Umgang mit dem bevorstehenden Tod, "Stirb endlich"
Hallo zusammen,
hat jemand von euch vielleicht schon einmal einen nahen Verwandten oder Bekannten beim Sterben begleitet und sich dabei gedacht "Stirb doch endlich"?
Ich meine ausdrücklich nicht Leute, die man abgrundtief hasst und ihnen sowieso etwas Schlechtes wünscht (vermutlich würde man solche Leute eh nicht beim Sterben begleiten). Ich rede von Verwandten oder Bekannten, zu denen man entweder ein gutes Verhältnis oder ein gespaltenes hatte, deren Tod man sich aber auf eine Art herbeisehnt.
Was war der Grund dafür, dass ihr so gedacht habt, oder ab welchem Punkt habt ihr so gedacht? Habt ihr das der Person gesagt? Wie habt ihr es moralisch mit euch ausgemacht?
Vielen Dank.
10 Antworten
Ich leider ja! Aber dafür gab es auch gute Gründe, denn ich habe nacheinander meine Großeltern (mütterlicherseits), meine Mutter und meinen Vater in deren letzten Tagen erlebt. Ich habe bei jedem dieser vier Menschen erlebt, wie sehr sie in diesen letzten Tagen ihres Lebens dahinsiechten:
- Mein Opa war komplett abgemagert und hatte bis zuletzt gräßliche Schmerzen.
- Meine Oma baute zuletzt geistig so sehr ab, daß ich die Folgen, die ich 1:1 mitbekommen hatte, hier nicht niederschreiben kann.
- Meine Mutter hatte Leberkrebs und erkannte mich am Tag vor ihrem Tod nicht mehr, so sehr hatten sie die Gifte, die ihre kaputte Leber nicht mehr abbauen konnte, bereits abdriften lassen.
- Mein Vater hatte 2 Wochen vor seinem Tod einen epileptischen Anfall aufgrund eines Hirntumors (Nierentumor mit Metastasen zuerst in der Lunge und dann im Gehirn) und war daraufhin bis zu seinem Tod ein kompletter Pflegefall.
Allen gemeinsam war, daß sie keinen würdigen Tod hatten. Man könnte nun sagen, ich solle mich schämen, weil ich nach deren Tod jedesmal so erleichtert war. Aber ich schäme mich nicht! Ich gebe offen zu, daß ich mich für jeden dieser Menschen gefreut habe - einfach, weil dessen Leiden nun endlich vorbei war.
So möchte ICH nicht enden!
Den Eltern / Lebenspartnern / Kindern mit Mitte 30 eine Vollmacht für alle Konten einzuräumen und einen Stapel Kopien von Lebensversicherung über Passwörter zu wichtigen Online-Accounts bis hin zum Testament sowie eine Willenserklärung zur Bestattung zu überreichen und alles das ab dann auch regelmäßig auf den neusten Stand zu bringen, damit „falls morgen ein LKW….“, alles so gut es geht geklärt ist wie möglich, mag die korrekteste Art sein, mit dem eigenen Ableben umzugehen, aber ganz ehrlich, wer macht das?
Ich begleite gerade jemanden. Und ich habe auch in der Vergangenheit jemanden begleitet und ja - ich hatte diese Gedanken auch.
Nicht weil ich keine Empathie empfinde, sondern weil es mir unglaublich schwer fällt (fiel) diese Menschen zu sehen, die mal im Leben standen und nun hilflos im Bett liegen und auf‘s Ende warten.
Man weiß, es ist nur noch ein vor sich hin vegetieren, das Leben ist vorbei. Wäre ich in der Situation, würde ich mir wünschen, ein möglichst schnelles Ende zu wünschen.
Und das wünsche ich auch der, bei der ich gerade bin. Ihr Leben ist nicht mehr lebenswert und da finde ich den Gedanken, wenn es nicht mit Hass und Verbitterung verbunden ist, überhaupt nicht verwerflich. Im Moment in dem ein Mensch im sterben liegt, ist egal was mal war - in diesem Moment geht es nicht um mich und meine möglichen Verletzungen, sondern um den Menschen der da liegt und kein Leben mehr führen kann.
Nein, einfach ist es nicht. Aber auch schön zu wissen dass man für den Menschen noch da sein kann und ihn ein wenig stützen kann. :) niemand sollte alleine sterben.
Ja. Aber nicht in dieser Formulierung
Ich hatte meinen Vater an Krebs verloren. Ein Jahr später erkrankte auch meine Mutter
Es war ein elend langes sterben bis sie dann 1,5 Jahre später wirklich starb.
Beim ca 8. Anruf "komm heim, Mama stirbt" dachte ich mir, ja hoffentlich. Damit ihr Leid endlich vorbei ist. Weil es unerträglich ist, jemand, den man liebt so leiden zu sehen. Dass der Tod eben nicht nur im übertragenen Sinne eine Erlösung ist.
