Altert man im Weltall langsamer?

8 Antworten

Hallo ToxicYT,

die Frage...

Altert man im Weltall langsamer?

...ist falsch gestellt. Das Weltall ist sozusagen alles (einschließlich der Erde übrigens) mit höchst unterschiedlichen physikalischen Bedingungen.

Was das langsamer-Altern angelangt, so meinst Du damit sicher, dass Deine Uhren samt und sonders um einen bestimmten Faktor langsamer laufen als etwa auf der Erdoberfläche.

Auch dies kann man nicht pauschal sagen. Zweifellos lässt sich jedem Punkt |r> im Kosmos ein Gravitationspotential Φ(|r>) zuordnen. In diesem Potential hat sogar Licht, genauer gesagt jedem Photon der Frequenz f eine potentielle Energie

(1) E[pot] = h·f·Φ/c² (h Planck'sches Wirkungsquantum),

und die Summe aus dieser und der kinetischen Energie h·f ist konstant. Ändert sich also Φ, so ändert sich auch f, und zwar gegenläufig:

(2) f₂ = f₁(1 + Φ₁/c²)/(1 + Φ₂/c²).

Wenn ich jetzt bei |r>₁ eine Zeit Δτ lang einen Kaffee trinke und gleichzeitig Wellen mit der Frequenz f₁ erzeuge und abstrahle, und bei |r>₂ kommen die Wellen mit f₂ an, sieht der Vorgang bei |r>₂ u.U. länger oder kürzer aus, weil er in jedem Fall Δτ·f₁ Schwingungen dauert (Zahlen kannst Du nach belieben einsetzen, vorzugsweise sinnvolle).

Im Extremfall, von der engsten stabilen Kreisbahn (6μ-Orbit) um ein nicht rotierendes Schwarzes Loch (2μ ist der Schwarzschildradius) aus in den entfernten Weltraum ist der Faktor

(3) dt/dτ = 1/√{1 – v²/c² – 2μ/r} = 1/√{1 – μ/6μ – 2μ/6μ} = 1/√{½} = √{2}.

Dabei habe ich noch das Tempo v einbezogen, mit dem man in diesem Orbit unterwegs ist.

Hier ist eine Warnung angebracht: Oft wird auch im Zusammenhang mit Geschwindigkeit von 'Zeitdilatation' geredet. Das ist aber eigentlich Unsinn, denn Fortbewegung ist relativ - darauf beruht die Relativitätstheorie ja! Ihre flat-spacetime-Version ist schlicht die Anwendung von Galileis Relativitätsprinzip auf Maxwells Elektrodynamik.

Es ist paradox, von einem 'Auseinanderziehen' der Zeit zu sprechen. Man redet ja auch nicht von 'Längenkontraktion' einer Salami, die man schräg an eine andere anlegt, die eigentlich gleich lang ist.

Bild zum Beitrag

In der Raumzeit, zu der man Raum und Zeit zusammenzufassen hat, gibt es einen absoluten Abstand, der sich an räumliche Abstände anlehnt (Pythagoras), aber an einer Stelle ein Minuszeichen hat:

(4.1) Δτ := √{Δt² – Δs²/c²), falls cΔt ≤ Δs

(4.2) Δς := √{Δs² – c²Δs²), falls cΔt ≤ Δs

Dabei ist Δs ein räumlicher Abstand und Δt eine Zeitspanne zwischen zwei Ereignissen, jeweils in einem Koordinatensystem, von dem Δτ bzw. Δς aber unabhängig ist.

