Kennt jemand Hochschullehrer für Philosophie, die Markus Gabriels Realismus (= sog. Neuen Realismus) verteidigen angesichts der Tatsache, dass

2 Antworten

llama-3-70b-instruct (eine KI) kritisiert Gabriels Realismus wie folgt:

Der Realismus von Markus Gabriel, auch bekannt als "Neuer Realismus" oder "Sinnfelder", ist Gegenstand verschiedener Kritik. 

1. Mangel an klaren Definitionen: Kritiker argumentieren, dass Gabriels Schlüsselbegriffe wie "Sinnfelder" und "ontologischer Pluralismus" nicht klar definiert sind, was das Verständnis und die Bewertung seines philosophischen Rahmens erschwert.

2. Überbetonung der Intuition: Gabriels Ansatz stützt sich stark auf Intuition und phänomenologische Beschreibungen, die einige Kritiker als unzureichend durch strenge Argumentation und Beweise gestützt ansehen.

3. Unzureichende Auseinandersetzung mit bestehenden philosophischen Debatten: Einige Kritiker argumentieren, dass Gabriels Realismus nicht angemessen auf bestehende Debatten in der Philosophie eingeht, wie z. B. das Leib-Seele-Problem, die Natur der Referenz oder den Status abstrakter Objekte.

4. Mangel an klaren Implikationen: Es ist unklar, welche konkreten Implikationen Gabriels Realismus für verschiedene Bereiche der Philosophie hat, etwa für die Metaphysik, die Erkenntnistheorie oder die Sprachphilosophie.

5. Unklarheit über die Natur der Realität: Gabriels Realismus wird oft als zweideutig in Bezug auf die Natur der Realität angesehen, so dass unklar bleibt, ob er für eine Form des metaphysischen Realismus, des sozialen Konstruktivismus oder etwas ganz anderes eintritt.

6. Mangel an empirischen Belegen: Gabriels Realismus wird oft so gesehen, dass es ihm an empirischen Belegen fehlt, um seine Behauptungen zu untermauern, und er sich stattdessen auf philosophische Intuition und Sesselargumentation verlässt.

Also ich musste erstmal lesen, was er so in etwa damit meinen könnte.

"mit dem Argument, dass „die Welt“ als Totalität in Wirklichkeit nicht existiere; es gebe überabzählbar viele „Sinnfelder“, in denen Objekte im Geist erscheinen (z. B. in einem naturwissenschaftlichen Sinnfeld, oder in einem ökonomischen Sinnfeld). Erkenntnis geschehe stets innerhalb der Regeln des jeweiligen Sinnfeldes."

Ich verstehe das so, dass er die Welt nicht als "das Universum" auffasst (im physikalischen Sinne), sondern als philosophischen Begriff (so wie bei Kant). Seinen letzten Satz verstehe ich so, dass z.B. "Gott" im Sinnfeld der Naturwissenschaften anders behandelt wird (Gott ist kein Forschungsgegenstand) als im Sinnfeld der Religion oder der Religionswissenschaften.

"Für ihn gibt es Objekte innerhalb und außerhalb des Geistes. Objekte sind also auch Gedanken über Objekte. Gemäß seiner realistischen Ontologie der Objekte umfasse die Welt neben materiellen Objekten bspw. auch Gefühle, Ideen, Konzepte und Kategorien."

D.h. das "Konzept Gott" existiert als immaterielles Objekt, wenn ich das nun recht verstanden habe. Und die Trennung in Abstrakta und Konkreta ist schon alt und meines Erachtens nach sinnvoll.

Markus Gabriel – Wikipedia


grtgrt 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 15:32

Dass die Welt (= alles, von dem wir wissen, auch wenn wir es nie werden vollständig beobachten oder verstehen können) mehr ist als nur das mittels geeigneter physikalischer Messinstrumente beobachtbare Weltall (= alles, was Physiker "das Universum" nennen), erscheint mir offensichtlich.

Und eben deswegen bedarf es — neben Naturwissenschaft — ja auch der Philosophie.

Philosophisch nennt sich alles Denken, das nicht an unserem Erkenntnishorizont haltmacht, sondern sich die Freiheit nimmt, auch noch jenseits davon nach Erklärung zu suchen — auch wenn Resultat solchen Suchens dann nicht mehr Wissen, sondern nur noch persönliche Überzeugung sein kann.

Im philosophischen Weltbild rechnet zu den "Dingen" alles, über das man nachdenken kann. Schon George Berkeley sah das so, als er schrieb: "Esse est percipi" (= zu existieren bedeutet, Gegenstand von Betrachtung zu sein).

Gabriels Argument allerdings, dass die Welt nicht existieren könne, da man beim Versuch, sie aufzulisten nie fertig würde, empfinde ich als geradezu lächerlich.

Denn: Wäre dem so, dürfte aus demselben Grund heraus ja auch nichts existieren, was – in der Mathematik etwa – als nicht endliche Menge auftritt (z.B. die Menge aller ganzen Zahlen oder gar Mengen noch deutlich höherer Kardinalität).

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grtgrt 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 15:42
@grtgrt

Als noch deutlich lächerlicher empfinde Gabriels Aussage "Falsch: Alle Philosophien der letzten 2500 Jahre".

Er scheint (selbst als Inhaber eines Lehrstuhls für Erkenntnistheorie) noch gar nicht begriffen zu haben, was Philosophie denn eigentlich ist. Würden Sie mir darin zustimmen?

https://www.youtube.com/watch?v=YW61JdUXySw

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OlliBjoern  06.07.2024, 16:46
@grtgrt

Ja klar, das finde ich auch (man benötigt auch Philosophie - nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung der Naturwissenschaften).

" dass die Welt nicht existieren könne, da man beim Versuch, sie aufzulisten nie fertig würde"

Diese Formulierung irritiert mich auch, ich bin auch nicht so ganz sicher, wie er "die Welt" versteht. Er spricht ja auch von irgendeiner "Totalität", ohne dass ich nun genau wüsste, was er damit meint (der Verweis auf Kant ergab sich nur aus dem obigen Text).

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OlliBjoern  06.07.2024, 16:48
@grtgrt

Ja, denn es geht gar nicht mal um "richtig" oder "falsch" (meiner Ansicht nach), sondern um die präzise Ausformulierung verschiedener Betrachtungsweisen.
Daher denke ich auch nicht, dass Hume "falsch" lag, obwohl er in punkto Willen eine andere Auffassung als Schopenhauer hatte.

Man kann dasselbe Objekt von verschiedenen Winkeln aus betrachten.

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