Als sie dann letztendlich starb sind wir aus dem KH raus und einer von uns Kindern sagte: "endlich ist's vorbei". Weil sie endlich keine Schmerzen mehr hatte, weil sie endlich nicht mehr auf den Tod warten muss, weil ihre psychische qualen endlich ein Ende hatte, weil sie endlich nicht mehr SO leben MUSSTE.
Beim ca 8. Anruf "komm heim, Mama stirbt" dachte ich mir, ja hoffentlich.
Ja, das kommt mir bekannt vor.
Ich finde ehrlich gesagt bisher alle Antworter, die von ihren Erfahrungen berichtet haben, ziemlich heroisch. Wird sich zeigen, wie heroisch ich bin.
Ach... Heroisch ist das nicht. Das ist ein Gefühl.
Vor meinen Eltern haben wir unseren ältestem Bruder/Sohn bei einem Autounfall verloren. 1,4 Jahre später Krebs beim Vater. Dann auch die Mutter. Da resigniert man zumal wir Kinder alle Anfang/Mitte 20 waren.
Als 2020 unser zweiter Bruder starb (ebenfalls länger Leidensweg) hatten meine Schwester und ich nicht diese Gedanken. Im Gegenteil, sein Tod hat uns schwer aus den Schuhen gerissen. Wenn man irgendwann im selben Alter der Eltern ist, die eigenen Kinder so alt wie wir damals ändert sich irgendwie die Perspektive
Nichtsdestotrotz stehen wir Schwestern auch heute noch zum Spruch "endlich ist's vorbei". Es war ja auch in dem Sinn: Mama, du DARFST gehen, wir kommen zurecht.
"Stirb endlich" ist, meiner Meinung nach, wohl etwas ungünstig und hart formuliert. - Aber ich kenne dieses schreckliche Gefühl zu sehen, wie es mit einem Menschen langsam zu Ende geht. Wie er immer schwächer wird, kaum noch die Kraft hat, sich zu bewegen... seine Erinnerungen verblassen und es ihm immer schwerer fällt, einer einfachen Kommunikation zu folgen. Selbst fühl man sich schrecklich hilflos... weil einem auf der einen Seite bewusst wird, wie vergänglich das Leben ist, wir aber den geliebten Menschen eigentlich nicht verlieren möchten... und es sehr schmerzhaft ist zu sehen, wie sehr sich ein Mensch auf seinem letzten Weg "quält".
Würde es sich, (böse gesagt), um ein Haustier handeln, wären wir herzlose Tierquäler, weil wir ein Leid so sehr verlängern. Ein Mensch hingegen, muss auf seinen "natürlichen" Tod warten... so was zerreisst einem innerlich fast... weil man keinen geliebten Menschen so leiden sehen, ihn jedoch auch möglichst lange an seiner Seite haben möchte. Und es macht Angst, weil der eigene letzte Weg vielleicht genauso "qualvoll" und "mühsam" werden könnte.
Da ist es meiner Meinung nach nur menschlich, wenn man einem Menschen, der sich auf seinem letzten Weg so "quält"... einfach eine Erlösung vom ganzen Leid wünscht.
Es ist ein Irrglaube, dass man denkt man sei bei Erziehung oder Pflege nur von Liebe erfüllt. Alle Eltern von Kindern und auch alle pflegenden kommen regelmäßig an ihre Grenzen und hegen tiefste dunkle Wünsche in diesen Momenten.
Selbst wenn man einen Verwandten verliert, der sich vielleicht noch quält, kann man sogar im Lieben wünschen, er könne endlich gehen… habe ich auch schon oft gehört, dass Verwandte liebevoll wünschen es könne ein friedliches Ende finden.
Während es für Kinder Unmengen Literatur gibt, ist es für Pflege/ Angehörige/ alte eher gering bestellt. Spannend fand ich Rolf horak, zb mit „Identität und alter“, glaube ich. Er hat sich psychologisch dem Thema Pflege gewidmet, nachdem es damals medial präsent die ersten „Todespfleger“ gab, die Senioren ungebraucht haben.
…und das ganze auch noch viermal (!) mitzuerleben, das ist ja entsetzlich! Auch wenn sich das jetzt echt schlecht anhört, aber da kann ich ja froh sein…
Ich habe mir vor einigen Jahren in Zusammenhang einem anderen Todesfall auch einmal überlegt, wie ich eigentlich gewollt hätte, dass die Person stirbt. Ich hatte damals auch einige YouTube-Videos zu diesem Thema konsumiert, aber bin zu dem nicht besonders erheiternden Schluss gekommen: es gibt keinen „guten“ Tod. Es gibt schnelle und mutmaßlich (!) schmerzfreie Tode, aber die haben wiederum den Nachteil, dass die Betroffenen keine Chance bekommen, ihre Dinge zu klären (seien es finanzielle Dinge oder emotionale) und den Angehörigen aufgrund der Plötzlichkeit dermaßen der Boden unter den Füßen weggerissen wird, dass das auch beinahe automatisch traumatisch ist. Der langsame Tod durch Krankheiten hingegen… alles das, was du geschrieben hast.