Daher sind gerade zeitartige Wege die längsten statt die kürzesten, und d.h. jemand, der wild im Weltraum umher reist, erlebt weniger Eigenzeit.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Physik, Alter, Universum)

Es ist die Geschwindigkeit und Masse die die Zeit in Relation zur Erde langsamer macht. Wenn du an einem super massereichen Schwarzen Loch vorbei fliegst vergeht die Zeit für dich langsamer (1h an einem schwarzen Loch sind zum Beispiel 2h auf der Erde, der Zeit Unterschied ist nicht korrekt ich wollte es dir nur etwas verandchaulichen) mit einer hohen Geschwindigkeit ist dies auch der Fall. (Ich glaube mal gehört zu haben das wenn man 7 Tage mit 99.9 % Lichtgeschwindigkeit reist vergehen auf der Erde 100 Jahre)


SlowPhil  07.01.2018, 07:59
Ich glaube mal gehört zu haben das wenn man 7 Tage mit 99.9 % Lichtgeschwindigkeit reist vergehen auf der Erde 100 Jahre.

Man liest viel. Auch viel Dummes Zeug. Die Leute behaupten einfach etwas und belegen es nicht bzw. rechnen es nicht aus.

Dabei ist das gar nicht so schwer:

dt/dτ = γ = 1/√{1 – v²/c²},

wobei hier

v/c = 1– 10¯³

ist. Daraus ergibt sich näherungsweise

v²/c² ≈ 1 – 2×10¯³

und damit

1 – v²/c² ≈ 2×10¯³ = 1/500,

sodass

γ = √{500} = 10·√{5} < 23

ist. Bei 7 Tagen würde das weniger als 160 Tage bedeuten, weit weniger als 1 Jahr.

mannnnnnnnnn  03.05.2020, 12:11
@SlowPhil

Ich habe mich jetzt Mal seit langem wieder eingeloggt, und habe jetzt erst deinen Kommentar gelesen, du hast viel Arbeit investiert und ich wollte dir danke sagen c:

Hallo ToxicYT,

nein. Warum sollte man?

Ich nehme an, Du verwechselst hier die Effekte der Relativitätstheorie...

Da gibt es das berühmte Beispiel für die Spezielle Relativitätstheorie, dass einer von zwei Zwillingen in ein Raumschiff steigt, eine große und schnelle Runde dreht... und sein Zwilling auf der Erde ist bei seiner Rückkehr ein alter Mann, während er selber noch recht frisch ist.

Nur: Dieser unterschiedliche Alterungsprozess kommt aus seiner Bewegung: Bewegte Uhren gehen langsamer. Er altert also langsamer, weil er sich bewegt, der andere Zwilling aber in Ruhe ist. Im Prinzip alterst Du auch langsamer als eine stehende Person, wenn Du aufstehst und im Zimmer rumläufst. (Die Effekte sind minimalst, aber berechenbar)

Das hat nichts mit dem Weltall zu tun.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt einen entgegenwirkenden Effekt: Uhren im Scherefeld gehen langsamer.

Weil im Weltall Schwerelosigkeit herrscht, alterst Du also sogar strenggenommen in einem Raumschiff, das relativ zu einem irdischen Beobachter in Ruhe ist (bzw. sich genauso bewegt) sogar schneller!

Auf der ISS oder in einem Flugzeug wirken sich also beide Effekte entgegen - die Uhr wird wegen der Effekte der Speziellen Relativitätstheorie etwas verlangsamt, wegen der Allgemeinen Relativitätstheorie etwas schneller relativ zu einer Uhr am Boden.

Auf der ISS - in rund 400 km Höhe - ist es so, dass die Effekte der Speziellen Relativitätstheorie minimal überwiegen: Astronauten, die Monate oben sind, sind gegenüber der am Beden gebliebenen Verwandtschaft wenige Sekundenbruchteile weniger gealtert.

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

SlowPhil  07.01.2018, 08:55

Für einen Kreisorbit lässt sich auch v bzw. v²/c² eliminieren, denn es ist

rv² = μc² = GM

(J. L. Martin, General Relativity, Aufgaben zum 1. Kapitel), und damit wird

v²/c² = μ/r,

wobei v das Tempo aus Sicht eines entfernten Beobachters ist.

Somit wird

γ = 1/√{1 – 3μ/r},

was übrigens, wie man sofort sieht, bei r = 3μ divergiert (vorausgesetzt, der „Körper“ sei tatsächlich kleiner als 3μ, ein - nicht rotierendes - Schwarzes Loch).

