Radikale Akzeptanz - wie soll das gehen?


05.07.2024, 19:19

Wenn ich neue Menschen kennenlerne, darf ich nie viel von mir erzählen, weil das ist für jeden zu viel. Das ist doch schräg! Ich hab den ganzen Scheiß ERLEBT, diese Menschen bekommen vielleicht 1/4 von dem, was ich hier geschrieben habe (z. B. Infos zu meinen Kindern, weil man sich eben darüber austauscht, und packen das schon nicht und verurteilen gleich :( Also höre ich zu, lasse mir erzählen und halte mich bedeckt. Kann jemand verstehen, wie mies sich das für mich anfühlt?

2 Antworten

Hm, wo genau ist jetzt die "radikale Akzeptanz"? Wer verlangt/sucht/braucht die auch?

So wie ich es lese bist du/ist dein Leben aktuell vergleichsweise stabil...

...ist es (dir) nicht möglich, einen gewissen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und den Blick mehr nach vorne zu richten...

Was meint deine Therapeutin?


Inkognito-Nutzer   06.07.2024, 09:53

Meine Therapeutin meint, dass ich akzeptieren muss, dass ich immer wieder "abrutsche", weil ich einfach so viel erlebt habe.

Ich kann den Schlussstrich ziehen. Es ergibt sich ein neuer Kontakt, man tauscht sich aus, spricht natürlich über Kinder und Freunde und ich werde sofort verurteilt. Wenn mein Kind den Kontakt abgebrochen hat, muss ich daran schuld sein. Die Leute kennen keine Geschichte, haben keine Ahnung von Autismus. Dass meine Freundin, die am gleichen Tag wie ich Geburtstag hatte, sich selbst in ihrem Auto verbrannt hat, löste zuletzt die Reaktion aus: "Ja sag mal, was hast denn du für Freunde?" Ich hatte nur erzählt, dass sie Suizid begangen hat, nicht die Art! Selbst die Langzeitreise meines anderen Kindes ruft seltsame Äußerungen hervor, dass es wohl sein Erbe verprasst und nichts auf die Reihe bekommen hat. Als ich zuletzt eine Frau in ihre Grenzen zurückgewiesen habe, warf sie mir vor, instabil zu sein. Es stimmt, aber es hörte sich so vorwurfsvoll an :( Und dann kommt die Vergangenheit wieder hoch und ich hadere erneut. Mein Leben ist so unnormal, fast habe ich das Gefühl, manche Leute glauben, es sei ansteckend. Es gibt ja auch diesen Spruch, dass man die Summe der 5 Menschen ist, mit denen man sich am meisten umgibt. Ich bin in der wahren Version nicht zumutbar. Ich mag aber nicht beschönigen und am Ende kommt die Wahrheit scheibchenweise ans Licht. Wer in Therapie ist, mit dem stimmt etwas nicht. Ich habe sogar überlegt, abzubrechen.

Du hast aber Recht, es gibt viel instabilere Situationen. Ich kann immerhin mein Leben managen und bin zumindest kein Sozialfall. Wenn aber das Alleinsein zur Einsamkeit wird, wird es unerträglich.

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myotis  06.07.2024, 11:23
@Inkognito-Beitragsersteller

Ich wollte deine Situation bzw. Stabilität nicht klein reden oder so - im Gegenteil, sehe ich als gute Basis...

...das immer wieder abrutschen finde ich aber seltsam...

  • Von einer Therapeutin 2x
  • Selbst würde ich mir dann andere Bekannte & Freunde suchen...
  • ...bzw. wäre bei der Auswahl vorsichtiger...
  • ...bzw. würde es lieber ganz lassen, ins Detail zu gehen, als wieder und wieder an die falschen zu kommen...
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Ich kann nachempfinden wie sich das anfühlt.

Wenn dich deine Therapeutin an deine Kompetenzen erinnert. Hast du dir das Mal aufgeschrieben? Ich hab mir das an die Wand geklebt. Und ich würde es mir auch auf den Tisch schreiben. Irgendwo dahin, wo es leicht erreichbar oder im Blickfeld ist, wenn du wieder Mal in so einen Tunnel rutschst.

Ansonsten klingt deine Situation nach einem Fall für Case Management. Schau einfach Mal nach Anlaufstellen in deiner Umgebung. Vielleicht kann dir dabei auch deine Therapeutin helfen.

Was ist case management?

Das sind Sozialarbeit, die für dich zugeschnittene Hilfen organisiert. Gerade auch soziale Kontakt und Kontakt zu Menschen, die das gleiche wie du durchmachen. Und auch wenn du sagst, du brauchst irgendeine Aufgabe kannst dich aber nicht an Termine halten. Die Sozialarbeiter helfen dir dabei.

Und denen kannst du auch getrost deine ganze Geschichte erzählen. Dafür sind sie da :)