfung bekommen hat.
Befinden wir uns in einer Grauzone? Ich denke es kommt auf die Definition an ob der Mensch einen eigenen Willen hat an den sich in nicht Lebensbedrohlichen Situation gehalten werden muss.
4 Antworten
Das hängt von den konkreten Umständen sowie Art und dem Ausmaß der Behinderung ab, in den allermeisten Fällen lautet die Antwort aber nein.
Wenn der Klient in der Lage ist, seinen Wunsch betreffend der Impfung zu äußern, und davon auszugehen ist, dass er den Sinn und die Vor- und Nachteile der Impfung (bzw. der Nichtimpfung) in wesentlichen Punkten verstehen kann, dann ist eine Impfung ohne Zustimmung des Klienten keinesfalls zulässig, unabhängig davon, was der gesetzliche Betreuer wünscht.
Trifft das nicht zu, so muss auf jeden Fall einmal der gesetzliche Betreuer der Impfung zustimmen, und es sollte das Gespräch mit dem Klienten gesucht werden, um zu versuchen, ihn von den Vorteilen der Impfung zu überzeugen.
Wenn der Klient aber beharrlich und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er die Impfung nicht möchte, was ja in dem von dir geschilderten Fall mit Schreien und Gegenwehr eindeutig der Fall ist, ist eine zwangsweise Impfung, erst recht unter Anwendung von körperlicher Gewalt, im Regelfall dennoch unzulässig und wäre als Körperverletzung strafbar.
Eine Ausnahme käme hier allenfalls dann in Betracht, wenn die Impfung aufgrund einer besonders schwerwiegenden Gefährdung des Klienten aus medizinischer Sicht zwingend notwendig ist um eine Lebensgefahr abzuwenden (bei einem 93-jährigen mit unzähligen schweren Vorerkrankungen wäre das z.B. eventuell vorstellbar), auch dann muss jedoch zuvor eine betreuungsgerichtliche Genehmigung für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen eingeholt werden, einfach so eigenmächtig dürft ihr das keinesfalls machen, ansonsten möchte ich nicht in eurer Haut stecken, wenn das beispielsweise ein Angehöriger eines Klienten zur Anzeige bringt.
Die Zustimmung des gesetzlichen Betreuers ist erforderlich, um eine Impfung bei einem einwilligungsunfähigen Klienten durchzuführen. Das heißt, ohne Zustimmung des Betreuers darf grundsätzlich nicht geimpft werden, der Klient alleine kann der Impfung nicht rechtswirksam zustimmen.
Der Umkehrschluss gilt hier jedoch nicht, bzw. nur soweit, dass eine Impfung mit Zustimmung des Betreuers zulässig ist, wenn der Klient diese stillschweigend duldet. Die Zustimmung des Betreuers rechtfertigt jedoch keinerlei Zwangsmaßnahmen! Wenn der Klient unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er mit der Impfung aus welchen Gründen auch immer nicht einverstanden ist, oder sich gar körperlich dagegen wehrt, ist die Impfung - außer in den bereits beschriebenen Ausnahmefällen und ausschließlich nach Genehmigung durch das Betreuungsgericht - unzulässig und kann strafrechtliche Konsequenzen haben.
Ich denke der entscheidende Punkt ist, dass wir die Menschen festhalten müssen damit die Nadel überhaupt treffen kann oder?
Der entscheidende Punkt ist, dass ihr die Menschen festhalten müsst, weil sie die Impfung nicht wollen und sich bewusst dagegen wehren, und das dürft ihr unter diesen Umständen nicht. Etwas anderes wäre es, wenn ihr beispielsweise einen Patienten, der aufgrund einer körperlichen Erkrankung oder Behinderung nicht in der Lage ist den Arm stillzuhalten, festhaltet.
Ein bisschen Literatur zu dem Thema:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/217673/Coronaschutzimpfung-Das-ist-bei-Hochbetagten-zu-beachten
https://www.rechtsdepesche.de/grippeimpfung-ohne-einverstaendnis-des-betreuers/
Es ist keine lebensbedrohliche Situation, der Patient wehrt sich.
Das ist Körperverletzung.
Ja, man kann aber auch in eine Körperverletzung einwilligen.
Interessant dabei die Frage, ob der Betreuer dazu überhaupt befugt ist.
Das Problem dabei ist das der "Andere" das sehr wahrscheinlich gar nicht darf. Betreuungen werden vom zuständigen Gericht meist in klare Zuständigkeiten gefasst, die sogenannte "Gesundheitsfürsorge" gehört in der Regel eben nicht dazu. Um impfunwillige Heimbewohner zwangsimpfen zu können muss ein richterlicher Beschluss eingeholt werden, den wird man für eine Gripeeschutzimpfung nicht bekommen, sehr wahrscheinlich nichtmal für eine Coronaimpfung.
Prinzipiell ist er das. Zumindest ist es nicht pauschal ausgeschlossen.
Allerdings bedeutet das ja keineswegs, dass sich für eine Impfung aussprechen muss. Im Gegenteil, er muss sich eigentlich fragen: Würde ich, an Stelle meines Klienten, eine Impfung wollen. Und da muss nunmal nicht jeder Betreuer mit "ja" antworten...
