Auf pflichtanteil verzichten Erbe?

5 Antworten

  1. Pflichtteil und Enterbung:
  • In Deutschland haben Kinder einen gesetzlichen Anspruch auf den Pflichtteil, selbst wenn sie durch ein Testament enterbt werden. Dieser Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
  • Dein Vater kann ein Testament verfassen, in dem er dich enterbt, aber du hast immer noch Anspruch auf den Pflichtteil.
  • Damit du tatsächlich auf dein Erbe verzichten könntest, müsstest du entweder zu Lebzeiten deines Vaters einen Erbverzichtsvertrag beim Notar unterschreiben oder nach seinem Tod auf das Erbe verzichten.
  1. Erbverzicht:
  • Ein Erbverzichtsvertrag muss notariell beurkundet werden und bedeutet, dass du im Voraus auf dein Erbe verzichtest. In der Regel wird ein solcher Verzicht jedoch gegen eine Abfindung ausgehandelt.
  • Ein solcher Verzicht betrifft in der Regel nicht nur das gesetzliche Erbe, sondern auch den Pflichtteil, sofern das explizit im Vertrag festgehalten ist.
  1. Rechte der Stiefkinder:
  • Die Kinder deiner Stiefmutter sind keine leiblichen Kinder deines Vaters und haben somit keinen gesetzlichen Erbanspruch an seinem Nachlass, es sei denn, er hat sie adoptiert oder in seinem Testament als Erben eingesetzt.
  1. Enterbung:
  • Dein Vater kann dich zwar in seinem Testament enterben, aber er kann dir nicht deinen Pflichtteil entziehen, es sei denn, es gibt sehr schwerwiegende Gründe (wie etwa Straftaten gegen den Erblasser), die in der Praxis jedoch selten zur kompletten Enterbung führen.
Emotionale und Familiäre Aspekte

Es scheint, dass die emotionale Bindung zwischen dir und deinem Vater angespannt ist und sich möglicherweise weiter verschlechtert. Dies kann eine sehr schmerzhafte Erfahrung sein, und es ist verständlich, dass du dich in dieser Situation unsicher fühlst.

Was du tun kannst
  1. Rechtliche Beratung einholen:
  • Es wäre ratsam, einen Anwalt für Erbrecht zu konsultieren, um deine rechtliche Position genau zu verstehen und dich beraten zu lassen, wie du am besten vorgehen kannst.
  1. Gespräch mit deinem Vater:
  • Wenn möglich, versuche ein offenes und ehrliches Gespräch mit deinem Vater zu führen, um herauszufinden, was seine Beweggründe sind und ob es eine Möglichkeit gibt, die Beziehung zu verbessern.
  1. Emotionale Unterstützung suchen:
  • Ein solcher Familienkonflikt kann sehr belastend sein. Es könnte hilfreich sein, mit einem Therapeuten oder einer Vertrauensperson darüber zu sprechen.
  1. Überlegen, was für dich wichtig ist:
  • Überlege, was dir persönlich wichtiger ist: das Erbe oder die Beziehung zu deinem Vater. Dies könnte dir helfen, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob du den Forderungen deines Vaters nachkommen willst oder nicht.

ViveFuchs 
Beitragsersteller
 12.08.2024, 16:12

Vielen lieben Dank für die ausführliche Rückmeldung. Die hat mir sehr geholfen. Reden bringt leider nichts das versuche ich seit Jahren ohne Erfolg. Natürlich ist mir wichtiger mich mit ihn zu verstehen. Aber das mit dem Erbe hat mir eben ein Messer in den Rücken gestochen. Trotzdem vielen Dank und einen wundervollen Abend

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Nein, er kann das nicht verlangen. Und ohne anständige Gegenleistung solltest Du das auch nicht unterschreiben.

Als gesetzlicher Erbe kann er Dich zwar von der Erbschaft ausschließen.

Du hast dann aber einen Anspruch gegen die Erben in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Letzterer würde 50% des Erbes, gleichverteilt auf alle leiblichen und Adoptivkinder, betragen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, bist Du sein einziges leibliches Kind und Adoptivkinder gibt es nicht. Die Kinder seiner neuen Lebensgefährtin, die sie mit in die Ehe gebracht hat, haben - da nicht leiblich/adoptiert - keinen Erbanspruch, solange deren Mutter noch lebt.

Also hättest Du einen Anspruch auf 50 % des Erbes. Schließt er Dich als Erbe aus, kannst Du also 25% des Erbes von en Erben beanspruchen, und zwar als Geldleistung, was auch Vorteile hat. Der oder die Erben (wen auch immer Dein Vater dafür bestimmt) müssen also zur Not irgendwelche Erbsachen (Immobilien etc.) verkaufen, um Dich auszuzahlen, und Du wirst kein Miteigentümer an Sachvermögen mit den üblichen Problemen, wenn man sich gemeinsam um etwas kümmern muss.

Warum solltest Du einfach so einseitig und ohne Gegenleistung darauf verzichten?

Auf der anderen Seite verstehe ich Deinen Vater, der seine heutige Ehepartnerin im Falle seines Todes absichern will. Ich kann natürlich nicht einschätzen, inwieweit Dein Verzicht dafür überhaupt nötig wäre. Wenn da genug Masse ist, ist die Frage sowieso klar: Du unterschreibst gar nichts.

