Blickwechsel 12. November 2024
AMA: Deine Fragen an einen Psychotraumatologen
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Borderline zu vermuten?

2 Antworten

Das sind sehr viele Informationen und diese sind als wertvolle Informationen sicherlich in einer Psychotherapie gut aufgehoben.

Grundsätzlich kann ich dazu sagen, dass ein wesentliches Merkmal von Borderline immer eine Beziehungsstörung ist. Ich kenne keinen Betroffenen, der nicht in irgendeiner Weise eine Beziehungsstörung hätte. Diese können sich natürlich auch je nach Biografie unterschiedlich äußern - generelles Misstrauen, ablehnendes Verhalten, zerstören von eigentlich wichtigen Beziehungen, starke Verlassenheitsängste bis hin zu der (vermeintlichen) Unfähigkeit traghafte und langfristige Beziehungen zu führen. Dementsprechend gestalten sich Beziehungen zu Betroffenen oft etwas "speziell". Die meisten Betroffenen haben mit einer ständigen inneren Ambivalenz zu kämpfen, gerade auch was das Thema Nähe und Distanz betrifft. Beispielsweise der Satz "ich will dich spüren, aber berühre mich nicht" trifft es oftmals besonders gut. Das kann sich auch z.B. darin äußern, dass Betroffene eigentlich Nähe suchen, aber sich nicht auf Beziehungen einlassen können. Das kann z.B. darin münden, dass die Betroffenen Nähe durch Sex suchen, aber ihnen eine Beziehung wieder zu nah ist, entweder aus Angst enttäuscht zu werden oder weil sie es einfach nicht aushalten. Folglich findet auch oft ein Wechsel der (Sexual)partner statt. Betroffene stecken oft in Widersprüchen fest. Ebenso empfinden Betroffene oft eine große innere Leere, die sie versuchen irgendwie zu füllen, aber wenn es zu viel wird, brechen sie ab. Betroffene möchten gesehen und anerkannt werden, ziehen sich aber sehr zurück, dass es dem Umfeld oft unmöglich macht dies überhaupt in irgendeiner Form zu tun. Betroffene bewerben sich mit einer vorzüglichen und wochenlang vorbereiteten Bewerbung auf eine Stelle, erscheinen dann aber nicht zum Probearbeiten. Alles sehr widersprüchlich.

Stimmungsschwankungen, Impulsivität und ein mangelnder Selbstwert tun ihr Übriges und fließen natürlich dann dementsprechend auch mit ein.

In der Therapie merkt man das oft an widersprüchlichem Verhalten, beispielsweise dass händeringend Termine vereinbart werden, man aber eine Stunde davor dann eine Nachricht bekommt, dass man doch keine Therapie will oder dass die Betroffenen an einem Thema motiviert arbeiten wollen, es aber im nächsten Moment überhaupt nicht mehr wichtig wäre und sie sich einem anderen Thema zuwenden möchten. Mir persönlich hilft immer sehr, das Verhalten anhand der Biografie der Betroffenen zu deuten um die Verhaltensweisen zu verstehen. Wenn man sie selbst versteht, fällt nicht nur der Umgang mit den Betroffenen leichter, sondern man kann auch versuchen es den Betroffenen zu spiegeln und so zu ermöglichen, dass sie ihre funktionalen Verhaltensweisen verstehen um sie auch irgendwann unter Kontrolle zu bekommen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Traumazentrierte Fachberatung nach DeGPT, Akutpsychiatrie

ich darf ja keine Diagnosen stellen, aber wenn ich es könnte, wär das die Borderline-Störung