Genau genommen darf dem Betreuer da gar keiner reinreden. Seine Vollmacht ist zweischneidig.
Wenn er die Betreuung der Gesundheitsfürsorge hat darf und muss er das.
Dürfen ja, müssen eben nicht. Entscheiden musse er. Aber nicht pro Impfung.
Auch, wenn der Betreute sich körperlich dagegen wehrt? Ich will Dir nicht widersprechen, weil ich mich wirklich nicht auskenne. Aber ich bin etwas bestürzt.
Naja, wie ist es denn bei kleinen Kindern? Die gebärden sich mitunter auch beim Impfen. Und dann? Dann gibt's halt trotzdem die Spritze...
Die Betreuer haben meiner Meinung nach aus die gesundheitsfürsorge für die Klienten. Ich kann mir nur schlecht vorstellen das man den Willen der Betreuer um jeden Preis durchsetzten muss. Insbesondere bei einer Optionalen Impfung. Wir müssen die Klienten ja Festhalten damit der Arzt überhaupt treffen kann. Das finde ich Fragwürdig
Verstehe ich. Dann muss der Betreuer wohl selber festhalten. Das auf Pfleger abzuwälzen ist natürlich bequem. Aber Pfleger sind nicht verpflichtet Dinge zu tun, die sie selbst für unmoralisch halten. Gut, das könnte Stunk vom Chef geben...
Ich spreche meine Gruppenleiterin mal an. Denke aber fast das sie die genaue rechtliche Lage auch nicht kennt. Daher wollte ich mich hier erstmal informieren. Wie so oft sind sich nicht alle einig :D trotzdem danke
Eine Impfung ist eine Körperverletzung, und hier muß meiner Meinung nach auf jeden Fall der gesetzliche Betreuer sein Einverständnis (oder nicht) gegeben haben.
Genauso wie unmündige Kinder haben betreute Erwachsene hier kein Mitspracherecht. Deswegen haben sie einen Betreuer.
Dennoch musst du dich nicht zum Handlanger eines Systems machen, dass du in dieser Form nicht unterstützen möchtest. Soll doch wer anders die sich wehrenden "Klienten" zwangsimpfen.
Deswegen haben sie einen Betreuer.
Der das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht entscheiden darf.
Wenn derjenige schon über den Aufenthalt in einem Heim/betreuten Wohnen o.ä. entscheiden darf, dann vermutlich auch das. Es geht um den Part der Gesundsheitsfürsorge, das gibt es sehr wohl als Teil einer Betreuung.
Ob das im konkreten Fall des Fragestellers gegeben ist wissen wir allerdings nicht. Könne wir auch nicht wissen. Muss er mal abklären.
Wenn derjenige schon über den Aufenthalt in einem Heim/betreuten Wohnen o.ä. entscheiden darf
Woher weisst Du das er das darf? Es kann genausogut, wie in den meisten Fällen übrigens, eine Gerichtsentscheidung gewesen sein.
Es geht um den Part der Gesundsheitsfürsorge, das gibt es sehr wohl als Teil einer Betreuung.
Stimmt, wenn auch selten. Allerdings beinhaltet die Gesundheitsfürsorge der Betreuer keine medizinischen Zwangsmassnahmen. Dafür ist ein richterlicher Beschluss notwendig.
In der Regel nicht, da jeder mündige Bürger in eine Körperverletzung nach § 228 StGB in eine Körperverletzung einwilligen kann. Bei Betreuten kann der Betreuer darin einwilligen sofern seine Bestellung ihm die Verantwortung dafür überträgt, was in den meisten Fällen nicht der Fall ist. Ansonsten ist in der Tat ein richterlicher Beschluss, kein Gerichtsentscheid, notwendig, den man für eine Grippeschutzimpfung, je nach Zustand des Betreuten, nicht bekommen würde.
Sehr gut, ich dachte schon ich hätte seinerzeit rechtswidrig gehandelt.
Genauso wie unmündige Kinder haben betreute Erwachsene hier kein Mitspracherecht
Diese Aussage ist definitiv falsch, für genauere Erläuterungen siehe meine Antwort
Deine Aussage widerspricht der meinen in keinem Punkt.
Ich habe unpräziserweise alle Formen der Betreuung in einen Topf geworfen - das ist technisch inkorrekt. Dennoch: Wenn der Betreuer zur Gesundheitsfürsorge ermächtigt ist, dann ist es eben wirklich wie bei unmündigen Kindern.
Die gesetzlichen Betreuer haben der Impfung im Vorfeld per Unterschrift zugestimmt. Die Klienten können die vor und Nachteile der Impfung nicht einschätzen. Sie haben einfach Angst vor spritzen und äußern das klar.
Ganz sicher ob ich mich nun gegen meine Kollegen zur wehr setzten soll bin ich jetzt immermoch nicht. Eine Direkte notwendigkeit der Impfung aufgrund von Vorerkrankungen gibt es nicht.
Ich denke der entscheidende Punkt ist, dass wir die Menschen festhalten müssen damit die Nadel überhaupt treffen kann oder?