Auf diesem Kreisorbit können nur noch Photonen kreisen, und das tun sie mit v = √{⅓}c, vom entfernten Beobachter aus gesehen.

SlowPhil  07.01.2018, 08:25

Macht doch einfach mal Nägel mit Köpfen und verwendet

dt/dτ = 1/√{1 – v²/c² – 2μ/r},

das sich direkt aus Schwarzschild herleiten lässt (2μ ist der Schwarzschildradius).

Wenigstens für den Newton-Limes und Kreisbahnen stellt das die Situation ganz gut dar.

Nicht der Aufenthalt im All selber ist maßgebend, sondern das Beschleunigen auf hohe Geschwindigkeit.

Laut Einsteins Spezieller Relativitätstheorie ist die Lichtgeschwindigkeit die Grenzgeschwindigkeit im unserem Universum. Könnten wir lichtschnell fliegen (was aber unmöglich ist), würde die Zeit stillstehen. Es ist tatsächlich so, dass bei hoher Geschwindigkeit die Zeit langsamer abläuft (Zeitdilatation) und der Raumfahrer weniger schnell altert als der Erdbewohner. Dieser Effekt wurde auch durch Versuche mit zwei relativ zueinander bewegten sehr exakten Uhren bestätigt.


SlowPhil  09.01.2018, 11:47
Nicht der Aufenthalt im All selber ist maßgebend, sondern das Beschleunigen auf hohe Geschwindigkeit.

Relativ zu einem gegebenen Bezugssystem. Schließlich sind wir selbst relativ zu den Teilchen der kosmischen Strahlung mit fast c unterwegs.

Einsteins Relativitätstheorie basiert auf Galileis Relativitätsprinzip. Bewegt sich B mit einer Geschwindigkeit |v> relativ zu A, so kann man ebensogut sagen, dass B ortsfest sei und sich A mit –|v> bewege.

Entscheidend ist bei solchen Reisen, wer sozusagen den krummen Weg durch die Raumzeit hat.

Ralph1952  09.01.2018, 12:25
@SlowPhil

Genau, beim Test mit 2 relativ zueinander bewegten Uhren "läuft" natürlich diejenige langsamer, die beschleunigt und wieder verzögert wird, d.h. eine krumme Bahn beschreibt.

Es kommt darauf an, wo genau im Weltall man sich befindet.

Nur wenn, wo man sich befindet, das Gravitationsfeld stärker ist als auf der Erde, wird man dort langsamer altern. [ z.B. in der Nähe eines Schwarzen Lochs ].

Wer sich aber z.B. im freien Fall auf einer Umlaufbahn um die Erde befindet, wird dort etwas schneller altern als auf der Erde selbst.


uteausmuenchen  06.01.2018, 23:29

Auf die Gefahr hin, eine weitere Endlosdiskussion loszutreten: Der letzte Abschnitt ist falsch. MIR und ISS befinden sich auf derartigen Umlaufbahnen. Und der Netto-Effekt aus Spezieller und Allgemeiner Relativitätstheorie ist so, dass in MIR bzw. ISS die Uhren langsamer gehen.

http://www.spektrum.de/magazin/sind-zeitreisen-moeglich/1372447

Sergei Krikaljow ist Rekordhalter und in der Summe etwa 0,02 Sekunden in "die Zukunft" gereist, also jünger im Vergleich zu auf dem Boden Gebliebenen.

grtgrt  06.01.2018, 23:39
@uteausmuenchen

Naja, er muss die Umlaufbahn ja erst mal erreicht haben - und wurde zu diesem Zweck stark beschleunigt, was zur Folge hatte, dass seine "Lebensuhr" da verzögert wurde. Diese Verzögerung wird bestehen bleiben.

Wie alt er Beobachtern auf der Erde derzeit erscheint, ist im Ergebnis Summe aus gravitativer und nicht gravitativer Zeitdilation. Der zweite dieser Anteile aber wird verschwunden sein, sobald der Astronaut sich wieder auf der Erde befindet.