"Arbeit muss das Wichtigste im Leben sein" - normal?

7 Antworten

Hallo, deine Einstellung ist richtig. Zuerst sollte die Partnerschaft stehen, die Einstellung von deinem Chef lässt auf einen Workaholic schließen, der es von seinen Leuten auch erwartet, nur für die Arbeit zu leben.

Es passiert leider, dass Chefs immer wieder versuchen, einen mit ganzer Hand zu nehmen, aber nach Feierabend hast du das Recht, dein ganz eigenes Privatleben zu führen.

Sicherlich kann gerade in einer kleinen Firma der Umgang miteinander ziemlich freundschaftlich und eng sein. Solche Firmen sind auch gelegentlich ziemlich erfolgreich.

Wenn dein Chef meint, dass er mit dieser Einstellung glücklich wird, dann bleibt ihm das unbenommen. Aber er darf das von seinen Leuten einfach nicht in diesem Ausmaß erwarten. Engagement im Beruf kann sehr viel Spaß machen, aber die Firma ist keine Sonne, um die sämtliche dort beschäftigten Planeten ständig kreisen müssen.

Vor allem finde ich es unmöglich, nach Feierabend der Firma noch dienen zu müssen. Irgendwann musst du die Tür hinter dir zumachen und dein Privatleben führen, sonst hast du zum Schluss vielleicht eine tolle Firma, aber keinen Freund mehr.

Vor allem aber: wenn es dir mal richtig schlecht geht: Dein freund hält zu dir, dein Chef nur eine Zeit lang. Dann fliegst du raus.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – langjährige Tätigkeit im Personalbereich

"...erst danach sollen meine Beziehung etc stehen."

Dann würde ich an deiner Stelle in Gedanken die Partnerin des Chefs bedauern und mir meinen Teil denken. Und eigentlich sollte er sich Gedanken machen, ob der Betrieb richtig organisiert ist, wenn er derart auf seine Mitarbeiter in deren Freizeit zurückgreifen muss.

Ein einigermaßen aktiver Mensch hat in der Freizeit immer was vor. Und sei es, sich zu erholen und für die Familie da zu sein. Ich würde nicht einsehen, ihm darüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Was sagen denn die anderen Kollegen dazu?

Arbeit ist kein Selbstzweck, kann also nicht das Höchste sein. Du arbeitest für etwas, damit ist das "etwas" höher als die Arbeit. Dass Dein Chef das anders behauptet, zeigt nur, dass Du in seinen Augen geringer bist als den Gewinn, den er mit Dir erwirtschaftet. Für den Chef ist das Betriebsergebnis natürlich existenziell. Aber das ist seine Sache, es ist auch sein Gewinn und sein Luxus, wenn es gut läuft. Das ist seine Subjektivität, die darfst Du nicht objektivieren oder auf Dich beziehen.

Dein Chef scheint einer von denen zu sein, die noch nicht gemerkt haben, dass sich der Arbeitsmarkt und die Menschen inzwischen doch deutlich verändert haben. Arbeitnehmer achten zunehmend auf die Work-Life-Balance, die jungen Generationen sehen im Karrierestreben nicht mehr den einzigen Sinn des Lebens. Und das können sie problemlos durchsetzen, weil gerade in qualifizierteren Jobs tatsächlich gute Leute immer schwerer zu finden sind. Sprich, wer was drauf hat, ist Mangelware und kann die Regeln bestimmen, nach denen gespielt wird.

Ich drücke deinem Chef die Daumen, dass er diese Erkenntnis auch bald haben wird. Um sie eventuell etwas zu beschleunigen, würde ich dir dazu raten, dir sobald wie möglich was neues zu suchen. Seine Erwartungshaltung ist nämlich echt total überzogen, rechtlich nicht haltbar und einfach nicht Teil des Deals "Arbeitskraft und -zeit im vertraglich vereinbarten Rahmen gegen monatliche Gehaltszahlung". Aber wenn du dich dagegen zur Wehr setzt, nun, dann wird es mit so einem Chef kein Späßchen...