Vielleicht findet Ihr ja sonst im Interesse eines guten Verhältnisses eine andere Lösung. Zum Beispiel wird Dir das Haus übertragen, und dafür erhält sie ein lebenslanges Wohnrecht (was aber bedeutet, dass Du von dem Erbe erst etwas hast, wenn sie auszieht oder sogar erst bei ihrem Tod). Dann muss aber gut geregelt werden, wer welche sonstigen Rechte und Pflichten an dem Haus trägt (Du möglichst gar keine, sonst hast Du nur Kosten, aber erst in ungewisser Zukunft etwas von dem Haus).

Oder Du erhältst als Gegenleistung für den Pflichtteilsverzicht heute schon irgendetwas. Da musst Du überlegen, was da attraktiv für Dich sein kann. Vorteil, wenn Du heute schon etwas erhältst: Was Du hast, hast Du, und das kann nicht mehr untergehen wie z.B. ein Vermögen, das durch Pflegeheimkosten aufgezehrt wird, oder das sogar zu Schulden wird. Das kann Dir dann alles egal sein, ebenso wie nervige Erbauseinandersetzungen.

Aber wie gesagt: Dich kann keiner zwingen, einen Pflichtteilsverzicht zu unterschreiben.


schwarzerkicker  14.08.2024, 16:02
Auf der anderen Seite verstehe ich Deinen Vater, der seine heutige Ehepartnerin im Falle seines Todes absichern will.

Für mich ist das unerklärlich. Warum setzt man Kinder in die Welt, wenn sie einem egal sind? Als Eltern / Elternteil wäre mir das Wohl der Kinder wichtiger als das eines Partners oder Lebensgefährten.

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Der Pflichtteilsverzicht kann dann in Frage kommen, wenn er mit einer ordentlichen Abfindung verbunden ist. Diese sollte aber mindestens, wenn nicht mehr, dem zu erwartenden Pflichtteil entsprechen.

Beim Berliner Testament kann auch ein Pflichtteilsverzicht erfolgen hinsichtlich des Erstversterbenden. Ist aber bei der Konstellation Vater-Stiefmutter ungewöhnlich.

Verzichtest Du auf Deinen Pflichtteil nicht, kann Dich Dein Vater zwar enterben, aber der Pflichtteil nach Deinem Vater bleibt davon unberührt.

Wenn sich insgesamt aussergewöhnliche Konstellationen ergeben, sollten Du fachlichen Rat einholen.

Meine Frage ist ist das rechtens kann er das einfach so entscheiden?

Nein. Was hier gemacht werden soll, ist ein notarieller Verzicht auf den euch bei einer Enterbung kraft Testaments gesetzlich zustehenden Pflichtteil gemäß § 2303 BGB. Das solltet ihr *in keinem Fall* unterschreiben.

Und Wenn ich nicht unterschreibe kann er mich dann Enterben wir er gesagt hat ?

Das kann er, ob du nun unterschreibst oder nicht. Aber - wenn du unterschreibst, steht dir dann nichtmal der gesetzliche Pflichtteil zu. Es ist stark zu vermuten, dass die neue Frau samt Familie hier die Antreiber sind, und nicht der Vater.


kugel  12.08.2024, 16:11

Berliner Testament?

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ViveFuchs 
Beitragsersteller
 12.08.2024, 16:04

Ja die Frau ist furchtbar... aber er sieht es nicht. Seit 12 Jahren ist die nun da.

Aber dann sind mir ja quasi die Hände gebunden unterschreibe ich bekomme ich nichts und wenn ich nicht unterschreibe bin ich auch enderbt

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FordPrefect  12.08.2024, 16:12
@ViveFuchs
Aber dann sind mir ja quasi die Hände gebunden

Nein.

unterschreibe ich bekomme ich nichts

Falsch. Wenn du unterschreibst (was du keineswegs tun solltest), verlierst du alle Erbansprüche.

und wenn ich nicht unterschreibe bin ich auch enderbt

Ja, aber deinen Pflichtteil kann er dir eben nicht nehmen. Dafür ist er ja da.

Den Pflichtteil kann der Erblasser auch bei der Enterbung nicht ausschließen - das geht nur über einen Erbverzicht. Daher sollt ihr das ja auch husch-husch schnell unterschreiben, ehe einer auf die Idee kommt nachzufragen, wozu.

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FordPrefect  12.08.2024, 16:17
@FordPrefect

Ergänzung:
Hier sollen alle Kinder auf den väterlichen Erbteil verzichten, damit nur die Mutter in erster Folge erbt. Das wäre ja nachvollziehbar, aber auf keinen Fal so. Dann soll der Vater mit der Frau ein Berliner Testament mit Vor- und Nacherben aufsetzen. Ansonsten geht das nämlich voll zu deinen Lasten - die Stiefmutter erbt alles, beschenkt dann ihre Kinder, und wenn sie stirbt, erhältst du gar nichts, weil nichts mehr da ist, bzw. du als Stiefsohn nicht ihr Abkömmling bist - und somit nicht erbberechtigt.

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Toni2023  12.08.2024, 17:10
@ViveFuchs

Du bekommst deinen Pflichtteil, wenn du nicht unterschreibst !

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Ein sogenanntes Berliner Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Erben einsetzen ist fast schon normal.

Selbst bei einem Berliner Testament kannst du Dein Erbe einklagen.

Problem an deiner Geschichte ist, dass die zweite Ehefrau (Erbin) nicht deine Mutter ist und du im Falle wiederum ihres Todes (nach deinem Vater) völlig leer ausgehst.

Ihre beiden Kinder sind auch nicht erberechtigt, wenn er verstirbt.

Sehr wohl aber, wenn sie nach ihm verstirbt.

Lass dich bitte dringend anwaltlich/notariell beraten!